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Warum es überfällig ist, dass Obama Manning nach 7 Jahren endlich freilässt

Auch wenn die Haftzeit der Whistleblowerin nach sieben Jahren unmenschlicher Behandlung stark verkürzt wurde, macht dies nicht die Menschenrechtsverletzungen der letzten Jahre wett.

Bild: Molly Crabapple

Chelsea Manning wird bald frei sein. Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat die Haftzeit der Whistleblowerin drastisch verkürzt. Dadurch schließt Obama in letzter Sekunde eines der düsteren Kapitel der Menschenrechtsverletzungen, das während seiner Amtszeit geschrieben wurde.

Manning, die 2010 für den Leak vertraulicher Dokumente an Wikileaks verurteilt wurde, soll nun bereits im Mai vorzeitig aus der Militärhaft frei kommen. Die Liste an Vergehen, die sie über das US-amerikanische Militär und Diplomaten an die Öffentlichkeit brachte, ist lang und zählt zu den explosivsten Enthüllungen, die jemals auf der Whistleblower-Plattform Wikileaks veröffentlicht wurden: Darunter sind Informationen, dass das US-Außenministerium sich vehement gegen eine Mindestlohnerhöhung in Haiti einsetzte, dass amerikanische Beamte dazu angehalten wurden, Hinweise auf Kindesmissbrauch durch Auftragnehmer in Afghanistan zu vertuschen und dass die ägyptische Regierung Folter-Training in einer FBI-Einrichtung in Virginia erhielt.

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Für diese Leaks wurde Manning zu 35 Jahren Haft im Militärgefängnis für Männer in Fort Leavenworth in Kansas verurteilt. Der Kampf der Transgender-Whistleblowerin für eine angemessene Behandlung ihrer Geschlechtsdysphorie und eine Verlegung in ein Frauengefängnis war lang, kontrovers und sogar lebensbedrohlich. Im September 2016 war Manning aus Protest gegen die aus ihrer Sicht unfaire Behandlung durch die Regierung in den Hungerstreik getreten. Im Gefängnis war sie zuvor dazu gezwungen worden, die für männlich Gefangene übliche Kurzhaarfrisur zu tragen. Außerdem wurden ihr zwischenzeitlich Medikamente für ihre Hormontherapie verweigert.

Während ihrer Inhaftierung unternahm Manning wegen unzureichender Behandlung ihrer Gender-Dysphorie zwei Suizidversuche. Ende letzten Jahres stimmte die US-Regierung endlich einer operativen Geschlechtsanpassung zu. Ein UN-Beauftragter für Folter hatte Mannings Haftbedingungen zuvor als „grausam und unmenschlich" verurteilt.

„Ich brauche Hilfe. Aber ich bekomme keine. Ich habe über sechs Jahre lang in fünf verschiedenen Einrichtungen immer und immer wieder um Hilfe gebeten", schrieb Manning, bevor sie in den Hungerstreik trat. „Meine Bitten wurden lediglich ignoriert, vertagt und verspottet. Ich habe nur leere Versprechungen vom Gefängnis, dem Militär und der Regierung erhalten."

Mannings Anwälte betonten, dass ihr Leben in den Händen von Obamas Regierung läge. Erst vergangene Woche schrieb ihr Anwalt in einem Brandbrief, dass ihre Überlebenschancen für ein weiteres Jahr sehr schlecht aussähen.

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Evan Greer, der sich als einer der Organisatoren von Fight for Future für die Freilassung Mannings einsetzte, erklärte gegenüber Motherboard noch kurz vor Mannings Strafverkürzung, dass viele von Mannings Vertrauten die düstere Sicht ihres Verteidigers teilten. „Ich möchte keine Wetten auf das Leben einer Freundin abschließen, aber ich bin sehr besorgt darüber, was passieren wird, wenn Präsident Obama jetzt nicht handelt." Diese Besorgnis scheint nicht unbegründet: 2010 hatte Donald Trump geäußert, dass Personen, die Dokumente an Wikileaks weiterleiten, seiner Meinung nach die Todesstrafe verdient hätten.

Greer glaubt, dass Obama im Fall Manning handeln musste. Ein Versäumnis hätte ansonsten für immer einen Schatten auf die Regierungszeit eines Präsidenten werfen können, „der ansonsten so tat, als ob er sich für Menschenrechte und LGBT-Rechte interessiere."

Auch wenn ihre vorzeitige Freilassung sehr wohl das Leben der Whistleblowerin gerettet haben könnte, sind Menschenrechtsgruppen der Meinung, dass ihre desaströse Behandlung im krassen Gegensatz zu den Werten steht, für die Obamas Regierung eigentlich steht.

„Die heutige Meldung kann das Übel nicht wieder gut machen, das unter Obamas Führung geschehen ist", erklärte Sarah Harrison, Leiterin der Menschenrechtsorganisation Courage. „Chelseas Verurteilung zu 35 Jahren Haft in Berufung auf den Espionage Act hat einen schrecklichen Präzedenzfall geschaffen, der auch durch ihre Freilassung nicht rückgängig gemacht wird. Wer kann schon sagen, was Donald Trump aus diesem Präzedenzfall machen wird und der damit verbundenen Macht, die Obama ihm hinterlassen hat?"

Tatsächlich war die Obama-Regierung in den letzten Jahren sehr hart gegen Whistleblower wie Manning vorgegangen. Obama verfolgte unter dem Espionage Act, einem Gesetz, das noch aus dem 1. Weltkrieg stammt, mehr Informanten strafrechtlich als alle anderen Regierungen vor ihm zusammen. Ein düsterer Rekord für einen Präsidenten, der sogar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Die Verkürzung von Mannings Haftstrafe kann diese Bilanz nicht nach unten korrigieren—aber sie könnte sehr wohl ein Leben retten.