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Was zum Teufel sind "echte" Indie-Games?

Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Es ist echt scheißegal. Hokokum, Invisible Parties, Counter Spy,Gods Will Be Watching und Hatoful Boyfriend sind alle verdammt schräg.

Was genau ist eigentlich "Indie"? In Kreisen der Film- und Musik-Haarspalter streitet man sich schon seit Jahrzehnten darüber, was denn die echten, unverfälschten Independent-Meisterstücke sind und was die geldgierigen Poser oder seelenlosen Nachahmungen. Bei Videospielen ist die Frage spätestens dann zum groß diskutierten Thema geworden, als der internationale Multi-Millionen-Dollar-Konzern Electronic Arts vor einiger Zeit ein EA Indie Bundle auf Steam angeboten hat.

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"Indie" ist ein Statement geworden, ein Geschäftsmodell und natürlich eine Ästhetik—alles auf einmal. Wie können nun Spiele, die in Inhalt, Budget, Distribution und jeder anderen erdenklichen Hinsicht so komplett unterschiedlich sind, alle als Indie-Game gelten? Wir haben nach langem Recherchieren und sorgfältigen wissenschaftlichen Untersuchungen jetzt endlich die definitive, unbestreitbare Antwort auf diese Frage gefunden, und sie lautet: Es ist echt scheißegal.

Natürlich kann man hin und her argumentieren: Pusht jetzt ein Milliardenkonzern wie Sony oder Microsoft einen kleinen 3rd-Party-Download-Titel in unsere Newsfeeds oder arbeitet ein Mini-Team am nächsten Super Meat Boy und erkämpft sich verdient jeden Schritt Richtung Erfolg in den Olymp der großen, integren Entwickler. Es kommt letztlich doch nur darauf an, ob ein Videospiel—wie zum Beispiel Minecraft in seinen schwedischen 2009er Untergrund-Kinderschuhen—es sich traut, nicht den etablierten, sicheren Weg zu gehen, sondern etwas ganz Neues zu bieten, den einen genialen Götterfunken, das Ei des Kolumbus, den heiligen Gral eben. Das kann schon durch eine neue Perspektive gegeben sein, wie der Raumverdreher FEZ so schön ilustriert, oder ein besonderes, Schwierigkeitsgrade in ungeahnte Höhen katapultierendes Gameplay wie bei DayZ.

Statt sich aber pedantisch über Definitionen zu streiten, wollen wir lieber genau die große Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Videospiel-Landschaft feiern, und zwar als gäbe es weder Morgen noch Übermorgen. Die folgenden Games sind frisch gepflückt aus den denkbar verschiedensten Ecken des Indie-Gemüsegartens und bedienen so ziemlich die gesamte Bandbreite sowohl an Themen als auch potenzieller „Indie-Realness". Von einem stylishen Stealth-Game für Sony-Konsolen über ein Gratis-Text-Adventure bis zur metaphysischen Navigation durch ein Netz aus Parallelwelten.

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Hatoful Boyfriend

Aber reden wir erst einmal über das WTF-Level, den ein Spiel so unvergleichlich über andere erheben kann. Hatoful Boyfriend. Der eigenartige Titel ist ein Wortspiel auf die Autorin des Spiels, die Manga-Künstlerin Moa Hato, und entspringt dem Genre japanischer Visual Novels beziehungsweise Dating Simulations. Man spielt eine Schülerin im Teenager-Alter, die es kaum erwarten kann, ihre süßen Klassenkollegen romantisch zu erobern. Es gibt hier allerdings eine kleinen Twist: Man ist der einzige Mensch in dieser Schule und alle anderen sind Vögel. Ja, Vögel, wie in: Tauben, Spatzen, Sittiche.

Ein Spieldurchgang dauert gerade einmal eine halbe Stunde, aber die Entscheidungen, die man trifft, können einen auf diverse unterschiedliche Story-Pfade führen. Das Ganze ist unapologetisch bizarr und nimmt sich nicht allzu ernst, wer allerdings die clevere Subversion müder Anime-Klischees und fragwürdiger Fetische erwartet, wird enttäuscht werden. Hatoful Boyfriend ist wirklich nicht mehr und nicht weniger als eine Dating Sim mit Vögeln … ihr wisst schon wie ich es meine.

CounterSpy

Bei diesem Spiel könnten nun Leute anfangen zu motzen und den Level an „Indie" zu hinterfragen, aber wenn man nicht fähig ist in dieses kleine, stylische „Jump'N'Silently Kill" hinein zu kippen, hat man einfach kein Herz. Die Optik und der mattschwarze Agentenprotagonist sind sexy, aalglatt und im Sixties-Röhrenfernseher-Stil, was alles auch das simpel aufgebaute und dabei ziemlich herausfordernde Gameplay wiederspiegelt.

