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Restaurant Confessionals

Du bist zwar der Gast, das Sagen habe aber trotzdem ich

Als Kellner muss man flexibel sein und auf die verschiedenen Erwartungshaltungen der Gäste eingehen können. Aber hör mal zu: Ich hab keine Angst vor dir. Du bist in meinem Haus und hier habe ich das Sagen.
Photo via Flickr user Tobias Goldkamp

Willkommen zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt.

Ein Kellner eines erstklassigen Restaurants in Philadelphia packt aus:

Als Kellner muss man flexibel sein. Die Leute kommen mit unterschiedlichen Erwartungen in das Restaurant und du musst in der Lage sein, egal was ihre Erwartungen sind, sie innerhalb der ersten zwei Minuten des Gesprächs mit den Gästen zu erfüllen. Für mich geht es darum, wie ich mein Service an die Bedürfnisse jedes Tischs anpassen kann.

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Ein Beispiel: An einem Abend kamen ein paar Typen in unser Restaurant. Sie waren alle Mitte 30, wahrscheinlich Investmentbanker—arrogant eben. Sie glauben, sie sind etwas Besseres als du. Du begrüßt sie, aber sie reden einfach weiter und ignorieren dich. Was machst du in so einer Situation? Lässt du dich einschüchtern und gehst wieder weg? Möchtest du wirklich diese Einstellung haben? Oder sagst du zu dir selbst, OK, das sind aufgeblasene Arschlöcher, aber das könnte auch ein richtig guter Tisch sein, weil sie Geld haben zum Ausgeben.

Ich habe keine Angst vor euch. Ich weiß nicht, für wen ihr euch haltet, aber ihr seid in meinem Haus.

Ich glaube, sie schätzen jemanden, der genug Eier hat und nicht vor ihnen zurückschreckt, wenn sie dich wie Luft behandeln. Meine Reaktion: Ich rede einfach so lange weiter, bis sie ihr Gespräch unterbrechen und mich mit genervten Blicken ansehen. Ich erwidere ihnen dann den Blick und schaue ihnen direkt in die Augen. Und mache einfach weiter mit meinem Geschwafel. Ich werde nicht wieder weggehen und später zurückkommen und so meine Zeit verschwenden. Ich habe noch sechs andere Tische, um die ich mich kümmern muss. Wenn ich also mit euch rede, dann hört ihr mir auch zu.

Bis zum Ende des Abends verhielten sie sich komplett anders, als noch am Anfang. Sie gaben mir über 20 Prozent Trinkgeld.

Ich habe keine Angst vor euch. Ich weiß nicht, für wen ihr euch haltet, aber ihr seid in meinem Haus. Ja, ihr seid meine Gäste—aber ihr müsst mich respektieren.

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Die wichtigste Eigenschaft eines Kellners ist, ein guter Verkäufer zu sein. Wir sind die Gesichter des Restaurants und die treibende Kraft, die direkt für das Einkommen sorgt.

Unser Ziel ist es, die Tische so schnell wie möglich abzufertigen, um jeden Tisch so oft wie möglich besetzen zu können und so viel Geld wie möglich zu machen. Es gibt ein Ranking unter den Kellnern nach Umsatz pro Person sowie weitere Wettbewerbe, zum Beispiel für den höchsten Spirituosen-Umsatz. Man befindet sich in einem permanenten Wettstreit.

Wenn ich eine großen Tisch bediene—sechs oder mehr Personen—dann biete ich ihnen ein Degustationsmenü an, weil das die bequemste Art ist, den Tisch schnell wieder frei zu bekommen. Man muss nicht für jeden einzelnen Gast eine Bestellung aufnehmen, das kann ansonsten schon mal fünf bis sechs Minuten dauern. Besonders wenn es der erste Besuch einer Gruppe ist, lässt sich das super verkaufen. Sie wissen nicht, was sie bestellen sollen und die Karte ist riesig. Also sage ich zu ihnen: „Keine Sorge. Das reicht für alle und wir können Euch ein Erlebnis bieten, ohne, dass Ihr dafür einen Finger rühren müsst. Wir haben für Euch eine Vorauswahl getroffen."

Wenn du merkst, dass sich Leute nicht auskennen und Angst haben, nur einen Blick in die Weinkarte zu werfen, dann ist es meine Aufgabe, ihnen die Richtung anzugeben. Man muss ganz bestimmt sein und darf keine Sekunde zweifeln.

