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Cyberstalker verschickt Epilepsie-GIF und bekommt Besuch vom FBI

Wenn wackelige Bilder zu Waffen werden: Ein epileptischer Journalist ging zu Boden, weil ihm ein anonymer Gegner eine GIF-Datei auf Twitter sendete – mit der klaren Absicht, ihn zu verletzen. Nun gab es eine Festnahme.
Diese optische Illusion ist kein GIF und auch für Epileptiker harmlos. Bild: Shutterstock.

Kurt Eichenwald hat in seinen zwei Jahrzehnten bei der New York Times den Pulitzerpreis für investigativen Journalismus abgeräumt, einige Kämpfe ausgefochten (auch mit Trump-Unterstützern) und sich so über die Jahre seinen Respekt verdient (nicht zwangsläufig bei Trump-Unterstützern). Doch er hat eine Achillessehne, die ihm und seinem Körper zum Verhängnis werden kann. Er leidet unter Epilepsie.

Diese Krankheit nutzte ein Twitter-User mit dem Alias @jew_goldstein im vergangenen Dezember auf heimtückische Weise aus. Er schickte Eichenwald ein GIF und eine eindeutige Nachricht über Twitter: „Du verdienst einen Anfall für deine Posts", schrieb er zu dem Bewegtbild. Als Eichenwald das GIF abspielte, ging er sofort zu Boden.

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Denn für Epileptiker, die empfindlich auf Licht reagieren, können selbst animierte GIFs wie eine Waffe wirken – das flackernde, stroboskopartige Licht kann bei einem Teil der Patienten  schwere Anfälle auslösen, bei denen sich der Körper des Betroffenen verkrampft – und so war es auch bei Eichelmann.

„Hier ist seine Frau, Sie haben einen Anfall ausgelöst. Ich habe Ihre Daten und habe die Polizei über die Attacke informiert", twitterte seine Frau Theresa kurz darauf. Sie war zum Zeitpunkt der Attacke zu Stelle, um zu verhindern, dass ihr Mann sich durch seine Spastiken selbst verletzte. Eichenwald hat sich seitdem wieder erholt, blieb aber für mehrere Tage arbeitsunfähig und hatte Schwierigkeiten beim Sprechen.

Besonders skrupellosen Twitter-Usern war diese Geschichte aber gerade Anlass genug, um ihre Angriffe zu wiederholen. Über 40 Menschen, schreibt Eichenwald, hätten ihm in den Tagen danach noch weitere flackernde Bilder geschickt – schließlich wussten sie nun indirekt über den Tweet seiner Frau, dass die Angriffsmethode tatsächlich funktioniert.

Doch Eichelmanns Stalker sollte nicht mehr lange aus seiner Anonymität agieren können. Drei Monate nach dem Angriff wurde der 29-jährige John R. nun in Salisbury im US-Bundesstaat Maryland festgenommen. Gegen die restlichen 40 Nachahmer ermittelt das FBI.

Ob der Verdächtige die Anschuldigungen bestreitet, ist nicht bekannt – möglicherweise sind die Ermittler aber auch gar nicht auf ein Geständnis angewiesen, weil ihn sein digitales Leben verrät. Auf R.'s iCloud-Account, so schreiben die Ermittler in einer Pressemitteilung, liegt ein Screenshot der Website epilepsy.com mit den häufigsten Triggergründen, die bei Patienten Anfälle auslösen.

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Noch eindeutiger sind die Twitter-Direktnachrichten an andere Nutzer, die FBI-Ermittler aus Dallas bei der Durchsuchung seines Kontos fand. Darin scheint R. mit seiner Tat zu prahlen. „Hab' damit [mit dem GIF, d.Red.] Eichenwald zusgepammt, mal sehen, ob er stirbt", lautet eine von mehreren Mitteilungen.

Eichenwald erlebte diese Art von Angriff nicht das erste Mal. Erst im vergangenen Oktober entging der Journalist nur knapp einem Anfall, als ihm ein Trump-Unterstützer mit dem Nutzernamen „Mike's Deplorable As Fuck" ein ähnliches Strobo-GIF geschickt hatte. Eichenwald reagierte laut „Telegraph" besonnen und ließ gerade noch rechtzeitig sein flackerndes iPad fallen.

Eichenwalds aktueller Arbeitgeber, die Zeitschrift Vanity Fair, und der amtierende US-Präsident können generell nicht ganz so gut miteinander. Nachdem das Magazin im vergangenen Jahr das protzige Trump Towers-Restaurant „Trump Grill(e)" in einem Verriss als „möglicherweise schlechtestes Restaurant Amerikas" bezeichnet hatte, tweetete Trump umgehend zurück, dass die Vanity Fair ja wohl sowas von vorbei sei, tot, ganz schlechte Zahlen, alles nur talentfreie Leute.

Medialer Kleinkrieg hin oder her: R. muss sich nun wegen Cyberstalkings mit Tötungs- oder Verletzungsabsicht vor Gericht verantworten. Die Begründung von Eichenwalds Anwalt für die umfänglichen Anschuldigungen: Ein solches GIF in der Inbox sei für lichtempfindliche Menschen vergleichbar mit einer Bombe im Briefkasten „oder Anthrax in einem Briefumschlag", erklärt der Rechtsanwalt Dr. Lieberman in der New York Times.

Aus der Opferrolle hat sich Eichenwald schnell wieder befreit – und die Geschichte wohl zu einem persönlichen Rechercheprojekt gemacht. Das offizielle Gesuch an Twitter, die Identität des Mannes hinter dem Alias preiszugeben, zog Eichenwald schon im Januar wieder zurück. Er hatte sie schon selbst herausbekommen.