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Prozessauftakt gegen den mutmaßlichen Campus-Waffenhändler

In Schweinfurt muss sich heute erstmals ein Deutscher als Darknet-Waffendealer vor Gericht verantworten.
Der Hauptbeschuldigte. Alle Bilder: Daniel Mützel / Motherboard.

Am Donnerstagmorgen hat in Schweinfurt der erste Prozess gegen einen Deutschen begonnen, der im Darknet mit Waffen gehandelt haben soll.

Vor dem Landgericht muss sich der 26-jährige Christoph K. verantworten, der vor fast genau einem Jahr bei einem spektakulären SEK-Zugriff festgenommen wurde: Mitten auf dem Campus der Schweinfurter Fachhochschule, nur rund einen Kilometer Luftlinie von dem Saal entfernt, in dem Richter Tietze heute um 8:30 Uhr die Verhandlung eröffnete, soll damals seine zweijährige Karriere als Darknet-Dealer zu Ende gegangen sein. Das glauben zumindest die Ermittler, die Christoph K. 20 Verstöße gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz vorwerfen, jeweils „in einem besonders schweren Fall."

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Im Fall des Mechatronik-Studenten sind jedoch noch zahlreiche Fragen offen. Vor allem wie es dem LKA Bayern gelang, dem mutmaßlichen Waffendealer überhaupt auf die Spur zu kommen, ist noch ungeklärt. Fest steht, dass dem Zugriff monatelange Ermittlungen vorausgingen. Ob die LKA-Beamten im Darknet auf die entscheidenden Hinweise gestoßen sind oder ob konventionelle Polizeiarbeit zur Festnahme geführt hat, wird sich erst in den kommenden Wochen klären. Auch wie die Ermittler beweisen wollen, dass Christoph K. tatsächlich für Darknet-Deals verantwortlich war, dürfte zu einem Kernaspekt der Verhandlung werden.

Bis das SEK kommt: Die spektakuläre Festnahme des mutmaßlichen Waffenhändlers

Motherboard-Recherchen zufolge hatte es der von Kommilitonen als Waffenfan beschriebene Student bei der Festnahme im Januar 2015 gerade noch geschafft, das Ladekabel seines akkufreien Laptops aus der Steckdose zu ziehen. Durch das Kappen der Stromzufuhr hätte er eine passwortgeschützte Verschlüsselung seiner Festplatte aktiviert und es den Ermittlern wesentlich erschwert, an möglicherweise belastende Daten heranzukommen. Bei der minutiös geplanten Festnahme des Silk-Road-Betreibers Ross Ulbricht konnten sich die Beamten Zugriff auf dessen eingeschalteten Computer verschaffen—die aktiven Log-Ins in den Admin-Bereichen des Darknet-Schwarzmarktes wurden im Prozess damals zu wichtigen Beweisstücken.

Christoph K. werden für den Prozess die Handschellen abgenommen. Bild: Motherboard.

Der Beschuldigte, dem eine Gefängnisstrafe von über zehn Jahren drohen könnte, wirkte zu Beginn des ersten Verhandlungstages ruhig und beinahe schüchtern. Während seiner Vorstellung bekam man teilweise den Eindruck, als wäre es ihm unangenehm, heute für so etwas wie einen Lausbubenstreich vor Gericht zu stehen. Laut Angaben seiner Verteidigung werde er im Laufe des Prozess aber nicht die Aussage verweigern, sondern sich zur Sache äußern.

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Die Staatsanwältin Frau Haderlein redete allen Angeklagten zu Prozessbeginn noch einmal ins Gewissen: „Allen Beteiligten ist anscheinend gar nicht bewusst, worum es hier geht," versuchte sie noch einmal die Schwere der Vorwürfe zu verdeutlichen.

Der historische Haupteingang zum Schweinfurter Landgericht. Hier muss sich heute erstmals ein Deutscher als Darknet-Waffenhändler vor Gericht verantworten. Bild: Imago.

