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AfD

Der Richter, der Björn Höcke vom Nazivorwurf freigesprochen hat, ist womöglich ein Neonazi

Der Mann soll an einer Art Adolf-Hitler-Gedächtnistour teilgenommen haben.
Björn Höcke schaut auf einen Richterhammer
Collage bestehend aus: Höcke: imago | Samy Minkoff || Hammer: imago | McPhoto

Wenn du beim Namen Adolf Hitler Schmetterlinge im Bauch bekommst, dann könnte dich das für eine NPD-Mitgliedschaft oder Ordnerjobs bei Neonazi-Kampfsportevents qualifizieren. Es qualifiziert dich aber eigentlich nicht für einen Richterposten, und erst recht nicht für einen, der darüber entscheiden soll, ob Mitglieder einer Partei wegen Rechtsextremismus-Vorwürfen ausgeschlossen werden. Eigentlich. Aber so ähnlich ist das in Thüringen passiert.

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Laut der Thüringer Allgemeinen Zeitung soll ein Mitglied des dreiköpfigen Schiedsgerichts, das über den Parteiausschuss von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke entscheiden sollte, im Oktober 2015 an einer Art Adolf-Hitler-Gedächtnistour teilgenommen haben. So soll der Mann vor dem Geburtshaus Hitlers im österreichischen Braunau eine Kerze angezündet haben. Am Obersee bei Berchtesgaden – einem Bergsee, an dem sich auch Hitler gerne in der Sonne räkelte – soll der Mann sogar mit einem Führer-Foto posiert haben. Zudem soll es ein Bild von der Tour geben, auf dem der Mann an einem Tisch zu sehen ist, auf dem eine Decke liegt, die mit Hakenkreuzen und SS-Zeichen verziert wurde.


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Der AfD sind die Vorwürfe laut Thüringer Allgemeinen seit September bekannt. Der AfD-Bundesgeschäftsführer Hans-Holger Malcomeß sagte, dass der Parteivorstand den thüringischen Landesverband aufgefordert hatte, den "Vorgang unverzüglich aufzuklären". Steffi Brönner, die Thüringer Vorsitzende der AfD-Gruppierung Alternative Mitte, forderte nun eine Wiederaufnahme von Höckes Ausschlussverfahren. Der Schiedsspruch sei ungültig, da einer der Richter selbst einschlägig belastet sei, sagte Brönner.

Björn Höckes Lager hingegen scheint die Vorwürfen gegen den Schiedsrichter nicht ganz so ernst zu nehmen. Laut Höckes stellvertretendem Landesvorsitzenden, Steffen Möller, hat es sich bei der Aktion vor drei Jahren um einen "schlechten Spaß" und eine "dumme Idee" gehandelt. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Höcke sei ihm zufolge "blödsinnig".

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Im Frühjahr entschied ein dreiköpfiges Schiedsgericht innerparteilich, ob der thüringische Landeschef Björn Höcke aus der Partei ausgeschlossen werden sollte. Höcke wurde damals vorgeworfen, "eine extremistische, mit Bezügen zum Nationalsozialismus versehene Grundhaltung" zu haben, die der AfD "diametral widerspricht". Das Schiedsgericht entschied sich dafür, das Verfahren einzustellen, weil man zu dem Schluss gekommen war, dass Höcke keine Nähe zur NS-Ideologie aufweise.

Wie positioniert sich die Partei?

Sollte sein Ausschlussverfahren wieder aufgenommen werden, wäre Björn Höcke nicht der einzige AfDler, dem ein Parteiausschluss droht. Zwei Mitgliedern aus Sachsen-Anhalt wird vorgeworfen, sich rechtsradikal geäußert zu haben. Gegen die AfD-Abgeordnete Jessica Bießmann wird ein Ausschlussverfahren geprüft, weil die 37-Jährige auf Myspace-Fotos vor Weinflaschen mit Hitler-Etikett posiert hatte. Der AfD-Politiker Wolfgang Gedeon aus Baden-Württemberg könnte die Partei unfreiwillig verlassen, weil er sich antisemitisch geäußert und den Holocaust geleugnet hatte.

Zudem wird aktuell ein Parteiausschluss gegen drei Mitglieder aus Niedersachsen geprüft. Sie sollen sich am 20. April (Hitlers Geburtstag) am Neonazi-Festival "Schild und Schwert" beteiligt haben. Dem Vorsitzenden der Jungen Alternative in Niedersachsen, Lars Steinke, droht hingegen der Rausschmiss, weil er im August 2018 den Hitler-Attentäter Stauffenberg als "Verräter" bezeichnet hatte.

Wie die Partei sich gegen solche Auswüchse von Extremismus positioniert, ist unklar. Die aktuellen Bundessprecher Alexander Gauland und Jörg Meuthen stimmten gegen einen Ausschluss von Höcke. Dieser sei "ein Teil der Seele der AfD" und werde von 20 bis 30 Prozent der Mitglieder der Partei heiß geliebt, sagte Gauland im August 2017. Und weiter: Wenn Höcke dafür plädiere, in Adolf Hitler nicht nur das Negative zu sehen, sei er dadurch kein Nationalsozialist. Die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, oder der Berliner AfD-Politiker Georg Pazderski unterstützten das Ausschlussverfahren.

Das Problem scheint strukturell. Bei der großen Menge an möglichen Ausschlüssen kommt man nicht drumherum festzustellen: Björn Höcke ist in der AfD kein #einzelfall.

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