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Warum hat die Evolution die Gene für psychische Krankheiten nicht eliminiert?

Schlechte Nachrichten: Schuld an Schizophrenie sind genau die Gene, die uns zu Menschen machen.

Das Warum und Wozu einer beliebigen Krankheit ist schon schwierig genug zu verstehen. Man denke nur an Leiden bei dem ein Immunsystem, seinen Wirt in Stücke reißt oder  einen Körper, der Schnellfeuerattacken in Form von Krebsgewebe absondert? Doch psychische Krankheiten sind nochmal ein ganz anderes Kaliber. Es lässt sich zwar möglicherweise sagen, dass Krebs der Preis der biologischen Komplexität ist und übertragbare Krankheiten bestimmten Mikroorganismen geschuldet sind, die versuchen, zu überleben—aber Depressionen, bipolare Störungen oder Schizophrenie kapieren lassen sich auf dieser Ebene nun mal nicht erklären.

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Spitzen wir die Frage nach dem Sinn und Zweck von Geisteskrankheiten noch weiter zu: Wenn Krebs der Preis der menschen Anpassungsfähigkeit (in Form der genetischen Mutation) ist, sind dann Geisteskrankheiten der Preis des Intellekts? Wir mögen dank neurologischer Komplexität fantastische, kognitive Fähigkeiten haben, aber genau diese Komplexität fördert das unregelmäßige Auftreten lähmender Krankheiten. Nichts ist umsonst.

Aber so einfach ist es nicht. Diese Frage beinhaltet noch einen anderen Aspekt, ganz besonders, was die Schizophrenie anbelangt. Diese Krankheit hat den Menschheit von Anfang an in seiner Entwicklung begleitet und es gibt in keiner anderen komplexen Spezies ein vergleichbares Pendant dazu. Warum hat etwas so benachteiligendes für das Überleben (die Betroffenen haben eine Arbeitslosenrate von fast 50 Prozent und fast 40 Prozent versuchen, sich umzubringen) in unserer DNA weiter Bestand?

In einem neuen Paper, das bei Molecular Biology and Evolution veröffentlicht wurde, versucht sich der Forscher Joel Dudley an einer Erklärung: Schizophrenie sei weniger der Preis der menschlichen Evolution, sondern ist direkt mit genau den Genen verbunden, die uns überhaupt zu Menschen machen.

Die Gene, die menschliche Intelligenz zulassen, sind eng mit denen verknüpft, die Schizophrenie implizieren.

„Die Krankheitshäufigkeit und die hohe Vererblichkeit von Schizophrenie, zusammen mit der Tatsache, dass schizophrene Züge nicht in anderen Spezies beobachtet wurden, geben Anlass zu der Hypothese, dass der Ursprung dieser Krankheit mit menschenspezifischen evolutionären Vorgängen wie der Entwicklung von Sprache oder dem hohen Energieverbrauch des menschlichen Gehirns in Verbindung steht", schreiben Dudley und seine Gruppe.

Dudley und sein Team stellten sich die Aufgabe, die einzige bislang bekannte genomische Wurzel der Schizophrenie mit dem zu korrelieren, was wir als human accelerated regions (HARs) kennen. HARs sind Regionen in der menschlichen DNA, die über die Gesamtheit der Säugetier-Evolution erhalten geblieben sind. Wir haben welche, Hunde auch, Affen ebenfalls. Allerdings gibt es bei den Menschen einen Unterschied: Bei uns sind diese 49 Gene plötzlich mutiert und somit aktiv geworden. HARs sind das, was Menschen zu Menschen macht. Eine Entdeckung, die nicht mal ein Jahrzehnt alt ist.

Wir stehen also vor einem Paradoxon: Die Gene, die die unsere Intelligenz ermöglichen, und damit auch das menschliche Überleben und seine Fortpflanzungserfolge, sind eng mit denen verknüpft, die Schizophrenie implizieren. Also entscheidet sich die natürliche Selektion eher für als gegen sie. Von einer evolutionären Perspektive aus gesehen sind HARs mit Schizophrenie eben besser als überhaupt keine HARs, und da haben wir den Salat.

Diese Erkenntnis löst zwar nicht das vollständige Rätsel der Schizophrenie, aber sie weist uns einen Weg zu einem besseren Verständnis der Krankheit und neuen Behandlungsmethoden. Momentan lässt sich das Leiden lediglich erträglicher machen, jedoch nicht heilen.

Dudley und sein Team ziehen das Fazit, „es wäre interessant und wertvoll, die Rolle von HARs in anderen psychischen Krankheiten wie bipolaren Störungen und Autismus zu untersuchen." Allerdings befinden sich diese Forschungen noch am Anfang.