Laut Anklageschrift kümmerte sich Christoph K. nicht nur um Versand und Verkauf seiner Ware, sondern auch um die Präparierung der Waffen. Er soll laut Staatsanwaltschaft Deko-Waffen—also Originalwaffen, die unbrauchbar gemacht wurden und daher frei erhältlich sind—legal erworben haben und wieder zu scharfen Waffen umgebaut haben.

Bei den verkauften Waffentypen habe es sich laut Anklage unter anderem um Maschinenpistolen vom Typ Skorpion der Firma AFG Security Corporation gehandelt. Im Einkaufspreis hätten diese rund 200 Euro gekostet—weitervertickt habe K. sie für 1.500 bis 2.000 Euro.

Welcher Art die Beweise sein werden, die die Staatsanwaltschaft gegen Christoph K. vorbringen wird, ist noch nicht abzusehen—laut Kommilitonen gibt es Hinweise, dass der Verhaftung eine längere Observation des Campus und auch eine Telefon- und Internetüberwachung vorausgegangen sein könnte. Eine rechtskräftige Verurteilung eines Darknet-Waffenhändlers wäre in jedem Falle ein großer Erfolg für die deutschen Behörden, für die es technisch nach wie vor eine große Herausforderung darstellt, die Identitäten der verschlüsselt kommunzierenden Händler in Erfahrung zu bringen.

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Aufgrund der sicheren Anonymisierung der Nutzer-Identität greifen vor allem auch Dissidenten, Aktivisten oder privatsphärenaffine User auf die Möglichkeit des Deepweb-Surfens zurück. Tatsächlich fallen laut Forschern nur rund drei Prozent des Tor-Traffics auf sogenannte Hidden Services (zu denen auch die Darknet-Schwarzmärkte zählen) ab.

Das sind die Idealisten, die das Tor-Netzwerk betreiben, um die Privatsphäre von Internet-Nutzern zu bewahren

Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, dann wird der Prozess auch zeigen, wie es dem 26-jährigen Studenten überhaupt gelingen konnte, von Unterfranken aus über das Darknet zu einem europaweit agierenden Waffenhändler aufzusteigen. Wie Christoph K. sich das technische und handwerkliche Vorwissen aneignete, ist bisher noch nicht bekannt. Auch wenn es das Darknet den Händlern im Vergleich zum klassischen Straßenhandel der organisierten Kriminalität ermöglicht, relativ autonom und selbstständlig zu agieren, so sind für ein entsprechendes Geschäft sowohl technische Fähigkeiten als auch Kontakte zu Händlern nötig.

Neben K. sitzen auf der Anklagebank am heutigen Donnerstag außerdem zwei mutmaßliche Komplizen. Der 56-jährige Franz E., der der Vater der Freundin von K. ist, wird beschuldigt, sich illegal Munition beschafft und sie an K. weiterverkauft zu haben. Der 25-jährige Andreas G. wiederum soll ein Munitions- und Waffendepot für K.s illegale Geschäfte unterhalten haben.

Der Mitangeklagte Andreas G. mit seinem Verteidiger.

Neben dem Zugriff am 29.01.2015 und der Durchsuchung des Campus—auf dem der Beschuldigte zeitweise gemäß Motherboard-Recherchen auch übernachtet hat—kam es im gesamten unterfränkischen Umland damals zu einer Großrazzia. Bei den parallel stattfindenden Maßnahmen in der Region wurden elf Wohnungen durchsucht, in denen zehn Pistolen und mehrere tausend Schuss Munition gefunden wurden. Insgesamt wurden damals fünf Personen festgenommen. Ob der Hauptbeschuldigte allein agierte oder weitere Komplizen hatte, soll nun ebenfalls im Laufe des Verfahrens geklärt werden.

Für den Prozess gegen Christoph K. sind bisher noch vier weitere Folgetermine angesetzt. Motherboard wird weiterhin von der Gerichtsverhandlung aus Schweinfurt berichten.