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Bundestagswahl 2017

Das ist die ehrlichere Alternative zum Wahl-O-Maten

DeinWal bewertet die Parteien nach dem, was sie wirklich bewegt haben – nicht danach, was sie versprechen.
Foto: imago | Future Image

In den Wochen vor der Wahl ersetzt der Wahl-O-Mat die Sonnenuntergang-Bilder auf WhatsApp und Facebook durch Screenshots des eigenen Ergebnisses, versehen mit einem aufgeregten "Ich glaub, ich muss die Linke wählen!!!". Die kleine Wahlhilfe gehört mittlerweile fast schon so fest zur Wahl wie für viele die Tatsache, dass am Ende Merkel als Kanzlerin herauskommt. Doch beides ist nicht alternativlos.

Bei dem Portal DeinWal müsst ihr euch nicht durch zahlreiche Absichtserklärungen und Wunschvorstellungen der Parteien klicken, sondern es bewertet, wie Parteien tatsächlich in den vergangen Jahren im Bundestag abgestimmt haben. Wie nah eine Partei euch steht, richtet sich also danach, ob sich die einzelnen Abstimmungen mit eurer Meinung decken und eben nicht danach, was die Partei für die Zukunft verspricht.

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Der Wahl-O-Mat gibt nur die Positionen wieder, die die Parteien ihm zu bestimmten Fragen zusenden. Was sie davon am Ende umsetzen, wird ebenso wenig berücksichtigt wie ihre bisherige Politik. Das ist vor allem problematisch, wenn Leute sich ausschließlich nach dem Wahl-O-Mat entscheiden. Die Macher bezeichnen ihn daher auf der Seite auch nur als "Appetitanreger" für mehr Informationen. Der Einfluss des Wahl-O-Maten ist groß: Immerhin benutzten ihn vor der Wahl 2013 mehr als 13 Millionen Menschen, knapp 16 Prozent der Bevölkerung. Der Wahl-O-Mat hat damit in Deutschland etwa die gleiche Bedeutung wie ein Kanzlerduell.

DeinWal verfolgt einen anderen Ansatz: Bioinformatiker Martin Scharm und Maschinenbauer Tom Theile haben das Portal gegründet, um transparent zu machen, wie Parteien am Ende tatsächlich abstimmen: "Bei uns kann jeder seine Entscheidung der letzten Wahl überprüfen", sagt Martin zu VICE. Das Prinzip funktioniert so: User können ankreuzen, wie sie selbst bei Abstimmungen des Bundestages entschieden hätten. Die Fragen sind aus den über 200 Abstimmungen der vergangenen Legislaturperiode ausgewählt; die 42 Fragen zu beantworten, dauert etwa eine Viertelstunde.

Wie die Parteien in einzelnen Fragen abgestimmt haben, können die Nutzer bei jeder Frage direkt anschauen. Dazu bieten die Macher jeweils Informationen zu den einzelnen Abstimmungen, worum es ging und wie viele Abgeordnete für was gestimmt haben.

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Am Ende zeigt das Portal dann die Übereinstimmung mit den jeweiligen Parteien an.

Als endgültiger Wahlentscheider ist aber auch DeinWal nicht gedacht. "Es wäre sogar gefährlich, nur unser Portal zu nutzen", sagt Martin. Den bei DeinWal kann man nur die vier Parteien testen, die aktuell im Bundestag sitzen. Wer sich vorstellen kann, die FDP oder andere zu wählen, dem bringt die Seite wenig.

Ein weiterer Kritikpunkt: Das System unterscheidet nur, wer wie abgestimmt hat. Dass aber häufig Koalitionskompromisse zu Entscheidungen führen und sich eine Partei viel mehr für ein Thema engagiert hat als eine andere, berücksichtigt das Portal nicht. So hat die SPD beispielsweise jahrelang für einen Mindestlohn gekämpft, die CDU wollte ihn nie. Im Portal hat der Nutzer mit beiden Parteien die gleiche Übereinstimmung, wenn er für den gesetzlichen Mindestlohn stimmt. Am Ende ist es trotzdem ehrlicher zu schauen, wo Parteien tatsächlich Ja und Nein gesagt haben, als lediglich die Zukunftsvisionen beim Wahl-O-Mat zu vergleichen.

Die Idee, der Übermacht des Wahl-O-Maten ein paar mehr oder weniger handfeste Alternativen entgegenzusetzen, hatten nicht nur Martin und Tom:

Mit der App WahlSwiper zum Beispiel kann man sich auch zu seiner Wahlentscheidung tindern, in der Hoffnung, dann vier Jahre lang eine glückliche Beziehung mit der neuen Regierung zu führen. Und für wen Merkel tatsächlich so alternativlos ist, dass er sich mit ernsthaften Inhalten gar nicht erst auseinandersetzen möchte: Der Musik-O-Mat zeigt einem die Lieblingshits der Parteien an. Dann weiß man zumindest, dass die CDU auf die Frage "Wenn Ihre Wahlkampagne einen Song hätte, welcher wäre das?" mit "Deine Schuld" von den Ärzten geantwortet hat. Und falls Merkel dann gewinnt, kann man leise an sich selbst – oder an Merkel – gerichtet mitsingen: "Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt."

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