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Popkultur

Es ist OK, wenn ihr den Blutmond verpasst habt

Ihr habt lieber geschlafen, als gebannt in den Himmel zu starren? Zu Recht. Für alle, die perfekt vorbereitet in die nächste Mondfinsternis starten wollen, haben wir trotzdem ein paar Tipps.
Foto: imago/Christian Ohde

Es gibt Naturereignisse, die erinnern uns daran, dass wir trotz all der fortschrittlichen Technik und den Apps, mit denen wir unser Leben organisieren, doch nichts anderes sind als Tiere. Ursprüngliche, der Natur unterworfene Tiere, die es trotz all ihrer Intelligenz nicht geschafft haben, sich über Dinge wie Ebbe und Flut (oder Durchfall und Unterleibskrämpfe) zu erheben. Der „Blutmond" (dum-dum-duuuuuum), der in der Nacht von Sonntag auf Montag den Himmel zierte, zeigte aber vor allem, wie viele prätentiöse Hashtag-Jäger es da draußen wirklich gibt.

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„Was?!" werdet ihr empört aufschreien, wo ihr euch doch nach alten heidnischen Ritualen auf das große Ereignis vorbereitet hattet (güldene Kelche, Tieropfer, Selfie-Stick) und krone.at bereits auf Fotos von Leser-Journalisten wartete. Und ja, sicherlich handelt es sich bei dieser speziellen Art von Mondfinsternis um ein Naturschauspiel, das man nicht all zu oft zu Gesicht bekommt. Statt das Ganze ohnmächtig beeindruckt zu beobachten, sich seiner Wurzeln zu entsinnen und zu fragen, ob die Schönheit der Natur nicht doch irgendwie geiler ist als ein Instagram-Filter, zeichnete sich ziemlich schnell ab, dass es sich bei der ganzen Sache um eines dieser typischen Social-Media-Events handeln würde.

Da wurde sich flächendeckend zum Public-Mond-Viewing verabredet, dass es eine helle Freude war, Österreichs große Nachrichtenseiten überschlugen sich gegenseitig in ihren Erklärungen zum Mega-Ereignis (Wann? Wo besonders gut? Wieso eigentlich?) und #SuperBloodMoon ist auch heute noch einer der Top-Trending-Hashtags—ja, mir ist beim Tippen auch ein bisschen übel geworden—auf Twitter. Vielleicht sind wir aber auch nur einfach zynisch und wütend, dass wir selbst heute Morgen ziemlich früh aufstehen mussten und uns deshalb nicht die halbe Nacht um die Ohren schlagen konnten, um einen etwas anders eingefärbten Himmelskörper anzustarren. Und wir wollen es wieder gut machen.

Ihr habt den Blutmond verpasst oder seid nicht so ganz sicher, ob ihr wirklich alles aus diesem Spektakel mitgenommen habt? Keine Sorge, wir erklären euch, wie ihr euch optimal auf das nächste naturalistische Großereignis vorbereitet.

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Plant schon jetzt, wie ihr euch zu der ganzen Sache positionieren wollt

Ironisch-distanziert, super euphorisch oder offen ignorant? Dass der Mond sich verdunkelt oder ein potentiell tödlicher (aber optisch sehr ansprechender) Komet auf die Erde zurast, können wir nicht verhindern. Worauf wir allerdings Einfluss haben, ist, wie wir mit der Sache umgehen. Belächeln wir die Freude der Massen, die sich schon Wochen vorher DIY-YouTube-Tutorials zu Sonnenfinsternis-Brillen reinziehen, oder planen wir bereits eine ausuferndere Dinnerparty zum Mega-Event? Googlen wir schlechte Kalauer zum Thema Naturereignisse, um sie anschließend unter dem korrekten Hashtag auf Twitter zu verbraten (in der Hoffnung, ENDLICH mal von irgendeiner gescheiterten Comedy-Existenz wie Oliver Pocher geretweetet zu werden), oder lesen wir noch ein gutes Buch, bevor wir bewusst früh ins Bett gehen? Entscheidet weise, auf welcher Seite ihr steht. Ganz so oft kommen diese superspektakulären Naturschauspiele nämlich wirklich nicht vor.

