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Aubrey de Grey sucht nach dem ultimativen Heilmittel gegen das Altern

Aubrey de Grey hält das Altern für eine Krankheit, die er mit seiner Verjüngungsforschung besiegen will.
Bild: Alessandra Antolini

Aubrey de Grey mag es nicht als „Transhumanist" bezeichnet zu werden. Auch die Bezeichnung als „Immortalist" in Bill Andrews Dokumentation The Immortalists gefällt ihm nicht. Und bei dem Wort Unsterblichkeit rollt de Grey nur genervt die Augen.

Der britische Gerontologe möchte eigentlich einfach nur als medizinischer Forscher gesehen werden. In seine wissenschaftlichen Arbeit jedoch versucht er Zellen dazu zu bewegen nicht mehr zu altern und damit potentiell das Sterben zu verhindern. Aber seine Vision kommt Unsterblichkeit dann doch recht nah.

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Aubrey hält es für eine fehlgeleitete Strategie, wenn wir lediglich einzelne Krankheiten alter Menschen bekämpfen. Wir müsse auf Zell-Niveau so agieren, dass das Altern selbst gestoppt wird. Und mit seiner SENS Stiftung, einem Labor im Silicon-Valley-Stil, hat er sich diesem Ziel voll und ganz verschrieben.

De Greys Ansichten wurde schon häufig mit Skepsis oder Ablehnung begegnet. Er wurde sogar ausgelacht. Aber der Begriff des Alterns als Krankheit, die behandelt werden muss, erlangt zunehmend Zustimmung. Erst vor wenigen Wochen gab die Entdeckung eines genetischen Jungbrunnens der medizinischen Erforschung der Unsterblichkeit neuen Auftrieb.

Aubrey de Grey, wie ich ihn in Cambridge traf. Bild: Alessandra Antolini

Um de Grey zu fragen, was es neues von der Anti-Alterungs-Front gibt, traf ich ihn am vergangenen Wochenende auf ein Pint in einem Pub in Cambridge. Durch seinen Druidenbart hindurch weihte mich de Grey in seine Wissenschaft und Doktrin ein: wenn wir tatsächlich Altern und Tod ausrotten könnten, warum sollten wir es dann nicht auch tun?

MOTHERBOARD: Vor einigen Wochen haben Harvard-Forscher den Blutkreislauf einer alten Maus mit dem eines jungen Artgenossen gekoppelt. Das Ergebnis war, dass einige Gewebe der alten Maus sich verjüngten. Was bedeutet das für die Jungbrunnenforschung?

Aubrey de Grey: Das ist eine sehr bedeutend Erkenntnis. Die Idee Tiere unterschiedlichen Alters physiologisch zu verbinden—heterochronische Parabiose genannt—um das Altern zu studieren gab es schon eine Weile. Am SENS arbeiten wir eng mit den Harvard-Leuten zusammen. Nicht das wir dasselbe an Menschen ausprobieren wollten!

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Dass jedoch ein bestimmtes Protein im Blut junger Tiere, das GDF11, daran beteiligt ist die Zellteiling in verschiedenen Geweben zu reaktivieren, ist eine nützliche Entdeckung. Es ist zwar nur ein kleines Puzzleteil, doch ich erwarte, dass wir in den nächsten 5 Jahren mehrere solcher Verjüngungsfaktoren entdecken werden.

Alterserkrankungen sind eigentlich keine Krankheiten, sondern Nebeneffekte des Lebens.

Ist diese Maus-Geschichte also der erste Schritt auf dem Weg zur Unsterblichkeit?

Das würde ich so nicht sagen. Wir wissen lediglich, dass GDF11 gewisse Zelltypen anregen kann sich in hohem Alter zu teilen, was sie sonst nicht täten. Aber Zellteilung ist nur ein Teil der Geschichte des Alterns. Tatsächlich kann es manchmal ziemlich übel sein wenn Zellen sich teilen, zum Beispiel bei Krebs. Trotzdem ist dies ein neues und sehr wichtiges Werkzeug.

Glauben sie, dass die Leute vielleicht beginnen das Altern als den wahren Feind zu betrachten?

