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Heulsuse der Woche

iPhone-Nutzer auf der ganzen Welt brechen in Panik aus, weil jemand sein Telefon verbogen hat, und die evangelische Kirche feuert eine Krankenschwester, weil sie Kopftuch trägt.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertig werden.

Heulsuse #1: Die evangelische Kirche

Ob die Art Kopftuch wohl in Ordnung ist? Foto (Ausschnitt): Timothy Krause | FlickrCC BY 2.0

Der Vorfall: Eine muslimische Krankenschwester in einer evangelischen Klinik wollte Kopftuch tragen.

Die angemessene Reaktion: Nichts.

Die tatsächliche Reaktion: Die Klinik stellt sie frei, weil sie „der Glaubwürdigkeit der Kirche“ schade.

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Eine Krankenschwester, die nach längerer Elternzeit wieder ihre Stelle in einer evangelischen Klinik in Bochum aufnehmen wollte, wurde freigestellt—weil sie bei der Arbeit ein Kopftuch tragen wollte. Die Klink begründete das unter anderem damit, dass die Zurschaustellung einer anderen Glaubenszugehörigkeit der „Glaubwürdigkeit der Kirche“ schade. Obwohl die evangelische Kirche die Klinik nicht finanziert, ist sie trotzdem der Träger und genießt damit Vorteile beim Arbeitsrecht. Das bedeutet im Klartext: Kirchliche Einrichtungen dürfen Bewerber aufgrund ihres Privatlebens oder ihrer Überzeugungen diskriminieren, während das auf dem normalen Arbeitsmarkt schon lange verboten ist.

Die Schwester zog dann vors Arbeitsgericht, bekam in erster Instanz Recht, in zweiter nicht, schließich wurde der Fall am Mittwoch vom Bundesarbeitsgericht entschieden—gegen die Muslima. Kirchliche Einrichtungen dürfen ihren Angestellten „Neutralität“ verordnen, entschied das Gericht.

Das Gericht entschied aber auch, dass man jetzt klären müsse, ob ein christlich geführtes Krankenhaus überhaupt als kirchliche Einrichtung gelten kann, oder eben doch in erster Linie ein Krankenhaus ist. Das würde bedeuten, dass dieser Fall die evangelische Kirche doch noch die Oberhoheit über die ideologische Ausrichtung ihrer Klinikangestellten kosten könnte.

Heulsuse #2: Alle iPhone-6-Käufer, die sich jetzt wegen #bentgate aufregen

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Der Vorfall: Ein Typ hat ein Video hochgeladen, auf dem er sein neues iPhone 6 Plus verbiegt.

Die angemessene Reaktion: Sich darüber wundern, dass der Typ genug Geld für sowas hat.

Die tatsächliche Reaktion: Massenpanik bricht aus, Menschen bombardieren Apple mit hysterischen #bentgate-Tweets, alle Tech-Seiten der Welt stürzen sich in wilde Spekulationen über die Biegsamkeit von Aluminium.

Natülrich war der ganze Rummel um das neue iPhone und diese Uhr, mit der man sich unterhalten kann, entsetzlich nervig. Man kann also verstehen, dass die kollektive Psyche nur darauf gewartet hat, sich irgendwie an Apple dafür zu rächen, dass sie die halbe Weltbevölkerung zu sabbernden Idioten degradiert haben, die ihnen unbedingt ihr neues Telefon abkaufen wollen.

Es hätte ja auch guten Grund gegeben: Das erste Update für das neue Betriebssystem zum Beispiel war so scheiße, dass Apple es nach wenigen Stunden wieder zurückgezogen hat. Das Internet entschied sich aber für etwas viel Dümmeres: #bentgate. Das ganze fing an, als ein Apple-Jünger ein Foto von seinem verbogenen iPhone 6 Plus ins Netz stellte. Als nächstes kam das Video von einem Typen namens Lewis Hilsenteger, und die Panik war perfekt. Mittlerweile wurde aber bekannt, dass es bis jetzt nur neun Beschwerden wegen verbogener Telefone gegeben habe—obwohl bereits an die 10 Millionen Stück verkauft worden sind. Apple hat trotzdem reagiert, indem sie ein paar Journalisten in ihr Testlabor eingeladen haben, wo sie routinemäßig iPhones quälen.

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Lewis Hilsenteger ist bei dieser ganze Geschichte der Gewinner—sein Video wurde mittlerweile von über 32 Millionen Menschen gesehen. Die FAZ schätzt, dass er jetzt schon über 100.000 Dollar Werbeeinahmen damit verdient hat. Und wenn das jetzt dazu führt, dass sich Tausende Menschen das nächste iPhone nur kaufen, um es dann vor der Kamera kaputt zu machen, dann wäre das natürlich auch irgendwie geil.

Wer ist die größere Heulsuse?

Letzte Woche: Die homophoben Niedersachsem gegen die Moschee-fürchtenden Einwohner des Örtchens Lahr.

Der Gewinner: Die homophoben Niedersachsen!