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Jesus liebt dich sogar, wenn du besoffen 'Call of Duty' spielst

Jesus liebt bekanntlich nicht nur mich, sondern auch dich und sowieso alles und er würde auch gewalttätige Videospiele zocken, sagt die GameChurch.

Jesus liebt bekanntlich nicht nur mich, sondern auch dich und sowieso alles und jeden. Der Godfather aller verpeilten Hippies hat neuerdings aber auch ein ganz großes Herz für jene, die gerne mal eine Runde Call of Duty zocken. Das sagt zumindest Mikee Bridges, der Gründer von Gamechurch.com. Unter dem Motto „Jesus loves Gamers" beziehungsweise „Jesus loves you" wird auf Comic-Conventions und Gaming-Events wie der E3 oder der Gamescom versucht, die anvisierte Zielgruppe Nerd für das Christentum, oder besser gesagt Jesus, zu begeistern.

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In der Praxis sieht das dann so aus: auf einem kleinen Stand gibt es kostenlos Sticker mit Jesus-Motiv, Ansteck-Pins mit Jesus-Bild und eine an den Geschmack von Jugendlichen mit einer Aufmerksamkeitsspanne im Millisekunden-Bereich angepasste Mini-Bibel.

Als ich auf der Gamescom am Stand vorbeiging, dachte ich im ersten Moment an ganz nett gemachte Satire. Ein Gamechurch-Anhänger, der hinter einem Tisch voller Gamechurch-Merchandise saß, antwortete auf mein skeptisches „Is this serious?" trocken mit „Yes, of course". Scheiße, dachte ich, die meinen das ernst. Gleichzeitig fühlte ich mich auf dieselbe Art davon angezogen wie von Leuten, die Videospiel-Charaktere heiraten.

Als ich nach einem Ansprechpartner für ein Interview fragte, wurde ich an Mikee Bridges verwiesen, der wie ein stark tätowierter Vin Diesel aussieht, und die Game Church gegründet hat. Wir redeten kurz und einigten uns, dass wir am Folgetag ein kleines Interview machen würden. Mit der Game Church-Bibel ausgestattet, bereitete ich mich am Abend im Hotel auf das Interview vor und vermutete schon lupenreine Propaganda. Das zirka 140 Seiten umfassende Büchlein besteht großteils aus dem kompletten Johannes-Evangelium, da dieses das Leben von Jesus behandelt.

Zusätzlich gibt es eine Bibel-Zusammenfassung in 500 Worten, verpackt in Gamer-Slang und kurze "Strategy Guides" für Liebe, Scheidung, Sex, den Tod oder die Medien. Überraschenderweise sind die Tipps gar nicht mal so weltfremd wie ich eigentlich erwartet hatte. Als ich am nächsten Tag beim Interview-Termin Mikee erzählte, dass ich für VICE schreibe, kamen wir auf einen älteren VICE-Artikel über die Gamechurch zu sprechen. Nachdem er sich kurz darüber beschwerte, dass VICE nur Effekthascherei betreibt und vor allem am Trollen interessiert wäre, starteten wir mit dem Interview.

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VICE: Kannst du in wenigen Sätzen erklären was Gamechurch ist und was ihr macht?
Mikee Bridges: Wir gehen zu Videospiele-Messen, Comic-Conventions und anderen Events, die mit Nerd-Kultur zusammenhängen. Dort sagen wir dir, dass dich Jesus liebt und geben dir kostenloses Merchandise-Zeug. That's it. Das ist, was wir machen.

Wie finanziert sich Gamechurch?
Wir haben einen großen Geldgeber, der uns bei der Finanzierung unserer Büroräume und Mitarbeiter unterstützt. Gleichzeitig finanzieren wir uns auch durch Spenden und durch den Verkauf von T-Shirts und gedruckte Bibeln über unsere Webseite. Der Trip zur Gamescom wurde aber von uns selbst durch einen Spendenaufruf finanziert. Jeder von uns hat von Freunden und Familie etwas Geld gesammelt, um sich ein Flugticket kaufen und hier essen und schlafen zu können.

Ich habe auf eurer Webseite gelesen, dass ihr beziehungsweise du die positiven Aspekte des Christentums herausstreichen wollt und dass ihr die amerikanische Art dieser Religion nicht mögt. Was genau meint ihr damit?
Das amerikanische Christentum ist sehr verurteilend und wir können damit nichts anfangen. Wir wollen, dass die Menschen eine Message verstehen und zwar nur eine: Jesus liebt dich. Es ist egal, wer du bist, es ist egal, was du tust, es ist egal, wo im Leben du dich befindest. Gut, schlecht oder eklig—es ist egal. Jesus liebt dich.