Ich denke ja. Die Leute verstehen langsam, dass Alterserkrankungen eigentlich keine Erkrankungen sind, sondern Nebeneffekte des Lebens. Wenn du sie behandeln willst müsstest du das Lebendigsein selbst behandeln—was nicht geht. Also sollten wir eine Strategie präventiver Instandhaltung verfolgen. Dazu gehört es die verschiedenen Arten molekularer und zellulärer Schäden zu identifizieren, die der Körper seines eigenen Metabolimus anhäuft. Darüber wissen wir bereits einiges. Jetzt arbeiten wir daran diese Schäden zu verhindern oder rückgängig zu machen.

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Ist ihr Ziel Langlebigkeit oder Unsterblichkeit?

Ich arbeite nicht an Langlebigkeit sondern an Gesundheit. Es ist zufällig eben so, dass historisch gesehen in erster Linie schlechte Gesundheit für den Tod von Menschen verantwortlich ist. Gesunde Menschen Leben einfach länger. Wieviel länger hängt davon ab, wie lange wir die Leute bei guter Gesundheit halten können.

Bitte sagt nicht Unsterblichkeit, um meine Arbeit zu beschreiben. Der Begriff ist schon besetzt—als religiöses Wort.

Präventative Instandhaltung funktioniert gut bei Autos: manche sind heute 100 Jahre alt und fahren wie damals. Der menschliche Körper ist eine Maschine und prinzipiell sind der Instandhaltung also keine Grenzen gesetzt.

Und… das ist Unsterblichkeit, richtig?

Bitte sag nicht Unsterblichkeit zur Beschreibung meiner Arbeit. Der Begriff ist schon besetzt; als religiöses Wort. Unsterblichkeit bedeutet: Null Risiko zu sterben. Aber ich arbeite nicht daran zu verhindern, dass Leute vom LKW überfahren werden. Ich arbeite daran, dass die Menschen gesund gehalten werden.

Was wären die politischen und sozialen Folgen wenn wir den Tod unendlich hinauszögern könnten?

Die meisten Menschen machen den gedanklichen Fehler, dass sie von einem Szenario ausgehen, in dem alles so ist wie heute, ausser dass wir viel länger Leben. Das ist natürlich Unsinn. Wer länger gesund ist kann zum Beispiel auch länger auf die Rente warten. Wir werden die lange Gesundheit also unter ganz anderen gesellschaftlichen Umständen erleben.

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Haben sie denn keine Angst, dass es sehr langweilig sein könnte für 100 000 Jahre zu leben?

Von all den lächerlichen Fragen, die ich im Zusammenhang mit dem Kampf gegen das Altern höre, ist ihre wirklich die traurigste. Jeder der sich diese Frage stellt muss ein fürchterliches Leben haben.Ich habe eine lange Liste von Sachen, die ich tun würde wenn ich 1000 Jahre leben könnte: denken sie nur an all die Filme, die sie nie gesehen haben, all die Bücher die sie nicht gelesen haben. Und wenn sie mit denen durch sind haben sie mindestens weitere 1000 Jahre Rückstau aufgebaut.

Bezeichnen sie sich als Transhumanist? 

Ich mag den Begriff „Transhumanist" nicht besonders, er klingt als würde ich etwas total merkwürdiges tun. Ich tue aber nichts, was nicht alle medizinischen Forscher tun.

Experimentieren sie eigentlich selber mit lebensverlängernden Mitteln oder Praktiken?

Selbstverständlich: Ich gebe dieses Interview. Aber ich folge keiner bestimmten Diät oder Praxis, denn was wir heute dafür haben ist ziemlich nutzlos.

Wie liegen die Chance, dass wir beide für 1000 Jahre leben werden?

Ich weiss es nicht, aber ich arbeite daran. Es wird passieren, es ist nur die Frage wann. Meine Arbeit besteht lediglich darin das Unvermeidliche zu beschleunigen. Aber das ist mir sehr wichtig, denn in dem ich versuche den Sieg gegen das Altern voranzutreiben, rette ich 100.000 Leben—so viele Menschen sterben täglich auf unserem Planeten. Das sind 30 World Trade Center. Das stimmt mich glücklich.