FYI.

This story is over 5 years old.

Reisen

Deswegen ist Las Vegas die beschissenste Stadt überhaupt

Jeder ist betrunken, die Frauen sehen alle aus wie Stripperinnen und man fühlt sich selbst als Einwohner wie ein Tourist—willkommen in Sin City!

Sobald ich erwähne, dass ich aus Las Vegas komme, hat jeder plötzlich eine Meinung darüber. Die Leute denken dann, es sei OK, folgende Fragen zu stellen: War deine Mutter eine Stripperin? Wo wohnt ihr eigentlich wirklich? Weißt du, wo ich mir ein Näschen Koks besorgen kann? Das ist ziemlich beleidigend. Nur zum Mitschreiben: Meine Mutter hat nie gestrippt, ich lebe in einem ziemlich coolen Haus aus den 40ern und ich weiß nur, wo du in Los Angeles Kokain bekommst. Sorry.

Anzeige

In dieser Stadt bin ich aufgewachsen. Sie ist ein trostloser Ort voller Stripper, Glücksspiel und Alkoholismus. Wenn jeder von Mike Judges erfundenen Charakteren aus der Beavis und Butthead-Ära in all seiner sabbernden, ekligen und zittrigen Pracht zum Leben erweckt werden würde, dann könnte ich mir gut vorstellen, dass sie alle hierher kommen und auch sofort reinpassen. Hier sind die Gründe, warum:

Foto: Megan Koester

Jeder ist betrunken 

Ganz Vegas ist quasi ein rund um die Uhr geöffneter Schnapsladen. Ich war schon viel zu oft vor 9 Uhr morgens besoffen, um mich an jedes Mal erinnern zu können. In Nevada gibt es bezüglich des Alkoholkonsums nur so wenige Beschränkungen, dass Trunkenheit im Grunde eine Lebensweise ist.

Die meisten meiner Freunde hatten schon im Alter von 18 Jahren ein Alkoholproblem, ich ebenfalls. Während der High School war ich oft die Fahrerin—nicht, weil ich nett bin, sondern weil viele meiner Freunde ihren Führerschein los wurden, weil sie sich betrunken hinters Steuer gesetzt und damit ihr eigenes und das Leben anderer in Gefahr gebracht hatten. Las Vegas ist voll mit alkoholisierten Fahrern. Auf bestimmten Straßen sind alle paar Meilen die Lampen total verbogen oder umgeknickt wie Streichhölzer. Sie erinnern dich immer daran, dass Trinken und Fahren zusammen nie eine gute Idee sind.

Aber verfallt jetzt nicht in Panik, meine Lieben. Hier gibt es genau so viele hinter Krankenwagen hinterherjagende Anwälte wie betrunkene Teenager. Du hattest einen Unfall und brauchst jetzt dringend Geld? Dann ruf einfach einen aufgepumpten Ex-Sportstar deiner Wahl an. Diese gibt es hier zuhauf. Sie besitzen alle eine Anwaltskanzlei, die sich darauf spezialisiert hat, Leute auch auf ihren letzten Cent zu verklagen.

Anzeige

Die Frauen kleiden sich schrecklich

Die erwachsenen Frauen von Las Vegas sehen die meiste Zeit aus wie Möchtegern-Kim-Kardashian-Klone. Und wenn sie nicht im Alleingang die Bräunungsspray-Industrie am Leben erhalten, dann versuchen die Ladys hier, eine übergewichtige Bettie Page darzustellen. Niemand sieht normal aus. Wie reagieren die Männer auf diese idealisierten Versionen von Sexbomben? Scheinbar nicht so gut. 2011 wies Nevada in den USA die höchste Mordrate bei häuslicher Gewalt von Männern gegen Frauen auf.

Diese Einstellung macht sich auch auf der Straße bemerkbar. Pfiffe kommen überall vor, aber es besteht immer noch ein großer Unterschied zwischen einem anzüglichen Grinsen und dem Brüllen wie ein wildgewordener Affe. Jeder Typ, der hierher kommt, scheint zu denken, dass es OK ist, sich jedem gegenüber wie ein Arschloch zu benehmen—vor allem gegenüber Frauen. Schon mehr als einmal wurde ich Folgendes gefragt: „Oh, du bist aus Las Vegas? Hattest du auch ein Stripper-Stipendium?“ So viele Mädels, die in diesem schlechten Witz einer Stadt leben, strippen ja auch, um die Studiengebühren zu bezahlen. Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind an Werbetafeln vorbei gefahren bin, auf denen Frauen mit leerem Blick und Werbesprüche wie „OUR GIRLS DO IT ALL“ oder „LOOSEST SLOTS AND SLUTS IN TOWN“ zu sehen waren.

