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Bundestagswahl 2017

Das Problem ist nicht nur die AfD, sondern vor allem die CSU

Nichts ist gefährlicher als eine gedemütigte Kleinpartei, die nie mehr rechts überholt werden will.
Foto: imago | Sproettel

Auch wenn es keine echte Überraschung ist, der Schock sitzt trotzdem: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten zieht mit der AfD eine ultra-rechte Partei in den Deutschen Bundestag: Mit über 90 Sitzen ist die AfD die drittstärkste Kraft im Parlament. Dass das Deutschland verändern wird, ist jetzt schon klar. Und trotzdem: Direkt wird die AfD nicht viel bewirken können, weil keine andere Partei eine Regierung mit ihr bilden will. Ganz anders sieht es mit der CSU aus.

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Klar, die bayerische Schwesterpartei der CDU war schon vor der Wahl an der Regierung beteiligt – und hat da schon einigen Schaden angerichtet. Aber seit sie am Sonntag das schlechteste Wahlergebnis seit 1949 eingefahren hat, ist die CSU eine andere Partei geworden: kleiner, ängstlicher, wütender – und dadurch erst richtig gefährlich.

Die Wahl, da waren sich schon am Sonntag alle CSUler einig, ist für die Partei eine Katastrophe: Mit 38,8 Prozent in Bayern hat sie fast zehn Prozentpunkte seit der letzten Bundestagswahl verloren. Mit 6,2 Prozent ist sie jetzt die schwächste Partei im Bundestag. Besonders demütigend: Ihr Spitzenkandidat, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, hat es nicht mal in den Bundestag geschafft.

An wen die CSU die Wähler verloren hat, ist auch ziemlich eindeutig: Die AfD hat in Bayern 12,4 Prozent eingesackt, ihr höchstes Wahlergebnis in einem westdeutschen Bundesland.

Die CSU hat sofort ihre Konsequenzen daraus gezogen. Parteichef Horst Seehofer hat noch am Wahlabend erklärt, man habe im September "eine offene Flanke auf der rechten Seite" gehabt. "Es kommt darauf an, dass wir diese Flanke schließen." Der Generalsekretär Andreas Scheuer ist ganz seiner Meinung, dass man die "rechte Flanke schließen" müsse – und erklärt genau, mit welchem Thema die CSU das machen will: "Es kann bei Sicherheit und Zuwanderung und Integration so nicht weitergehen. Das werden wir künftig noch stärker von unserer Schwesterpartei einfordern." Man werde jetzt, erklärte Scheuer, noch kompromissloser auf der "Obergrenze" beharren.

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Im Klartext: Die CSU-Bosse haben nichts aus ihren Fehlern gelernt. Man hätte aus diesem Ergebnis auch den Schluss ziehen können, dass es schlicht nicht funktioniert, der AfD rechts das Wasser abzugraben. Die CSU hat eben das in den letzten Jahren wirklich versucht – so sehr, dass man ihre Parolen kaum noch von denen der AfD unterscheiden konnte. Horst Seehofer hat Viktor Orbán nach München eingeladen, um zu zeigen, wie toll er die harte Anti-Flüchtlingspolitik des ungarischen Premiers findet. Am Ende hat alles nichts genützt: Die Leute, die ultrarechte Politik wollen, haben die AfD gewählt. Und dann hat die AfD die CSU dafür auch noch ausgelacht:

In der CSU scheint man das völlig anders zu sehen. Wenn die Wahl eine Katastrophe war, so die augenscheinliche Logik, dann liegt das daran, dass wir nicht rechts genug waren. In ihrer Panik sieht die CSU ihren einzigen Ausweg darin, ab jetzt noch viel rechter aufzutreten. Vor allem, weil nächstes Jahr Landtagswahlen in Bayern sind – was den Druck in der CSU nochmal um einiges erhöht.

Das bedeutet, dass die CSU alles tun wird, um sich in der nächsten Regierung als Scharfmacher zu profilieren – und alles blockieren, was irgendwie nach Reform klingt. Und weil Angela Merkel mit ihrem schwachen Wahlergebnis mehr denn je auf die CSU angewiesen sein wird, werden die Bayern damit Einfluss haben. Das könnte jetzt schon mit der Jamaika-Koalition anfangen: Die CSU wird mit Flüchtlingspolitik-Positionen in die Verhandlungen gehen, die es den Grünen de facto unmöglich machen werden, mit der Union zu regieren.

Wer dachte, dass Seehofers Gebell die letzten vier Jahre schon genervt hat, der wird sich auf eine ganz neue Lautstärke einstellen müssen. Dabei ist völlig egal, ob Seehofer als CSU-Parteichef überlebt oder nicht – entweder er schafft es, indem er noch rechter wird, oder ein Neuer übernimmt, der sich dann genauso als Hardliner profilieren wird.

In beiden Fällen kommen auf Deutschland vier Jahre zu, in denen eine in die Ecke getriebene CSU alles tun wird, um ihren Machtanspruch zu zementieren. Jede Art von sinnvoller Reform – sei es in der Europa-, Flüchtlings-, Familien- oder Steuerpolitik – ist damit verdammt schwierig geworden. Aber vor allem wird die CSU sich große Mühe geben, jede erdenkliche AfD-Position vorherzusehen – und zu übertrumpfen. Sie wird den Diskurs der Rechten direkt in die Agenda der Bundesregierung tragen. Die AfD muss also gar nicht an die Regierung. Dafür hat sie ja die CSU – die gefährlichste Partei Deutschlands.

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