Politik

Wie Trump noch würdevoll verlieren könnte

Es wird Zeit, dass Donald Trump die Erfahrungen seiner Reality TV-Vergangenheit anzapft.
​Donald Trump umarmt die amerikanische Flagge;  Wie Trump noch würdevoll verlieren könnte​
Foto: imago images / UPI Photo

Als ein Typ per Whatsapp mit mir Schluss machen will, bin ich gerade auf dem Weg zu einer Party. Statt in diese Nachricht in Großbuchstaben als Fake-News zu deklarieren, antworte ich nichts. Kurz darauf ruft er an. Gerne will er wohl Zeuge sein eines Moments, in dem ich nicht komplett kontrolliert bin oder sich daran aufgeilen, wie viel Macht er über die Emotionen einer anderen Person hat. Ich sage ihm, dass ich die Nachricht gelesen habe und das auch OK finde. Jetzt müsse ich aber los, ich verpasse meinen Bus. 

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Später stehe ich mit ein paar Freunden vor einer Bar. Da verabschiede ich mich kurz und stelle mich eine Straße weiter in einen Hauseingang, um zwei Minuten zu heulen. Verlieren ist etwas, was man still und heimlich machen kann. Und gleichzeitig weiß man dabei trotzdem, dass man damit nicht alleine ist. Es wird Zeit, dass Donald Trump die Erfahrungen seiner Reality TV-Vergangenheit anzapft. Dort brüllte er als Höhepunkt der Show Mitarbeiter gern an: "You're fired!" Nun ist er eben selbst gefeuert worden. Vielleicht würde es ihm gut tun, wenn er sich einen Hauseingang suchen würde, um für ein paar Minuten zu heulen.  

Niederlagen und Reality TV

Verlieren schafft mehr Zugehörigkeit als Gewinnen, deshalb ist es manchmal auch das Reality TV, das mich auffängt, wenn ich scheitere. Die Szenen, in denen jemand verliert, sind die, die der Realität am nächsten kommen. Deswegen schaue ich in diesen Momenten gern Privatfernsehen: Ein Kandidat einer amerikanischen Kochsendung schiebt eine Entenbrust in den Ofen. Später trägt er sie zitternd nach vorne zu den Jurymitgliedern. Während Gordon Ramsay sie in der Mitte durchschneidet, seufzt und den Kopf schüttelt, weinen wir beide, der Kandidat und ich. Er hat seine Ente angekokelt und ich habe meine Hausarbeit zu spät abgegeben. Wie wunderbar schrecklich für uns beide. 

Viel mehr als Neid oder Unfähigkeit, eine Niederlage zu akzeptieren, signalisieren unsere Gefühlsausbrüche, dass die Message angekommen ist. Eine Hasstirade auf Twitter sagt das Gegenteil aus. Dass die eigene Wachsfigur schneller über die Niederlage hinwegkommt auch. Madame Tussauds in New York hat Donald Trump nämlich schon neu eingekleidet. Seit heute trägt er im Wachsfigurenmuseum sein Golfoutfit. Dabei sollte er mittlerweile eigentlich ein besserer Verlierer sein. Trump Steaks, Trump University, Trump Airlines: Das sind nur drei von Trumps unternehmerischen Unterfangen, die massiv gefloppt sind.

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Ich schalte um. Vor der Schweizer Bachelorette stehen die beiden Finalisten, Giovanni und Mike. Mike ist Maurer, groß und muskulös. Giovanni ist Italiener und stellt sich vage als Unternehmer vor. Die thailändische Sonne brennt auf die Männer hinunter. Sie sind nervös und ihre Köpfe ragen glänzend wie ölige Kartoffeln aus ihren Anzügen. "Ich habe mich total in dich verliebt…Mike", sagt die Bachelorette irgendwann. Während die Bachelorette und Mike kichern und knutschen, versucht Giovanni, nicht in Tränen auszubrechen. Und es ist irgendwie schön, weil man ihm den Schmerz voll und ganz glaubt. Verlieren ist echt. Zum Abschied umarmt er sie. Ganz so elegant kriegt das Donald Trump nicht hin, als er von denen verlassen wird, die ihm am nächsten sind. Was für Giovanni die Bachelorette ist, ist für Donald Trump in diesem Fall Fox News. Kurz nach dem Wahlabend wandte sich sogar der bislang treueste Fernsehsender von ihm ab. Als einer der ersten Sender erklärte er Biden zum Sieger im Bundesstaat Arizona. 

Aber klar, eine Niederlage tut weh.

Trump 2024 und Four Seasons Total Landscaping

Sonntage sind die Tage, an denen mein Vater auf dem Sofa schnarcht. Das einschläfernde Summen der Formel-1-Motoren oder einer Fußballfankurve rauschten im Wohnzimmer, unterbrochen von seinem lauten Atmen. Manchmal schreckte er hoch, wenn wir den Kühlschrank am anderen Ende des Raums öffneten. Anders war es, wenn seine Lieblingsmannschaften verloren. Dann saß er angespannt am vorderen Ende des Sessels. Den Tränen nahe schrie er und fluchte auf italienisch. Und wie auch alle anderen Dinge, die man als Kind nicht vollständig versteht, fand ich diese Gefühlsausbrüche unglaublich cool. Für mich war das Erwachsensein: Eine Meinung haben und die eigenen Emotionen von einer höheren Macht abhängig machen. In diesem Fall: Fußball und Formel 1. 

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Donald Trump ist leider noch nicht so weit, dass er zuhause auf dem Sofa seine Niederlage betrauern kann. In seiner Welt gibt es die Niederlage noch gar nicht. Während er versucht, den angeblichen Wahlbetrug mit Todesanzeigen zu belegen, zieht er schon in Erwägung, 2024 nochmal ins Rennen um die Präsidentschaft zu gehen. Dabei scheint es wie ein verräterisches Anzeichen, dass sein Team für seine letzte Pressekonferenz statt dem Four Seasons Hotel in Philadelphia aus Versehen den Parkplatz der Gartenbau-Firma Four Seasons Total Landscaping gebucht hat. Diese Pressekonferenz ist ein erster Indikator dafür, dass Trump auf dem richtigen Weg ist, sich mit weniger zufrieden zu geben. Eine würdevolle Niederlage wäre wahrscheinlich Donald Trumps letzte Möglichkeit, einmal in seinem Leben mehr Mensch als Monster zu sein.

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