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Trump hat es geschafft: Jetzt sind sogar 4chan-Nutzer sauer auf ihn

Dieses umstrittene Thema ist /pol/ extrem wichtig, egal “ob du ein Vollnazi bist oder sogar ein Scheißdemokrat.”
Bild: Screenshot 4chan

Am gestrigen Mittwoch sahen Homepages weltweit anders aus als sonst oder ließen sich nur quälend langsam laden. Der Grund: Ein internationaler Aktionstag zur Netzneutralität. Rund 70.000 Organisationen versuchten, ihren Nutzern geschlossen klarzumachen, was auf dem Spiel steht, wenn die US-Republikaner die Regelungen zum Verbraucherschutz im Internet aufweichen wollen.

Auch an einem eher unerwarteten Ort tut sich etwas: Wenige hätten wohl damit gerechnet, dass die seriöse politische Kampagne ausgerechnet bis auf das eher für seinen obskuren Content berühmte Imageboard 4chan ausbreitet. "Schließ dich dem Kampf für Netzneutralität an oder wir könnten alle von 4chan gesperrt werden", heißt es auf einem Banner, das am Mittwoch auf der Startseite zu sehen war.

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"Viel Spaß, wenn du nicht mehr shitposten kannst, weil du blöder Arsch das alles für witzig gehalten hast!"

In mehreren Threads quer über die Website stacheln sich die sonst so anarchischen User an, für die Gleichberechtigung der Daten und gegen den Republikaner-Vorstoß zu kämpfen – sogar auf Trumps Online-Festung /pol/, wo sich einige seiner extremsten Supporter versammeln. Ein Dilemma, hatte man doch Lieblingskandidaten Trump eigentlich vor der Wahl die ewige Treue geschworen und konnte sich vor Begeisterung kaum halten, dass der Mann ins Amt gewählt wurde, den die sogenannte Alt-Right auf dem Board mit einer Lawine an Memes unterstützt hatte – nicht wenige glauben von sich, damit auch zum Sieg Trumps beigetragen zu haben.

Wenn es aber nun um die Verteidigung des freien Zugangs zu Tummelplätzen wie 4chan geht, schwingen sich große Teile von 4chan zu ungeahnten Einigkeits-Höhenflügen auf und mobilisieren wirklich die allerletzten Reserven:

"Heute ist der wichtigste Tag", schreibt einer unter dem Bild einer dramatisch wehenden US-Flagge. "Ob du ein Voll-Nazi bist, ein Republikaner oder sogar ein Scheißdemokrat, der für Clinton gestimmt hat: Es ist so unglaublich wichtig, deinem Kongressabgeordneten zu schreiben, warum du Netzneutralität für wichtig hältst und sie beibehalten werden soll!"

Wundersamerweise fegt dieser Kampfansage kaum ein Gegenwind entgegen, und wer doch trollt oder sich an die Grundwerte des Boards erinnert ("Fick dich, Netzneutralität ist schlecht, sonst würde Trump sie nicht abschaffen wollen!") dem wird todernst klargemacht, was hier auf dem Spiel steht:

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"Viel Spaß, wenn du nicht mehr shitposten kannst, weil du blöder Arsch das alles für witzig gehalten hast!"

Die Ironie der Geschichte: /pol/-Nutzer, die vor Begeisterung, dass nun ein Meme den Präsidentenjob innehat, in Schnappatmung verfielen, fühlen sich nun von seinen politischen Vorstößen akut in ihrer Kultur bedroht. Plötzlich beginnen manche fast ein bisschen ernsthaft über die Macht der Internetkonzerne, Anbieter, Datenbegrenzungen und Freiheit im digitalen Zeitalter zu diskutieren (aber keine Angst: nicht alle).

Denn dahinter stehen Prinzipien, die jeden Internetnutzer vom rechten Troll-Rand bis hin zu linken Redditor vereinen. Es geht um freie Meinungsäußerung. Der Kampf dafür, wirklich alles sagen zu dürfen, ist ein Kampf, den ganz besonders die regellosen /pol/-Poster ausdauernd und wild entschlossen führen.

Unter Netzneutralität versteht man das Prinzip der Gleichbehandlung des gesamten Datenverkehrs im Internet statt Vorfahrtsstraßen für Dienste, die mehr zahlen. Kritiker befürchten, dass ohne Netzneutralität Internetanbieter wie Verizon oder AT&T in Zukunft gewaltige Vorherrschaft und politische Macht im Netz erlangen und entscheiden können, was du im Internet siehst und was nicht. Befürworter argumentieren mit gestiegenen Kosten für die Übertragung mancher Websites, unter anderem durch mehr Video-Content auf Seiten wie Facebook.

Leider ist diese gewaltige Umwälzung in den USA schon mehr oder weniger beschlossene Sache: die republikanischen Gesetzgeber haben richtig Bock, die 2015 unter Obama beschlossenen Regeln endlich abzuschaffen und selbst der leider nur in der Theorie neutrale Chef der Internetnet-Regulierungsbehörde FCC Ajit Pai stellte zufrieden fest, die Tage der Netzneutralität seien "gezählt".

Heute kann man zwar noch nicht von einer geschlossenen Welle des Protests gegen Trump auf 4chan sprechen, doch die Unterstützung für Trumps Politik wackelt nach dem republikanischen Vorstoß deutlich – und es ist zu erwarten, dass die Debatte mit jedem Tag noch weiter wachsen wird.