Also ist Gamechurch eine Art christliche Splittergruppe? Oder wer sind die Leute, die euch unterstützen?
Wir sind eine Gemeinschaft. Es gibt einige von uns weltweit und wir teilen gemeinsame Interessen, zu denen Videospiele, Nerd-Kultur, Cosplay, Animes und so weiter gehören. Wir treffen uns online und hängen gemeinsam ab. Die meisten von uns gehen in irgendeine Form von Kirche, aber wir gehen raus und sagen dir, dass dich Jesus liebt.

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Also besteht Gamechurch aus Menschen, die unterschiedlichen christlichen Strömungen angehören?
Wir setzen uns aus ganz verschiedenen Menschen zusammen, über die ganze Welt verteilt. Manche sind sehr konservativ, andere sind sehr liberal und dann gibt es alles dazwischen. Aber alle teilen ein Ziel: Nach draußen zu gehen und anderen zu sagen, dass Jesus sie liebt. Anstatt sie zu verurteilen, sie zu tadeln, ihnen zu sagen, dass sie schlecht sind, ihnen zu sagen, dass Videospiele furchtbar sind, dass Tattoos schlecht sind, dass Alkohol zu trinken schlecht ist. Alles ist schlecht—doch so ist es nicht.

Du betreibst aber auch eine Anti-Porno-Webseite namens xxxchurch.com, die genau das macht: Pornos verdammen …
Ich betreibe die Seite nicht, aber gute Freunde von mir. Es sind sehr gute Freunde von Gamechurch, sie sind wie unsere Schwestern. Sie gehen zu Porno-Shows, sie gehen zu Messen der Porno-Industrie und machen exakt das Gleiche wie wir. Sie haben einen Stand und sie haben kostenloses Zeug. Sie verteilen gratis T-Shirts und sagen den Leuten, dass Jesus sie liebt—auf Porno-Shows.

Wir haben vor einiger Zeit gesehen, was xxxchurch.com macht und haben die komplette Idee für Videospiele gestohlen —nachdem wir von ihnen die Erlaubnis eingeholt haben. Wir haben sie auf einer Konferenz getroffen und sind sehr schnell sehr gute Freunde geworden. Ich liebe, was sie machen, aber ich wollte das gleiche mit einem anderen Fokus machen. Wir denken übrigens darüber nach, das Konzept auch auf Tattoo-Kultur zu übertragen.

Die Webseite von Gamechurch sieht aus wie eine gewöhnliche Videospiele-News-Seite und sagt dem Besucher, dass Videospiele cool sind. Die Seite von xxxchurch sieht aus wie eine Porno-Seite, sagt dem Besucher aber, dass er vom Porno-Konsum geheilt werden kann …
Ja, aber dort geht es um ganz andere Grundvoraussetzungen. Wenn du dich mit Porno-Industrie auseinandersetzt, stößt du auf Menschen, die süchtig nach Pornos sind—du hast Mädchen, die Opfer von Menschenhändlern werden. Videospiele sind eine ganz andere Welt. Wir setzen uns aber auch mit Sucht auseinander, denn da draußen sind Kids, die zu lange World of Warcraft spielen, es gibt Eltern, die nicht damit klarkommen, dass ihre Kinder Videospiele spielen. Auf unserer Webseite geht es aber hauptsächlich um Artikel über Videospiele. Wir denken, dass es bei Spielen um mehr als nur Spaß geht. Es geht um tiefgründige Geschichten, es gibt Lebensweisheiten, die man aus Spielen mitnehmen kann.

Wenn ich an Jesus denke, stelle ich mir eine Art Hippie-Typen vor, der überhaupt nicht an Gewalt interessiert ist und eher eine zweite Ohrfeige kassieren würde, als sich nach der ersten zu wehren. Bei Videospielen ist Rache aber ein sehr wichtiges Thema, in so gut wie jedem Action-Game ist der Wunsch nach Rache der Hauptmotivator für den Protagonisten oder die Protaginistin.
Der Punkt ist, wir haben unsere eigene Vorstellung davon, wer Jesus war und wie er drauf war. Ich denke nicht, dass er ein Hippie-Typ war und ich denke nicht, dass er eine zweite Ohrfeige kassiert hätte. Wenn wir uns den Kontext hinter der Person Jesus ansehen, wo er aufgewachsen ist, wie er aufgewachsen ist, sieht man einen Typen, der inmitten von Krieg und Gewalt aufgewachsen ist—in einem repressiven, autoritären Staat.Ich denke nicht, dass der Jesus, den die meisten vor Augen haben, der wirkliche, echte Jesus ist. Ich denke, wir müssen zurückblicken und uns ansehen, mit welchen Realitäten und Problemen Menschen damals zu kämpfen hatten. Und ich denke wirklich, dass Jesus sich hinsetzen und mit uns Videospiele zocken würde. Gewalttätige Videospiele oder friedfertige—das wäre ihm egal.

Welches Spiel würde Jesus gut finden?
Das Spiel, das du gerne spielst. Weil er mit dir abhängen will.