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"Anzeige ist raus": Das denkt Toto über den Satz, der ihn berühmt gemacht hat

Ein Meme hat ihn zum wohl bekanntesten Polizisten Deutschlands gemacht: Im Gespräch mit Motherboard erzählt Toto von 'Toto & Harry' was er von seinem Ruhm hält – und ob Beamte so einen Satz überhaupt sagen.
Totos Blick in dem Meme-Bild ist längst legendär | Bild: Screenshot Meme Generator

Die Phrase ist so Deutsch, es fühlt sich an, als hätte schon Goethe sie benutzt: "Anzeige ist raus". Wenn der Lieblingsparkplatz besetzt ist: "Anzeige ist raus". Wenn der Kollege den Joghurt geklaut hat: "Anzeige ist raus". Wenn der Adel in Weimar Reformen verhindern will: "Anzeige ist raus". Ein Satz für die Ewigkeit. Er drückt Ärger aus – aber höflich und distanziert. Und er drückt ein klischeehaft deutsches Vertrauen in eine Autorität aus, die von oben angemessene Strafen verteilt. Der Ursprung des Satzes sind zwei moderne deutsche Dichterfürsten und Universaltalente. Sie heißen: Toto & Harry.

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Die Meme-Karriere von Toto & Harry begann vor über 17 Jahren in Bochum. Es gab kein YouTube, auf dem die beiden Streifenpolizisten Vlogs über ihre Arbeit machen konnten, kein Twitter, auf dem sie sich mit Rappern hätten anlegen können, keine Instagram-Stories, in denen sie ein herzliches GuMo an ihre Follower schicken könnten. Alles, was Toto & Harry hatten, war Sat.1. Der Fernsehsender entdeckte die beiden Beamten 2001 bei einer Doku über Polizeiarbeit in Bochum. Die Art der beiden Kollegen – ruppig, aber irgendwie auch lieb, und gesegnet mit einem unzerbrechlichen Vertrauen in Polizeiarbeit und das Gute der Menschen im Ruhrpott – machte sie sofort interessant für weitere TV-Auftritte.

Zwischen 2001 und 2009 gehen sie 80 Mal im Fernsehen auf Streife. In den Sendungen klären sie Streit unter Nachbarn und bringen Betrunkene in die Ausnüchterungszelle. Sie werden bekannt als "Deutschlands TV-Cops", gehen 2014 sogar für eine Doku-Staffel ins Ausland – und fangen in Florida einen Alligator. So sehr dominieren sie das Bild des Polizisten in Deutschland, dass das Duo aufgebrochen wird, wie damals die WAZ berichtete. Sie gingen demnach nicht mehr zusammen auf Streife, es habe Zerwürfnisse mit Kollegen gegeben. Zwei Jahre später trennen sich die Wege von Toto und Harry endgültig. Harry, das erzählte Toto damals in Interviews, hätte gesundheitliche Probleme gehabt und wollte weg vom TV-Ruhm und einem Leben in der Öffentlichkeit.

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Wie der Spruch "Anzeige ist raus" berühmt wurde

Foto von Toto und Harry in einem Fußballstadion

Die Polizisten Toto & Harry bei einem Stadionbesuch beim VfL Bochum | Bild: Reichwein | Imago

Heute ist vom Ruhm wenig übrig: Toto & Harry sind Relikte einer vergangenen TV-Generation. Doch Meme-Kultur und Sprache beeinflussen sie bis heute. Das hat wenig zu tun mit Alligatoren und besoffenen Bochumern – sondern mit einem Bild und einem Spruch. Toto mit Funkgerät, verkniffene Augen, Blick in die Ferne. Auf dem Bild steht in klassischer Impact-Meme-Schrift: "Anzeige ist raus".

Über den Ursprung in einer deutschen Polizei-Sendung wissen jedoch viele nicht Bescheid. Auf gutefrage.net etwa gibt es immer wieder Fragen, woher der Spruch kommt. Es sei ein "Insider-Witz von KuchenTV" heißt es in einer Antwort. Nein, heißt es von anderen Internet-Detektiven, das sei natürlich ein Witz von den YouTubern Elotrix und MontanaBlack88 gewesen.


Ebenfalls auf Motherboard: Für ein wenig Internet-Ruhm isst Shoenice22 alles


Fakt ist: Die genannten YouTuber können durchaus zur Verbreitung des Memes beigetragen haben. Doch die Worte fallen in der Sendung selbst. Das Bild dagegen stammt wohl nicht aus der Serie, sondern muss ein Pressebild gewesen sein. Die Google-Bildersuche findet es das erste Mal in einem Quiz über Toto & Harry im Jahr 2012. Die ersten Memes entstehen aber erst zwei Jahre später in einem Schweizer Drogenforum und einem eskalierten Thread über Ponys. Wenig später klebt der YouTuber Elotrix tatsächlich sein Bild über das Meme – und bringt auf diese Weise einen Spruch zu einer jungen Zielgruppe, der zu diesem Zeitpunkt bereits eine Dekade alt ist.

