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Gaming für eine bessere Welt

Online und Offline verschmelzen bei Videospielen, die Wissen zu entwicklungspolitischen Themen vermitteln und während des Spiels Spenden für humanitäre Zwecke ermöglichen.

Heute ist Weltmalariatag und gleichzeitig findet in New York die Videospiel-Konferenz Games for Change statt. Zwei Events, die auf den ersten Blick nicht weiter voneinander entfernt liegen könnten. Und doch rücken sie auf unseren mobilen Geräten immer enger zusammen—dank Videospielen mit entwicklungspolitischem Ansatz.

Wenn du glaubst, dass die Ernsthaftigkeit von Spielen eine langweiliges Thema ist, dann kennst du wohl weder die unterhaltsamen antikapitalistischen Spiele von Molleindustria, noch die Aufarbeitung von wissenschaftlichem Rassissmus in BioShock Infinite oder die Vielfältigkeit von „Serious Games" zur Kriegssimulation.

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Den Malaria-Themantag nimmt die unabhängige, Non-Profit-Onlineplattform Fairplanet zum Anlass und feiert die heutige Veröffentlichung des Malaria-Spiels Outbreak Responder in der Berliner Platoon Kunsthalle. Es gibt ein Panel, Videogamesessions und ein paar weltweite Videoschaltungen—zum Beispiel mit Dr. Charles Mbogo vom Kenya Medical Research Institute in Nairobi.

Die durch die Anophelesmücke übertragene Krankheit Malaria ist in Afrika eine der Haupttodesursachen bei Kindern. Infolge des Klimawandels breiten sich die Erreger aber auch nach Norden und Europa aus. Die Tropenkrankheit ist also mehr denn je ein Thema, das die ganze Welt betrifft.

Seit einigen Jahren beschäftigen sich Spieleentwickler und Wissenschaftler mit der Frage, welchen Nutzen Computerspiele in der realen Welt haben könnten—welche Möglichkeiten gibt es zur Verschmelzung von online und offline? Gamer verbringen rund drei Milliarden Stunden im Netz und bergen einen Energievorrat, den man viel besser nutzen könnte.

An dieser Stelle setzt Outbreak Responder an, ein Spiel, vergleichbar mit Anno oder Die Siedler, nur, dass es hier vorsätzlich darum geht, sich vor der Anophelesmücke schützen und die Krankheit abzuwehren.

Sebastian Stier, Entwickler von Outbreak Responder, erklärt die Idee folgendermaßen:

„Es gibt so viele erfolgreiche Strategiespiele bei denen die Spieler eine Farm aufbauen, einen Zoo oder ein Restaurant betreiben. Wir haben uns gedacht, dass man diese erfolgreichen Mechaniken auch auf die Themen der Entwicklungshilfe übertragen kann. So spielt der Spieler nicht „nur" ein Spiel, sondern lernt unterbewusst etwas und kann zur Lösung eines realen Problems beitragen."

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Ein weiteres Spiel, ebenfalls zur Malaria Problematik, ist Nightmare: Malaria. In nahezu künstlerischer Grafik flieht ein Mädchen in ihrem Alptraum vor Moskitos, die fast ebenso groß sind wie sie selbst. Die Umgebung ist einem Blutkreislauf nachempfunden. Das Spiel hat definitiv etwas alptraumhaftes und ist äußerst elegant umgesetzt.

Nightmare: Malaria hatte in der ersten Woche nach seinem Erscheinen schon über 100.000 Spieler und bezeugt damit, dass auch ernste Themen, wenn sie nicht belehrend oder langweilig vermittelt werden, ein Game-Erfolg sein können. Über andere Medien ist eine solche Verbreitung zu einem Thema wie Malaria nur schwer zu erreichen.

Im Gegensatz zu Outbreak Responder, wo die reale Thematik bespielt wird, ist der Infocharakter von Nightmare: Malaria auf Texteinblendungen im Game beschränkt.

„Wir kennen außer uns nicht viele weitere Firmen, die wirklich professionelle Spiele mit Entwicklungshilfe verknüpfen. In den USA arbeiten wir mit der Global Gaming Initiative zusammen. Die teilen unsere Vision und haben mit Sidekick Cycle ein Spiel auf dem Markt, in dem Fahrräder gespendet werden.", erzählt Sebastian Stier.

Sidekick Cycle hat gerade eine neue Version veröffentlicht und im Rahmen der Testversion schon 24 Fahrräder gespendet. Bei diesem Spiel muss, ganz klassisch, eine bestimmte Route in einer bestimmten Zeit zurück gelegt werden. Auf dem Weg helfen dir Sidekick-Tiere, die unwegsame Strecke zu bewältigen und du kannst dein Bike nach eigenen Bedürfnissen für das jeweilige Gelände aufrüsten.

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Bei Sidekick Cycle wird der Kaufbetrag des Spieles zu 50 Prozent für einen guten Zweck eingesetzt, andere Spiele sind gratis erhältlich und die Geldbeträge kommen durch Spenden zusammen. Bei vielen Games wie zum Beispiel Outbreak Responder kann der Nutzer während des Spielens entscheiden für wen gespendet werden soll. Im besten Fall wird durch den spielerischen Ansatz ein Interesse erzeugt, sich auch weiterhin für das Thema zu interessieren. Es kommt zu einer Verknüpfung von Spiel und realer Welt.

„Auf der Welt existieren 1.2 Milliarden Smartphones und jede Sekunde werden weitere 19 verkauft. Nutze deines für eine gute Sache.", so der Aufruf auf der Webseite der Global Gaming Initiative.

„Wir haben von Anfang an gesagt, dass sich alles einem guten Gameplay unterordnen muss. Das Problem bei vielen Serious Games ist, dass sie sich zu sehr auf einen Lerneffekt fokussieren und die Spiele oft keinen Spass machen. Aber ein Spiel, das vom Spielerischen nicht überzeugt wird einfach nicht gespielt, auch wenn es sich um einen guten Zweck handelt. Uns war klar, wir müssen ein Spiel entwickeln, dass sich mit allen anderen Spielen im App Store messen kann.", erklärt Sebastian Stier die Herangehensweise. Für ihn und sein Unternehmen CodeSustainable ist Outbreak Responder das zweite nachhaltige Online-Spiel. Für die Schweizer Stiftung Biovision entwickelten sie schon für den Rio+20 Gipfel Game Change Rio.

Sebastian Stier ist zuversichtlich wenn er sich die Gamebranche ansieht: „Wir sehen ein riesiges Potential, denn durch den Siegeszug von Smartphones und Tablet PCs hat man als Entwickler die Möglichkeit eine unglaublich Zahl an Nutzern zu erreichen. Wir teilen die Gedanken der Spieleentwicklerin Jane MCGonigal: Wenn auch nur ein Teil der Milliarden Stunden, die Leute in Computerspiele stecken in sinnvolle Spiele kanalisiert werden kann, ist das Potential riesig."