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Vice Blog

​Servus Deutschland, deine Medien werden die AfD nicht besiegen

Ein Gruß aus Österreich: Die Rechten in den Medien schlecht zu machen, funktioniert nicht. Das zeigt das Beispiel FPÖ.

Foto: Imago | Christian Thiel

Aus Österreich schaut man sich die Debatten um die AfD an und denkt sich: Wow, worüber die Deutschen sich noch aufregen können! Schießbefehl an der Grenze? Bei uns ging es schon um „Geldjuden", da wusstet ihr in Westdeutschland noch nicht einmal, wie man „Schießbefehl" buchstabiert.

Dann ist man wieder in die Gegenrichtung überrascht. So wie an diesem Wochenende, als Deutschland offenbar für einen kurzen Moment dachte, dass der Schießbefehl-Sager der AfD weh tun wird. Falls Frauke Petrys fehlende Distanz zu einem Schießbefehl noch nicht gereicht habe, dann muss spätestens Beatrix von Storch mit dem Schießbefehl auf Frauen und Kinder eine Grenze überschritten haben. So konnte man Deutschland fast laut hoffen hören. Und man dachte sich aus Österreich: Wow, was die Deutschen noch für Hoffnungen haben!

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Es tut ein bisschen weh, es in dieser Klarheit formulieren zu müssen—vor allem für Bundesbürger wie mich (es ist wirklich wahr: wir lieben das Grundgesetz so sehr wie unsere Bayern München-Bettwäsche). Besonders schmerzhaft ist es in diesen kurzen Momenten der Hoffnung. Trotzdem muss es ihnen jemand sagen:

Liebe Deutsche, wir haben einige Jahre Vorsprung mit Rechtspopulismus und Menschenfeindlichkeit in der Politik. Wir können euch versprechen, das geht nicht mehr weg!

Es gibt nicht den einen Schritt zu viel, durch den die Rechten unwählbar werden. Strache hatte „drei Bier", und war schon „die neuen Juden" und nie war es „zu viel". Die Wähler gewöhnen sich mit jeder Grenzüberschreitung an den neuen Ton Heribert Prantl hat das am Sonntag bereits in der Süddeutschen beschrieben). Das ist die rechte Strategie. Jeder Nachrichtensprecher, der glaubt, die Rechten zu entlarven, indem er ihnen grausame Ansichten aus der Nase lockt, belügt sich selbst.

Das hat noch nie funktioniert. Um das Rad zurück zu drehen, bräuchte es bessere Medien. Die deutsche Medienlandschaft sieht vielleicht besser aus als die österreichische, ist aber leider auch nicht gut genug, um die Rechten zu besiegen. Anja Reschke wird jetzt vielleicht in den Tagesthemen wieder dazu aufrufen, dass die Anständigen anständig sein sollen, so wie sie selbst; und dann kommt vielleicht wieder mal Claus Kleber hinterher gesprungen—das war schon im Sommer 2015 wirklich ärgerlich.

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Keine Frage: Die Gesichter aus den Nachrichten werden sich dabei unglaublich anständig vorkommen. Und sie werden sicherlich für irgendeinen Journalistenpreis nominiert. Wir kennen das von Armin Wolf, der seit Jahren in der ZIB2 Heinz-Christian Strache unverhältnismäßig viel härter angreift als Eva Glawischnig. Das ist auch OK so, meint ihr? Weil Strache eben blöd ist? Das mag sein. Aber hat das die FPÖ in den letzten Jahren auch nur eine einzige Stimme gekostet?

Man könnte ganz im Gegenteil behaupten, Armin Wolf treibe den FPÖlern noch mehr Wähler in die Fänge ihrer Partei, weil sich immer mehr Menschen stellvertretend mit Heinz-Christian Strache ungerecht angegriffen fühlten. Vielleicht ist diese Behauptung falsch. Aber ist die Entwicklung der FPÖ nicht zumindest ein Indiz dafür, dass man die Strategie wechseln sollte? Da liefert uns beispielsweise der ORF seit Jahren gerne FPÖler zum Talk Im Zentrum. Sie sollen dort über Asyl debattieren, am besten gegen Grüne, weil es dann so schön knallt. Aber wenn man die FPÖ auffliegen lassen wollte, wäre es vielleicht besser, sie zu Themen wie der Zentralmatura oder Fragen der Standortpolitik diskutieren zu lassen.

