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Schweinfurter Student wird als Darknet-Waffenhändler angeklagt

Dem 25-Jährigen drohen bis zu zehn Jahre Haft wegen schweren Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Es ist der erste in Deutschland verhandelte Fall dieser Art.
Wie die Waffen aussahen, die der 25-Jährige laut den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft gehandelt haben soll, ist nicht bekannt. Symbolbild: Shutterstock

„Keine Fotos, keine Videos" sollen die SEK-Kräfte gerufen haben, als sie den Campus der Schweinfurter Fachhochschule stürmten. Für den 25-jährigen Stefan*, der sich gerade auf die anstehenden Klausuren vorbereitete, kam die Razzia im vergangenen Januar vollkommen überraschend. Die Ermittler jedoch hatten den Studenten schon länger beobachtet und als Online-Waffenhändler im Verdacht. Sein Laptop wurde konfisziert, und Stefan musste ins Untersuchungsgefängnis, wo er die Klausuren unter Aufsicht schreiben durfte.

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Fast ein Jahr nach der spektakulären Festnahme auf dem Campus der Schweinfurter Fachhochschule beginnt nun der Prozess gegen den Studenten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Maschinenpistolen und sonstige Pistolen „über das sogenannte Darknet an Abnehmer in Deutschland sowie im europäischen Ausland veräußert zu haben", wie Gerichtssprecher Thomas Fenner Motherboard gegenüber erklärte.

Damit bestätigt die Anklage, was Motherboard bereits im vergangenen Februar nach einer Recherche auf dem Campus der Fachhochschule berichtete: Der Waffenhandel, den die Ermittler Stefan vorwerfen, soll sich tatsächlich über das Deepweb abgespielt haben. Wenn sich die Vorwürfe tatsächlich bewahrheiten, wäre das ein großer Erfolg sowohl für die Schweinfurter Staatsanwaltschaft als auch die Ermittler des bayrischen LKA. Der Prozess in Unterfranken markiert überhaupt die erste Anklage gegen einen mutmaßlichen Darknet-Waffenhändler in Deutschland.

Der Prozess wird im Schweinfurter Landgericht verhandelt werden. Bild: Dr. Volkmar Rudolf/Tilmann 2007; Wikimedia. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Dem Hauptangeklagten droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren wegen Vergehen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Laut Staatsanwaltschaft soll der 25-Jährige Student legale Deko-Waffen gekauft und diese ohne entsprechende Erlaubnis zu scharfen, funktionsfähigen Waffen umgebaut haben. Über einen Zeitraum von zwei Jahren soll er seine Ware dann an Abnehmer in ganz Europa verkauft haben. Die Staatsanwaltschaft spricht angesichts des illegalen Handels von einer besonderen Schwere der Schuld.

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Lest hier die gesamte Vorgeschichte: Bis das SEK kommt: Die erste Festnahme eines deutschen Darknet-Waffenhändlers?

Zum Darknet-Angebot des Angeklagten soll auch Munition gehört haben, die er laut Staatsanwaltschaft von einem weiteren Angeklagten bezogen habe, der sich nun ebenfalls in Schweinfurt vor Gericht verantworten muss. Wegen mutmaßlichen Verstößen gegen das Waffengesetz findet sich außerdem eine dritte Person, die Waffen und Munition illegal gelagert haben soll, auf der Schweinfurter Anklagebank wieder. Alle Anklagen wurden vom Schweinfurter Landgericht zugelassen.

Die Festnahme im Januar 2015 machte nicht nur wegen des aufsehenerregenden Zugriffs mitten zwischen lernenden Kommilitonen auf dem Campusgelände bundesweit Schlagzeilen. Es kommt zwar auch in Deutschland immer mal wieder zu Festnahmen von Händlern, die Darknet-Märkte nutzen, allerdings fällt die Anzahl der ermittelten Fälle im Vergleich zur Masse der Angebote auf den Schwarzmärkten eher gering aus.

Eine Übersichtskarte über (nahezu) alle bisher bekannten deutschen Darknet-Festnahmen

Die Anonymisierungsdienste des Tor-Netzwerkes, die laut Forschern nur zu rund 3 Prozent für den Zugriff auf sogenannte Hidden Services (zu denen auch die Darknet-Schwarzmärkte zählen) genutzt werden, gelten technisch nach wie vor als äußerst effektiv zur Verschleierung der Nutzeridentität. Deshalb greifen vor allem auch Dissidenten, Aktivisten oder Privatsphäre-affine Nutzer auf die Möglichkeit des anonymisierten Surfens zurück, die sie vor staatlichen Überwachungsmaßnahmen schützen soll.

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Abgesehen von wenigen spektakulären Fällen wie z.B. der FBI-Kampagne, bei der ein Darknet Hidden Service übernommen wurde und dank Hacking-Tools hunderte Pädophile rückverfolgt wurden, können weder internationale noch deutsche Behörden die Anonymisierungstechnologie im großen Stil knacken. Auch im Fall des Silk Road Betreibers Ross Ulbricht hatten vor allem individuelle Anfängerfehler zur Enttarnung und Verurteilung geführt.

Wie genau die Ermittler dem 25-jährigen Hauptangeklagten im Schweinfurter Fall auf die Spur kamen, ist bisher nicht abschließend geklärt. Klar ist jedoch, dass zumindest einige Studierende auf dem Campus von Stefans Affinität zum Darknet-Surfen wussten, wie die Motherboard-Recherchen im vergangenen Februar zeigten.

Hinweise deuten außerdem daraufhin, dass es eine polizeiliche Kommunikationsüberwachung von Telefon- und oder Datenverbindungen zumindest einiger Verdächtiger gegeben haben muss. Einige Studenten spekulieren auch, dass das Campus-Gelände, auf dem der 25-Jährige zwischenzeitlich schon mal übernachtet habe, im Rahmen klassischer Polizeiarbeit zumindest für einige Wochen beschattet wurde.

Die Hauptverhandlung könnte nun sowohl weiteren Aufschluss über das Ausmaß der mutmaßlichen Geschäfte des 25-jährigen als auch über die Umstände seiner Festnahme liefern. Der erste Verhandlungstermin ist für den 21. Januar angesetzt.

*Name geändert.