Ihr müsst nicht wissen, was genau da eigentlich passiert

Mondschatten, veränderte Planetenbahnen, Aliens—who fucking cares? Wenn ihr nicht gerade mit einem Astronomen oder einem NASA-Mitarbeiter in einem Aufzug gefangen seid und bereits alle anderen Smalltalk-Themen ausgeschöpft habt, reicht es absolut, beim Thema Mondfinsternis/Sonnenfinsternis/Sternschnuppen nebulöse Schlüsselworte einzuwerfen. „Beeindruckend" oder „atemberaubend" sind gute Adjektive, die zeigen, dass es auch neben der Präsentation des neuen iPhones noch Dinge gibt, die euch demütig machen. Wer ein bisschen esoterischer veranlagt ist, kann das Ganze auch noch mit irgendwelchen vagen Prophezeiungen zu Sternzeichen und Seelenströmungen in Zusammenhang bringen. Wirklich wichtig ist eigentlich nur, dass ihr wisst, wie der offizielle Hashtag zum Naturereignis lautet.

Habt nicht zu große Erwartungen

So hoch die Emotionen auch kochten, so schnell war diese ganze Blutmond-Sache dann aber auch schon wieder vorbei. Oder wurde zumindest sehr schnell, sehr langweilig, denn seien wir ehrlich: Wie lange kann man ein unbewegliches Objekt anstarren, bevor es richtig, richtig fad wird? Zwei Minuten? Fünf vielleicht, wenn man dabei von seinem aktuellen Love-Interest begrabbelt wird? Selbst Nordlichter—die wunderschönen, kapriziösen Schmetterlinge der Naturphänomene—sind farbtechnisch auch nicht viel beeindruckender als der Bluterguss, den ihr am Morgen nach der eskalativen Partynacht auf eurem Oberschenkel findet.

Deswegen solltet ihr vorsorgen und euch entweder mit sehr vielen unterhaltsamen Menschen aus eurem erweiterten Freundeskreis umgeben, oder das Ganze mit Alkohol oder anderen Substanzen, die euren Anspruch an eure Umgebung auf ein Minimum reduzieren, aufpeppen. Wahlweise könnt ihr natürlich auch eure nächtliche Timeline mit verwackelten Handyfotos, auf denen man absolut gar nichts erkennen kann, fluten oder versuchen, das optimale Selfie im Stockdunklen zu machen. (Sollte es sich statt um ein Naturereignis allerdings um eine Naturkatastrophe handeln: Hände weg vom Smartphone. Ihr wäret nicht die ersten, die auf der Jagd nach einem möglichst spektakulären Selbstporträt ums Leben gekommen sind.)

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Screenshot: Twitter

Es ist OK, wenn ihr es nicht selbst anschaut

Auch ich hatte mir den Wecker provisorisch auf 4.15 Uhr gestellt und es rudimentärst gekleidet aus dem Bett bis zum Küchenfenster geschafft. Als ich dann allerdings feststellen musste, dass es mir aus dieser Position heraus absolut unmöglich war, den Mond zu sehen (und es irgendwie auch ein bisschen kalt war, so ohne Hose vorm offenen Fenster), habe ich mich wieder hingelegt. Und bin heute im Büro das blühende Leben! Ich habe nicht das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben und dank Photoshop, Instagram oder der Google-Bilder-Suche könnte ich rein theoretisch trotzdem so tun, als wäre ich Teil der gemeinsamen Naturerfahrung gewesen. Ihr braucht nicht mehr als ein Beweisfoto für eure sozialen Netzwerke und seien wir mal ehrlich: Wenn ihr nicht gerade den längsten Selfie-Stick der Welt besitzt, werdet ihr es mit euren Handykameras ziemlich schwer haben, irgendein Schauspiel am Himmel klar ersichtlich festzuhalten.

Wann kommt sie denn nun, die nächste Mondfinsternis?

Weil wir euch so sehr lieben, haben wir uns so ganz zum Schluss natürlich auch noch die Mühe gemacht, ganz klassischen Leserservice zu liefern. Die nächste (partielle) Mondfinsternis gibt es am 17. August 2017, 2018 gibt es dann am 31. Januar und 27. Juli jeweils eine Kernschattenfinsternis und 2019 lohnt es sich, am 21. Januar (Kernschattenfinsternis) und am 16. Juli (partielle Mondfinsternis) in den nächtlichen Himmel zu starren. (All diese Termine stammen von der sehr wissenschaftlich daherkommenden Seite mondfinsternis.org und wenn die es nicht wissen, wer dann?) Sagt also nicht, wir hätten euch nicht rechtzeitig Bescheid gesagt.

Lisa wird wahrscheinlich auch die kommenden Top-Events der Natur verschlafen. Folgt ihr bei Twitter.