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Klimawandel

Teufelskreis—Massentierhaltung erwärmt unser Klima, worauf Tiere nicht die geringste Lust haben

Das von Wiederkäuern ausgestoßene Treibhausgas ist für die Klimaerwärmung mitverantwortlich. Noch dazu wirken sich die steigenden Temperaturen negativ auf den Appetit und Fortpflanzungstrieb von Tieren aus. Die Situation ist verflixt, die Folgen...
Photo via Flickr user Julian Stallabrass

Viele Tiere mögen es überhaupt nicht heiß. Neue Studien zeigen, dass sich steigende Temperaturen negativ auf den Appetit und den Fortpflanzungstrieb von Rindern, Schweinen, Hühnern und Co. auswirken. Da wird es Bauern natürlich alles andere als erfreuen, dass das letzte Jahrzehnt das heißeste seit Aufzeichnungsbeginn gewesen ist. Schließlich hängt ihr Lebensunterhalt von der Gesundheit und (sexuellen) Frische ihrer Tiere ab.

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„Wir haben es mit einem echten wirtschaftlichen Problem zu tun", erklärt uns Allison M. Chatrchyan, der das Zentrum für Klimawandel und Landwirtschaft an der Cornell University leitet. An dieser Forschungseinrichtung im US-Bundesstaat New York tüfteln Wissenschaftler an neuartigen Methoden, um landwirtschaftlichen Betrieben bei der Anpassung an ein wärmeres Klima zu helfen. „Wenn Kühe unter Stress leiden und dadurch ihr Fortpflanzungsverhalten in Mitleidenschaft gezogen wird, wird sich das natürlich auch in der Jahresbilanz niederschlagen."

In einem umfangreichen Bericht des amerikanischen Ministeriums für Landwirtschaft aus dem Jahr 2013 heißt es, dass bei Tieren, die unter sogenanntem Hitzestress leiden, die körperliche Aktivität dramatisch abnimmt. Betroffene Tiere würden dann nicht nur weniger grasen oder mit ihren Artgenossen spielen, sondern sich vor allem auch weniger fortpflanzen, um so ihre Körpertemperatur im Zaum zu halten. Und Dr. Norman Gibson zufolge, der in der Karibik zum Thema Viehzucht forscht, sei bei Kühen der Region eine verminderte Spermienanzahl beobachtet worden.

Einbußen bei der Fleischproduktion könnten für die Volkswirtschaften von Entwicklungsländern katastrophale Folgen haben. So wird auch im Klimabericht des US-Landwirtschaftsministeriums deutlich, dass die Viehwirtschaft einen „wesentlichen Beitrag zur ländlichen Wirtschaft der betroffenen Regionen leistet." In manchen Entwicklungsländern belaufen sich die Einnahmen aus Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetrieben auf bis zu 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

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In reicheren Ländern wie den USA wird versucht, mit neuartigen Ansätzen eine ausreichende Kühlung der Tiere sicherzustellen. Dabei kommen unter anderem riesige Ventilatoren, Berieselungs- sowie Klimaanlagen zum Einsatz, um die Kuhställe mit Kühlluft zu versorgen. Davon können Viehwirte in armen Ländern natürlich nur träumen. Dort fehlt es schlichtweg am Geld, um in solche Systeme zu investieren oder um auch nur Feasibility-Studien zu finanzieren.

„Bei Kühlsystemen dieser Art lautet die wichtigste Frage: Machen sie überhaupt wirtschaftlich Sinn?", so Chatrchyan. „Würden sich die Mehrkosten, die durch einen höheren Energieverbrauch entstehen, am Ende rentieren?"

Dennoch sind diese Kosten Peanuts, wenn du sie im Verhältnis zur Gesamtheit der Fleischindustrie betrachtest. Die ist kurioserweise selbst für die Klimaerwärmung mitverantwortlich. Jahr für Jahr stoßen die rund 3,6 Milliarden Wiederkäuer auf unserem Planeten (also Kühe, Ziegen, Schafe und Ochsen) rund 80 Millionen Tonnen Methan aus, ein zerstörerisches Treibhausgas mit einem unverhältnismäßig hohen Anteil am Klimawandel. Denn seine Treibhauswirkung ist 21 Mal größer als die von CO2. Darum ist auch der Versuch, Kühe mit Kühlsystemen zu schützen, von vornherein ein verlorenes Unterfangen, da es die Kühe selbst sind, die die Klimaerwärmung mitverschulden.

Schon bald werden immer mehr Bauern vor die Frage gestellt werden, ob ihr Geschäft überhaupt noch rentabel ist. Zu allem Übel verändert Hitzestress auch den Stoffwechsel von Nutztieren und führt neben der Tatsache, dass sie weniger essen, außerdem zu einer verlangsamten Aufnahme von wichtigen Nährstoffen. Darum dauert es heutzutage immer länger, bis Nutztiere geschlachtet werden können. Laut dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium wird bei Schweinen das Erreichen der Schlachtreife bis 2040 durchschnittlich 1,5 Tage länger dauern, was Schweinefleischerzeugern jedes Jahr Kosten in Höhe von 4 Millionen Euro verursachen könnte. Bei Rindfleisch sehen die Prognosen noch düsterer aus: Hier drohen Verluste von fast 30 Millionen Euro per annum.

Doch nicht nur ums Fleisch müssen sich viele Landwirte Sorgen machen: Hitzestress führt auch zu einem signifikanten Qualitätsabfall und Mengenrückgang bei Kuhmilch. „Das Schlimmste steht uns noch bevor, auch wenn die hitzebedingten Folgen bei Milchkühen schon heute spürbar sind", so Chatrchyan abschließend.

Eigentlich haben wir ja nichts gegen heißes Treiben. Da haben wir die Rechnung aber ohne den (leidgeplagten Vieh-)Wirt gemacht.

Oberes Foto: Julian Stallabrass | Flickr | CC BY 2.0