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Wenn sie sich für à la carte entscheiden, dann übernehme ich die Kontrolle über die Situation. Ich schlage ihnen vor: „Ich empfehle Euch, mit einigen Vorspeisen anzufangen. Ich werde dafür sorgen, dass es für alle reicht." So habe ich ihnen automatisch zusätzlich etwas verkauft, ohne, dass sie es gemerkt haben. Dann sage ich: „Am besten bestellen Sie eine Vorspeise pro Person und drei bis vier Salate zum Teilen für den ganzen Tisch." In ihrem Kopf setzt sich dann sofort fest, So müssen wir es machen. Ein guter Kellner stellt das von Anfang an klar. Noch bevor sie einen Blick in die Karte geworfen haben, habe ich sie schon rumgekriegt.

Was die Getränke anbelangt, biete ich ihnen Wasser an und weise sie auf die Getränkekarte hin. Sie werden hineinschauen und, auch wenn sie gar nicht trinken wollten, werden sie jetzt darüber nachdenken—weil ich sie darauf hingewiesen habe.

Wenn ich merke, dass sich die Leute nicht auskennen und Angst haben, nur einen Blick in die Weinkarte zu werfen, dann ist es meine Aufgabe, ihnen die Richtung anzugeben. „Dieser Malbec ist großartig, dieser Malbec hier liegt ungefähr in der gleichen Preisklasse, er kostet vielleicht 15 Dollar [ca. 13 Euro] mehr." Dann erzähle ich ihnen etwas über die Geschichte des Weins, über den Jahrgang und das Klima in der Anbauregion. Ich beeindrucke sie mit meinem Wissen über Wein und sie werden sich sehr wahrscheinlich für den teureren entscheiden. Man muss man ganz bestimmt sein und darf keine Sekunde zweifeln.

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Der Verlauf des Abends ist unvorhersehbar. Manchmal fängt der Abend ganz langsam an und plötzlich ist um 21:00 Uhr wahnsinnig viel los. Dann denke ich mir automatisch eine Strategie aus, wie ich den Umsatz maximieren kann. Man muss Prioritäten setzen. Und man muss ruhig bleiben. Man muss einen klaren Geist bewahren, ansonsten fängt man an, Fehler zu machen und das bringt einen ins Schleudern. Wenn das passiert, ist es vorbei. Du gehst unter.

Die Leute erwähnen ihre Kellner auf Yelp. Sie könnten meinen Namen in die Rezension schreiben und das möchte ich vermeiden. Also tue ich alles, um mir den Rücken freizuhalten.

Das beste Geschäft machen wir, wenn ein Kongress in der Gegend stattfindet. Dann kommen viele Geschäftsleute ins Restaurant, die nicht aus der Stadt kommen. Sie suchen auf Yelp nach einem schicken Restaurant. Sie sind bereit, Geld auszugeben und sich beeindrucken zu lassen. Bei solchen Gästen ist es ein Kinderspiel, ihnen das Degustationsmenü zu verkaufen.

Wenn Leute an einem Wochenende noch nach 22:00 Uhr ins Restaurant kommen, mussten sie wahrscheinlich selbst lange arbeiten und meistens sitzt das Geld dann nicht so locker. Sie werden vermutlich sowieso nur einen Gang bestellen. Um diese Uhrzeit will ich das Restaurant auch einfach so schnell wie möglich verlassen, also habe ich keine Lust, meine Zeit an einem Tisch zu verschwenden, mit dem ich sowieso kaum Umsatz mache.

Manche brauchen ihren Kellner auch nicht wirklich. Sie erwarten sich gar nicht diese Art von Service. Solange sie bekommen, was sie wollen, sind sie zufrieden.

Wer ein guter Kellner sein will, muss in der Lage sein, nach einer üblen Situation zurück in die Arbeit zu finden. Man muss wissen, wie man sich wieder erholt. Man möchte vermeiden, dass ein Tisch das Restaurant unglücklich verlässt, weil sich das negativ auf den Ruf des Restaurants auswirken könnte. Die Leute erwähnen ihre Kellner auf Yelp. Sie könnten meinen Namen in die Rezension schreiben und das möchte ich vermeiden. Also tue ich alles, um mir den Rücken freizuhalten.

Ja, Geld ist wichtig. Aber wenn die Leute schon so viel Geld in einem Restaurant liegen lassen, für ein Erlebnis, an das sie hohe Erwartungen haben, dann sollten sie natürlich das Restaurant mit dem Gefühl verlassen, dass diese Erwartungen erfüllt wurden, wenn nicht sogar übertroffen.

Aufgezeichnet von Aaron Kase.