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Prominente Studien zu Risiken von Gentechnik-Soja gefälscht

Eine Pharmakologin hat grobe Mängel in mehreren wichtigen Studien aufgedeckt, die vor den gesundheitlichen Folgen von genveränderten Lebensmitteln warnen.
Bild: imago

Gentechnik konkurriert in Sachen Popularität mit Feel-Good-Themen wie Atomenergie oder Umweltverschmutzung. Da überrascht es wenig, dass auf gefühlt jedem Supermarkt-Produkt der Hinweis „Gentechnikfrei" prangt und zumindest von mir als eine Art Qualitätssiegel wahrgenommen wird.

Aber wie schädlich ist es für den Organismus, wenn gentechnisch veränderte Nahrungsmittel in großen Mengen konsumiert werden? Die Antwort auf diese Frage ist nach wie vor umstritten, stichhaltige Studien, die die Schädlichkeit beweisen, gibt es bis dato nicht. „Nach dem heutigen Stand des Wissens gibt es keinen vernünftigen Grund zur Annahme, dass die zugelassenen Gentechnik-Lebensmittel gesundheitlich bedenklich wären", sagt der österreichische Molekularbiologe Martin Moder.

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Das wollte der Tiermediziner Federico Infascelli, der an der Universität Neapel forscht, ändern und präsentierte im Juli 2015 dem italienischen Senat ganz andere Ergebnisse. Die Kernaussagen seiner drei Studien schienen die Befürchtung von Anti-Gentechnik-Aktivisten zu belegen: Gentechnisch modifizierte Sojabohnen, die an weibliche Ziegen verfüttert werden, hinterließen Spuren in ihrem Nachwuchs. Sowohl im Blut als auch in den Organen der Baby-Ziegen ließen sich modifizierte Gene nachweisen, die auf das Gen-Soja zurückzuführen seien. Und nicht nur das: Diese Transgene würden sich auch schädlich auf die Organismen der Tiere auswirken.

Als Futtermittel stark verbreitet, ebenso stark umstritten: Soja. Bild: imago

Mit diesen Ergebnissen sorgte Infascelli nicht nur in der Wissenschafts-Community für Aufsehen. Seine Untersuchung hatte auch Auswirkungen auf die italienische Innenpolitik, die seit längerem dem Thema Gentechnik klar negativ gegenübersteht. Inzwischen gehört Italien zu den 19 EU-Staaten, die Genpflanzen gänzlich verbieten wollen.

Jetzt stellte sich auf Initiative der italienischen Senatorin und Pharmakologin Elena Cattaneo heraus, dass die Studie grobe Mängel aufweist und Daten womöglich absichtlich manipuliert wurden. „Der Fall ist sehr wichtig, vor allem weil die Studien Auswirkungen auf die politische Debatte in Bezug auf gentechnisch verändertes Saatgut hatte", sagt die Senatorin Elena Cattaneo.

„Methodisch unhaltbar."

Martin Moder erklärte gegenüber Motherboard, dass bereits die Ausgangsbasis der Studie fragwürdig sei: „Infascellis Arbeit bezieht sich gleich zu Beginn auf einen französischen Forscher, der durch seine methodisch unhaltbaren und teilweise zurückgezogenen Anti-Gentechnik-Veröffentlichungen bekannt wurde. Da sollten die Alarmglocken läuten."

Mittlerweile stehen übrigens nicht nur die drei neueren Studien von Infascelli unter Beschuss, sondern auch die gesamte akademische Laufbahn des Italieners. So sollen insgesamt acht wissenschaftliche Veröffentlichungen, inklusive seiner Doktorarbeit, teils schwerwiegende Mängel aufweisen. Laut Enrico Bucci, der bei BioDigital Valley wissenschaftliche Literatur auf Fehler überprüft, gehören dazu gemäß einem entsprechenden Bericht für die Senatorin Cattaneo etwa die Manipulation von Daten und Grafiken sowie die Löschung von nicht erwünschten statistischen Ausreißern. Infascelli drohen nun laut italienischen Medienberichten Geldstrafen und eine Suspendierung seiner universitären Tätigkeiten.

Der Fall Infascelli erinnert an die Affäre rund um Gilles-Eric Séralini, der in einer vielbeachteten, im September 2012 veröffentlichten Studie behauptete, gentechnisch modifizierter Mais würde bei Ratten hochgradig krebsfördernd wirken. Bei genauer Betrachtung stellt sich die Studie jedoch als methodisch unsauber heraus, Séralini beteuert jedoch bis heute, dass zumindest das Ergebnis stimme. Und obwohl die Studie selbst kritisiert wurde, wird unter Wissenschaftlern weiterhin vermutet, dass Glyphosat—das vielfach kritisierte, von Monsanto patentierte Pflanzenschutzmittel—tatsächlich krebserregend sein könnte.

Laut Martin Moder gäbe es unzählige Studien, die industrieunabhängig finanziert wurden und GM-Soja als gesundheitlich unbedenklich einstufen würden. „Diese Studien sind für Medien aber nicht besonders interessant, deshalb kennt sie kaum jemand. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass mit gentechnikfeindlichen Studien noch lange argumentiert wird, auch wenn als haltlos entlarvt und zurückgezogen wurden. Das wird in diesem Fall nicht anders sein", so Moder.