Wie du dir schon vorstellen kannst, sind Dates hier ein Albtraum. Nach einem kurzen Aufenthalt in New York bin ich vor Kurzem wieder hierher gezogen und meine Auswahl wurde schlagartig kleiner. Alle heterosexuellen Frauen sind hier ganz verzweifelt auf der Suche nach einem Schwanz. Bitte helft uns.

Anzeige

Ich fühle mich in meiner Heimat wie ein Tourist 

Wenn du glaubst, dass die Bars in deiner Kleinstadt beschissen sind, dann warst du ganz offensichtlich noch nicht hier in der Glitzerschlucht. Die Bars, die noch nicht von Touristen überlaufen oder mit Videopoker-Automaten vollgestellt sind, kannst du an einer Hand abzählen. Alles, was sich hier in deinem Sichtfeld befindet, gehört den Casinos. Wenn irgendetwas halbwegs Cooles aufmacht, dann müssen wir es genießen, so lange es da ist. Denn die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass es von einem der kitschigen und typischen Unternehmen oder einem E- bis F-Prominenten aufgekauft wird.

Hier ein Beispiel: Eine meiner Lieblingsbars wurde letztens von Darin Feinstein (Besitzer des extrem uncoolen Viper Rooms in Los Angeles) und Corey Harrison (Mitwirkender bei Pawn Stars) gekauft. Nur der alte Typ von Duck Dynasty oder Guy Fieri als Investoren hätten bei mir mehr Augenrollen verursacht. Guy hat zumindest einen Abschluss von der University of Nevada. Bars, die mal gar nicht so schlecht waren, sind jetzt voll mit Monster Truck liebenden Bros. Der Countdown für beschissenes Karaoke und beschissenes Essen beginnt.

Falls jemand eine Bar in Las Vegas kennt, die noch nicht von strunzdummen Leuten ohne Geschmack für Mode überlaufen ist, dann immer her damit. Inzwischen gefällt mir sogar schon das Abhängen in den Kneipen der alten Leute, weil ich dort keinen Haargel-Glanz sehen und kein Britney Spears-Parfüm einatmen muss.

Anzeige

Foto: Megan Koester

Das „Vegas“, das ihr kennt, liegt nicht mal in Las Vegas 

Ihr habt richtig gelesen. Der einzigen Teil von Vegas, denn die Leute sich anschauen—der Strip—, liegt tatsächlich südlich der Stadtgrenze in den gemeindefreien Städten Paradise und Winchester. In diesen Gegenden gibt es keine Gemeindebehörden, weshalb die Entwickler beim Bau der übertriebenen Hotels und Casinos entlang des Strips freie Hand hatten. Im echten Las Vegas im Norden leben die meisten Menschen in staubigen Wüstengemeinden ohne den Glamour des Strips. Trotzdem würde man nie denken, dass der technisch gesehen gar nicht zu Las Vegas gehört. Selbst das „Welcome to Fabolous Las Vegas“-Schild befindet sich eine halbe Meile südlich des Mandalay Bay-Ortseingangs, denn anscheinend ist Paradise, Nevada, das einzige Las Vegas, das wichtig ist.

Die Innenstadt ist ein Witz 

In den letzten Jahren hat diese Gegend eine plötzliche Veränderung durchgemacht. Die schäbigen kleinen Supermärkte, an denen wir nach Zigaretten geschnorrt haben, und die heruntergekommen Nutten-Motels gehören der Vergangenheit an. Diese verstaubten Juwelen wurden ersetzt durch Konzerthallen, die an die Backstage-Szene aus Wayne’s World und Brunch-Restaurants erinnern. Oh ja, das Phänomen des Brunchens ist auch endlich in Las Vegas angekommen. Wir sind im Grunde die hässliche, kleine Stiefschwester von Los Angeles, die in der Wüste verrottet und in allem hinterher hängt—sei es nun Mode, Craftbier oder Cocktail-Anbetung.