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Eine westliche, imperialistische Supermacht rüstet gegen ein kommunistische auf, wobei keine Namen genannt werden und der Doppelagent den allgemeinen Defcon-Level beider Länder unten halten muss, da sonst die Atomraketen fliegen könnten. Der „Independent Thought" des Spiels ist hier: Weniger ist mehr.

Keine aufwendigen HD-Cutscenes, keine bunt blitzenden Superkräfte oder verrückten Gravity-Guns, nur vier Waffenslots, ein Jump- und ein Deckungs-Knopf. Trotzdem kann man einige schöne Kills fabrizieren und wird seinen Spaß an den immer wieder neu generierten Levels haben. Dass die Sicht, wenn man sich in den Militäreinrichtungen versteckt oder lauert, plötzlich auf 3D umspringt ist gewöhnungsbedürftig, aber schusstechnisch höchst praktisch und eben genau der Perspektivenwechsel, den wir manchmal brauchen.

Gods Will Be Watching

„Überlebt mein Kumpel noch eine Runde Zähneziehen, weil er könnte sonst verbluten und ich muss die restlichen 3 Tage Folter alleine durchhalten. Wenn ich Glück habe, halte ich mit den Painkillern und sparsam eingesetzten Geständnisfragmenten bis zum Ende durch." Das sind so die fieberhaften Gedanken, die einem bei Gods Will Be Watching Runden basierend durch den Kopf huschen.

Ich liebe fatalistischen Sci-Fi in Pixelgrafik mit anarchistischen Ansätzen zu Terrorismus, Roboterhumor und dem Leben nach dem Tod. Man möchte meinen, Douglas Adams sei auferstanden und hätte seine unmoralische, dunkle Seite kompensiert und God Will Be Watching geschrieben um fanatischen Gaming-Perfektionisten das Leben schwer zu machen. Unbarmherzige Zufallsgeneratoren und eine vielschichtige Komplexität machen die wenigen Instanzen dieses Spiels zum Massengrab. Meine Voraussage: Du wirst dieses Spiel nicht schaffen.

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Invisible Parties

Wenn ein Spiel mir meine Rolle mit den folgenden Worten erklärt, dann hat es bereits gewonnen: „You are a Warrior, a Textual Critic and a Troublemaker." Alle diese Talente gilt es in Invisible Partieseinem kurzen, aber sehr spannenden Text-Adventure—auch gezielt einzusetzen. Genau genommen spielt man ein undefiniertes übernatürliches Wesen, einen Wanderer zwischen Welten, der sich zwischen Realitätsebenen und Paralleluniversen hin- und her bewegt wie unsereins vom Wohnzimmer ins Bad.

In einem Moment befindet man sich auf einer spießigen Cocktail-Party, im nächsten auf einer Game Jam und im übernächsten auf einer Orgie. Die metaphysische Geographie zu entwirren, zu verstehen wie die eingangs erwähnten Fähigkeiten dabei ins Spiel kommen und generell herauszufinden was zum Teufel überhaupt los ist, darin besteht die Herausforderung in Invisible Parties. Viel Glück!

Hohokum

Die Anmerkung, dass dieses Spiel nur für Kiffer sei, scheint eine sich selbsterfüllende Prophezeiung geworden zu sein, da Hohokum einem keine andere Chance lässt, als sich mit Bier und Pfeifchen auf zielloses Gleiten durch Farbengewitterwelten einzustellen—die wie Missing Scenes von Yellow Submarine erscheinen. Menschen, die Logik, sinngemäße Reaktionen und lineare Erzählstrukturen wertschätzen, werden mit diesen Reisen vom schlängelnden „Long Mover" nicht viel anfangen können.

Du bist eine psychoaktive Version von Snakes—ihr wisst schon, das Spiel, das auf euren Nokia-Handys war—und surfst mit Drall durch Augenblumen sowie cute Dörfer, deren formlose Bewohner Wichte mit Sonnenschirme sind und auf dir reiten wollen. Soft House blubbert im Hintergrund und du bist auf der Suche nach deinen Wurmfreunden um mit ihnen wieder total trippy Kaleidoskop-Formationen zu fliegen. Die Entwickler versprechen nach genug Spielzeit soll das Ganze sogar noch unkonventioneller werden. Vielleicht so etwas wie „Now I have a machine gun, Ho-Hohokum"?

Andreas keeps it real auf Twitter: @schirmsprung
Josef bleibt unverfälscht auf Twitter: @theZeffo