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Hacker eliminiert alle Kinderporno-Links von der beliebtesten Seite des Deep Web

Seit dem Hacker-Angriff auf das Hidden Wiki tobt unter den Darknet-Nutzern eine Auseinandersetzung um Zensur und grenzenlose Internet-Freiheit.

Das Deep Web ist einer der letzten Orte an dem sich das Internet noch wie der virtuelle Wilde Westen anfühlt: Bastion privater Kommunikation, Drogenumschlagplatz, und sogar Shopping-Treffpunkt für so analog-exotische Illegalitäten wie Elfenbein. Zugriff bekommst du auf das Deep Web durch Anonymisierungssoftware wie Tor.

Als jedoch kürzlich das Hidden Wiki gehackt wurde, trat dies auch eine kontroverse Auseinandersetzung um Fragen von Zensur und die Grenzen von Freiheit unter den Darknet-Nutzern los. Das Hidden Wiki galt lange als essentieller Startpunkt für Besuche im Deep Web und bot neben den anarchistischen Nachrichtenforen und den offen beworbenen Dealer-Spots auch eine Auflistung von Seiten, die kinderpornographisches Material anbieten.

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Nun war das Hidden Wiki von einem als Intangir bekannten Hacker übernommen worden, der auch die Seite Doxbin betreibt, die mit einem eher handlungsorientierten Selbstverständnis in Bezug auf Tor und das anonymisierte Zwiebel-Netzwerk aufwartet: Doxbin ist „Richter, Geschworener und Henker in einem für alle Angelegenheit, die mit dem Onionland zu tun haben." In einer Botschaft auf seiner Webseite schrieb Intangir, dass er unter bestimmten Bedingungen durchaus Mirror-Seiten unterstützten würde, die den Inhalt des Hidden Wiki in seinem Sinne spiegeln: „A: Verlinkt nicht auf Kinderpornoseiten. Und B: erlaubt ein Bearbeiten der Seite durch die Community."

In einer E-Mail erzählte Intangir von seinem Hack: „Die Möglichkeit dafür hat sich schlicht ergeben und ich habe sie wahrgenommen. Bei Doxbin ging es immer auch darum Leute mit schlechter OpSec [Abhör- und Hackingverteidigung] anzugreifen und zu entblößen." (Nebenbemerkung: Intangir wollte sein oder ihr Geschlecht nicht veröffentlicht sehen, aber ich werde im Folgenden einmal von einem „er" ausgehen.)

Als Grund für seine Entscheidung Kinderpornographie zu eliminieren, gab Intangir an, dass es sein Ziel gewsen sei, etwas Gutes zu tun und gleichzeitig zu entlarven, dass das Hidden Wiki furchtbare Sicherheitsmängel aufweist: „Meine Forderungen, die letztlich zu etwas Positivem führen sollen, haben die meisten Leute, die meine Seite verfolgen nicht von mir erwartet. Dass ließ die gute Tat nur zu einem noch größeren Spaß werden", sagte er.

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Oder wie er sich auf Twitter auszudrücken pflegte:

a tl;dr for those just tuning in: The Hidden Wiki had worse opsec than Dread Pirate Roberts, and I took its domain as a trophy. (1/2).

— DOXBIN (@OneTrueDoxbin) March 11, 2014

I then let everyone sweat it out for a day and used my control of THW onion as a bargaining chip to suppress CP links on HW clones. (2/2)

— DOXBIN (@OneTrueDoxbin) March 11, 2014

In 1 move, I did more to limit CP access than all the Twitter pedo hunters of the last 3 years. What have you done today?

— DOXBIN (@OneTrueDoxbin) March 11, 2014

Auch wenn es ziemlich schwer ist Kinderpornographie zu verteidigen, so wurde der Hackerangriff von einigen Anti-Zensur-Hardlinern kritisiert, die sich aus Prinzip gegen jede Form von Informationslöschung wenden.

In einem Beitrag auf /r/Tor schrieb ein reddit Nutzer: „Versteht mich nicht falsch, denn ich stimme zu, dass der Missbrauch von Kindern, die zu jung sind um bis 100 zu zählen, ekelerregend ist, aber es gab einfach zu viele Fälle von heldenhafter Rhetorik „für die Kinder", die schädlich waren." Der Nutzer verwies auf Programme wie den Porno-Filter in Großbritannien, der von Anfang an ein völliger Reinfall war. Fairerweise sollte angemerkt werden, dass der subreddit-Beitrag ungefähr die selbe Anzahl positiver wie negativer Stimmen aufweist.

Der Reddit-Kritiker schrieb, dass es am Ende des Tages um die „Freiheit von Tor geht."

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Der Nutzer mit dem schönen Namen WillieLikesMonkeys ist mit seiner Meinung nicht alleine. Am Dienstag gab die Hidden Wiki Mirror-Webseite, die bisher als Hauptalternative benutzt wurde und für die auch Doxbin geworben hatte, bekannt, dass sie keine Links zu Kinderpornographie mehr auflisten werde. Sie baten ihre Nutzer dabei auch nicht wütend zu werden und das ganze nicht als Zensur wahrzunehmen:

Eine kleine Notiz auf einem anderen Teil der Seite wiederum beklagt den Wandel, und wirbt für ein separates Wiki:

Gestern hieß es dann in einer Botschaft auf der Seite:

You're being exaggerated
This wiki is a clone from the one you seem to adore.
The only difference is the hard candy section. Even Jailbait remains.
So please, stop complaining about your pedo thing.

Laut Intangir hat der neue Betreiber des Hidden Wiki Mirror sogar vorgeschlagen Kinderpornographie-Links von seiner Seite zu löschen, wenn er im Gegenzug wieder einen erneuten Zugriff zu der gehackten Seite bekäme.

„Was die Löschung der Kinderporno-Links angeht, hatte ich ohnehin vor Anfragen zu stellen und abzuwarten, was passiert. Aber er kam zu mir und drückte in einer seiner ersten E-Mails seinen Willen aus die Kinderporno-Links loszuwerden", schrieb Intangir. „Er wollte den private_key, aber den würde ich niemals hergeben. Es kam nicht wirklich zu Verhandlungen, und er sagte mir sogar, dass es für ihn ok sei, wenn unsere E-Mails öffentlich würden."

Dennoch zeigt der ursprünglich veröffentlichte entschuldigende Hinweis,  dass einige Nutzer durchaus enttäuscht von der Entwicklung sind, dass sogar das Hidden Wiki in seiner Freiheit begrenzt ist. Intangir dagegen sagt, dass ihm solche Bedenkenträger ziemlich egal sind.

„Was ich an diesen ungewaschenen Nerds, die sich über Zensur beschweren, mag, ist, dass jedes Mal wenn jemand ihre Seiten und Dokumente enthüllt und angreift, sie meine Inbox spamen mit Sachen wie: ‚NIMM DAS WIEDER RUNTER; INTERNET FREEDOM ETC.' Ich füge das Rumgeheule einfach zu den gehackten Dokumenten hinzu und mache mich über sie lustig", schrieb er. „Und wenn jemand eine pro-NSA Seite zum Wiki hinzufügt, dann sind sie wahrscheinlich die ersten, die sie editieren oder zumindest die Kommentarseite mit Forderungen überschwemmen, sie abzuschalten. Und gleichzeitig sind Kinderporno-Links für sie in Ordnung."