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Dann kommen die Meme-Seiten. In einem Meme-Generator taucht "Anzeige ist raus" zum ersten Mal am 14. März 2015 auf. Danach geht das Meme steil: Mittlerweile findet die umgekehrte Google-Bildersuche in 0,8 Sekunden um die 89.400.000 Ergebnisse. Doch wie der 55-jährige Torsten "Toto" Heim, der Mann mit dem Funkgerät, seine unerwartete Karriere als Meme-Star findet, war bisher nicht bekannt. Wir erreichen ihn am Telefon und haben ihn gefragt, was er von seinem Beitrag zur deutschen Internet-Geschichte hält.

Motherboard: Kennen Sie das Meme mit dem Funkgerät?

Torsten 'Toto' Heim: Anzeige ist raus? Klar, das kenne ich seit mindestens zwei, drei Jahren. Ich weiß aber gar nicht, wer das gemacht hat. Irgendjemand hat das mal bei mir auf der Facebook-Seite gepostet. Dann habe ich das auch gelikt.

Die ursprüngliche Version des Memes, mit dem Toto berühmt wurde | Bild: Screenshot Meme Generator

Ich finde das witzig und man muss ja auch über sich selber lachen können. Da muss man nicht gleich mit dem Anwalt kommen, weil da einer mein Foto verwendet hat. Das ist was ganz anderes, als wenn jemand schreibt: 'Fick dich ins Knie!' oder so etwas.

Sagen Polizisten so etwas überhaupt?

Also ich habe diesen Ausspruch irgendwann in einer Sendung getätigt. Genauso, wie ich mal aus dem Bauch heraus gesagt habe: "Wissen Sie in welcher Stadt Sie hier sind? Hier herrscht Recht und Ordnung, wir sind hier in Bochum!", als ein paar Randalierer Mülleimer und Weihnachtsbäume umgeschmissen haben und wir sie an die Wand gestellt haben zum Durchsuchen. Monate später muss man das dann vom Polizeipräsidenten genehmigen lassen, da wusste ich das schon gar nicht mehr.

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Wann ich "Anzeige ist raus" gesagt habe, weiß ich nicht mehr genau. Das sind jedenfalls so Sprüche, die schnappen die Leute auf und machen etwas Lustiges draus. Das finde ich gut.

Was machen Sie, seit "Toto & Harry" ausgelaufen ist?

Ich gehe normal arbeiten und habe später Nachtschicht. Seit 37 Jahren mache ich 41 Stunden die Woche im Wechseldienst: Nacht, früh, spät. Ich habe mich nie freistellen lassen.

Foto von Toto und Harry am Schreibtisch

Torsten Heim und Thomas Weinkauf erledigen Papierkram in der SAT 1-Serie 'Toto & Harry' | Bild: Jochen Tack | Imago

Außerdem bin ich noch Botschafter von einem Kinderhospiz. Mit Ralf Möller und Ingo Anderbrügge bin ich bei den Ruhrpotthelden unterwegs. Dazu kommen Sicherheitsvorträge in Einkaufszentren und mein Comedyprogramm mit Horst "Hotte" Freckmann. Demnächst werde ich für einen Internetfernsehsender eine Serie drehen, die ähnlich wird wie Blaulicht-Report. Da brauchen wir noch Sponsoren.

Wie geht es dem Kollegen Thomas 'Harry' Weinkauf, der sich krankheitsbedingt aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat?

Der hatte so etwas Tinnitus-mäßiges. Dann hat er sich vorheriges Jahr das Schien- und Wadenbein gebrochen, das ist dann verheilt, aber dann ist eine Schraube gebrochen. Also der hatte schon einiges Pech in letzter Zeit. Aber ich hab ihn neulich getroffen, er ist schon wieder im Dienst.

Kennen Sie auch das Meme "Anzeige wird bearbeitet" mit der Currywurst?

Klar, das finde ich witzig. So etwas muss man mit Humor nehmen.

Toto und Harry auf dem Meme

Was finden Sie im Internet nicht mehr witzig?

Ich habe mich angeblich mal mit einem Studenten angelegt, da ging es um das Logo von 'Toto & Harry'. Der hat unseren Namen, den ich als Marke geschützt habe, auf Facebook benutzt. Dann habe ich ihm nett geschrieben, ob er das nicht lassen kann. Dann hat der sich an den Focus gewandt. Die haben dann seine Version aufgeschrieben – und mich haben sie gar nicht gefragt. Jetzt würde ich bei so etwas direkt zum Anwalt gehen wie jeder andere auch.

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