Der österreichische Weg war also vermutlich der falsche, aber der deutsche Weg im Umgang mit den Rechten sah in den vergangenen Jahren oft aus wie der österreichische Weg voller Anfänger (was die deutschen Journalisten im Umgang mit Rechten ja auch waren).

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Die ZDF Heute Show zum Beispiel macht sich regelmäßig über die AfD und Pegida lustig. Das ist manchmal unterhaltsam, oft ist es aber auch nur die Empörung der Bildungsbürger über „diese ungehobelten Schmutzfinke." Wenn der lustige Sportmoderator Oliver Welke befindet „Aha, die CSU will die Probleme dieser Menschen ernstnehmen, haha, die sind ja selber rechts", dann mag das inhaltlich richtig sein und es ist natürlich erfreulich, wenn die Heute Show sich selbst und ihren Zusehern versichert „Nicht-Pegida" zu sein. Aber echtes journalistisches Verantwortungsbewusstsein wäre es erst, wenn man zumindest einen Gedanken daran verschwendet, ob man damit Menschen davon überzeugt, dass Pegida wirklich blöd ist—oder ob man sie eher darin bestätigt, dass „die Lügenpresse gegen uns" ist.

Unter dem wirtschaftlichen Druck erzählen sowohl der Qualitätsjournalismus als auch der Boulevard den Lesern, was sie hören wollen.

Ein Grund für diesen „Empörungsjournalismus" wird wohl der wirtschaftliche Druck sein, unter dem die Medien stehen. Der traditionelle Journalismus und die klassischen Medienhäuser stecken seit über zehn Jahren in der Krise. Sie kämpfen mit immer weniger Werbeeinnahmen um eine immer kleiner werdende Gruppe an Menschen die noch bereit sind, für Journalismus zu zahlen—und in diesem Kampf gehen sie genauso vor wie der Boulevard auch: Sie erzählen ihrer Zielgruppe, was die hören will.

Der Boulevardleser will hören: Die Ausländer sind gefährlich! Und der bildungsbürgerliche Bildungsbürger will hören: Diese Rechtpopulisten sind dämliche Proleten! Und mehr noch: Wir sind es nicht! Wir sind zum Glück Bildungsbürger, die keine Angst vor dem ökonomischen Abstieg haben müssen, solange wir nur nicht zu denen gehören.

Das ist die Ausgangslage und sie ist im Grunde ziemlich hoffnungslos. Wenn Deutschland aus den österreichischen Fehlern lernt, dann müsste es sich etwas anderes ausdenken als dieses gleichzeitige Bashing und Quotensteigern mit den Rechten—das funktioniert zwar für die Quote, aber nicht wirklich gegen die Rechten. Der Empörungs-Qualitätsjournalismus ist ein Spiel mit dem Feuer. Aufzeigen und Aufregen reicht nicht mehr, wenn die Däme erstmal gebrochen sind und das sind sie jetzt auch in Deutschland.

Es braucht neue Vermittlungsformen um den verlorenen Weg zum Young-Angry-White-Male wieder neu zu finden. Experimente, wie das zweier Typen, die auf Plakaten über rassistische Vorurteile aufklären, ohne sich darüber lustig zu machen, machen Hoffnung. Dass der ORF beispielsweise erst seit 2014 nicht mehr um jedes Social-Media-Angebot kämpfen muss, hat dagegen wertvolle Zeit gekostet. Spätestens #Köln und #Armlänge haben Anfang des Jahres gezeigt, dass die „Qualitätsmedien" auch in Deutschland zumindest unsicher im Umgang mit dem Thema geworden sind. Beim „Schießbefehl"hat man dieses Wochenende gemerkt, dass die Phase der Empörung langsam in eine Phase der ratlosen Hoffnung übergeht. Diese neue Demut und Nachdenklichkeit ist vielleicht gar kein schlechter Anfang.

Yannick auf Twitter: @yannshki