Anzeige

In der Stadt wütet die Gentrifizierung, aber genau so wie auch der Rest dieser von Konzernen hervorgebrachten Öde, wird unsere traurige, kleine Innenstadt jetzt von einem „Unternehmer“ erworben. In einem Immobilienwahn, den nur ein Dot.com-Depp bekommen kann, hat Tony Hsieh die meisten der Gebäude und verlassenen Grundstücke dieses Teils der Stadt gekauft. Bis jetzt wurde dort nur eine Anlage komplett aus Lagercontainern gebaut, in der ein Sheryl Crow-Konzert stattfand. Diese Entwicklung wird die unter der Armutsgrenze lebenden Bewohner aus ihren wöchentlichen Motelzimmern verdrängen, um Platz für Kerzenläden und noch mehr Brunch-Restaurants zu schaffen.

Ein paar Leute wollen die Innenstadt verändern—für sie bedeutet das, mit Geschäften Profit zu machen, die ein wahnsinnig hohes Langzeitrisiko bergen. Ich kann mir die Vorstandssitzungen richtig vorstellen: „Anstatt Kunst zu fördern oder was für die Obdachlosen in der Gegend zu tun, sollten wir alles für einen Parkplatz platt machen! Kunst ist kompliziert! Der Bau eines schäbigen Abklatsches von Downtown Disney ist da viel einfacher!“

Die Schulen sehen aus wie Gefängnisse 

Nevada steht auf der Liste der Inhaftierungsraten in den USA an 13. Stelle. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Schulen in Las Vegas Betonblöcke ohne Fenster sind, in denen die Temperaturen zwischen eiskalt und verdammt heiß hin und her schwanken. Ich erinnere mich daran, dass ich in der Schule immer dachte, dass ich dort aufs Gefängnis vorbereitet wurde. So fühlen sich die Schüler natürlich überall, aber erinnert deren Schulaufbau auch an einen Gefängnisblock? Die Klassenzimmer in meinem Schulbezirk waren so überfüllt, dass bestimmte Fächer in Containern ohne Klimaanlage auf dem Parkplatz unterrichtet wurden. An manchen Tagen wurde unser Dresscode für nichtig erklärt, weil die Kids sonst vor Hitze ohnmächtig geworden wären.

Anzeige

Mindestens ein Viertel meiner Arschloch-Schulkameraden ist auch wirklich im Knast gelandet—natürlich auch, wenn sie die Schule schon vorher abgebrochen hatten. Die Schulabschlussrate von Las Vegas ist mit 63 Prozent die Schlechteste des Landes. Das bedeutet, dass wir nicht nur von zukünftigen Kriminellen umgeben sind, sondern dass die noch nichtmal lesen können.

Das Wort „stilvoll“ existiert hier nicht 

Vor ein paar Tagen ging ich in den Sexclub eines Einkaufszentrums. Ich wollte vor allem mal diese Erfahrung machen, aber vielleicht auch ein Review im Internet schreiben und mich selbst ein bisschen besser fühlen. Mein Partner und ich betraten das Etablissement und ich sah etwas, was ich eigentlich nur als wahr gewordenen Traum Martin Luther Kings bezeichnen kann. Zwei riesige schwarze Frauen befanden sich in einem wie ein Verlies eingerichteten Raum—eine von ihnen lag dabei in Ketten, während die andere sich zwischen ihren Beinen austobte. Ungefähr 20 Männer verschiedenen Alters, verschiedener Rassen und mit verschiedenen Lebensgeschichten saßen oder standen um das Ganze herum und holten sich dazu einen runter. Als ich ein wenig Respekt für jede beteiligte Person (inklusive mir selbst) verlor, ertönte in meinem betrunkenen Verstand ein Teil von Dr. Kings Rede: „Denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen.“

Aber hey, immerhin wird Marihuana jetzt endlich legalisiert. Vielleicht werde ich ja doch eine Stripperin, kaufe mir ein Haus und schau dann, wo mich mein Leben hinführt. Das hat doch Stil, oder?

Was in Vegas passiert, bleibt auch in Vegas

Ob es nun für einen Junggesellenabschied oder für irgendeinen 21. Geburtstag ist: Jeder kommt her, um seine Hemmungen abzuschütteln und total durchzudrehen. Man nennt die Stadt nicht umsonst „Sin City“. Oft vergessen die Leute aber, dass hier immer noch das Gesetz gilt. Dieses Arschloch köpfte zum Beispiel aus purem Vergnügen ein Perlhuhn im Flamingo’s Wildlife Habitat. Man sagt „Was in Vegas passiert, bleibt auch in Vegas“, aber wenn du hier lebst, dann musst du immer das Chaos der Leute aufräumen, die die Stadt als ihren persönlichen Mülleimer betrachten.