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Die Griechen, die nichts zu verlieren haben

Wir haben zwei 22-Jährige getroffen, die der Meinung sind, dass das Ergebnis des Referendums keine großen Auswirkungen auf ihr Leben haben wird.

Wenn man eine Umfrage durchführen würde, welche zwei Wörter von der griechischen Gesellschaft in den letzten 24 Stunden viel zu oft gebraucht wurden, dann wären das mit Sicherheit: Ja und Nein.

Alle diskutieren auf widersprüchliche Art und Weise über die Vorteile der beiden möglichen Ergebnisse des Referendums am Sonntag. Mittlerweile hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass in jedem Fall schwierige Zeiten bevorstehen werden und der Ausgang des Referendums keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Leben der Griechen haben wird.

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Wir haben mit zwei Frauen gesprochen, die nichts zu verlieren haben und glauben, dass sich ihr Leben nach dem Referendum kaum verändern wird.

Elina, 22 Jahre, Linguistikstudentin

Fotos: Dimitris Michalakis

Ich traf Elina in der Nähe ihres Zuhauses bei der Akropolis. Elina wohnt bei ihrem Vater und obwohl die Gegend eine der schönsten Athens ist, versichert sie mir, dass das einfach Glückssache ist. „Die meisten Leute glauben, dass wir hier in der Gegend keine Probleme haben, aber das stimmt nicht. Wir leben einfach nur in einem schönen Viertel. Und wie die meisten jungen Menschen in meinem Alter gehöre ich zur Generation der potentiell Arbeitslosen", sagt Elina, als wir uns zu ihrem Haus aufmachen.

VICE: Was glaubst du, wird ab Montag passieren? Wir wird sich das Ergebnis des Referendums auswirken?
Elina: Ich denke, es wird sich, zumindest unmittelbar, nichts ändern. Ich glaube, wir werden keine großen Unterschiede sehen. Allgemein blicke ich aber optimistisch in die Zukunft. Dieser Optimismus stützt sich zwar auf nichts Bestimmtes, aber ich habe keine andere Wahl. Wir werden nicht hier rumsitzen und warten, bis wir Krebs bekommen. Ich versuche, optimistisch zu bleiben.

Glaubst du, dass eine der beiden Entscheidungen besser ist?
Für mich sind die beiden Optionen wie Scylla und Charybdis. Ich weiß nicht, welche die richtige Wahl ist. Ich weiß nicht einmal, ob es überhaupt eine richtige gibt.

Wirst du also nicht abstimmen?
Einerseits sollte ich nicht abstimmen, wenn ich nicht der Meinung bin, dass sich dadurch irgendetwas ändern wird. Aber ich tendiere zu einem Nein, obwohl ich mit meinem Wissensstand nicht argumentieren kann, wieso ich mich so entscheiden würde. Auch Leute, die besser informiert sind, können das nicht. Aber aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, dass es die bessere Wahl ist.

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Wieso sagst du das, wenn du eigentlich glaubst, dass sich nichts ändern wird?
Weil ich es satt habe, dass wir uns immer allem beugen und alles akzeptieren, was uns Europa diktiert. Leute mit mehr Verantwortung als ich können sich nicht weiterhin immer fügen. Wenn die Dinge, von denen in Fernsehdiskussionen gesprochen wird, wirklich eintreten, dann steht uns eine schlimme Zeit bevor—egal, ob wir uns für Ja oder Nein entscheiden.

Ist deine Entscheidung also mehr eine Frage des Egoismus?
Ja. Ich glaube weiterhin, dass wir aus dem Referendum keinen praktischen Nutzen ziehen werden. Europa wird nicht sagen: „OK, wir waren zu streng mit euch. Aber weil ihr es euch so sehr wünscht, lassen wir euch in Ruhe." So kann es nicht weitergehen. Als wir das erste Memorandum unterzeichneten, hieß es, es wäre, um all das zu vermeiden, was dann eintrat. In beiden Fällen wird das Ergebnis ein schlechtes sein, so viel weiß ich.

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Was ist dann die Lösung? Wenn Ja und Nein wie Scylla und Charybdis sind, sollten wir beides ablehnen. Gibt es deiner Meinung nach eine dritte Option?
Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie man über Wirtschaft und Politik spricht, aber wer tut das schon. Jeder hat seine eigene Meinung und jeder hält sich für unfehlbar, aber im Grunde weiß es keiner. Die ideale Lösung wäre, wenn man unsere Schulden herabsetzen würde, schätze ich. Das Tollste wäre, wenn ich einfach zu den europäischen Politikern nach Hause spazieren und ihnen so viel Angst machen könnte, dass sie uns unsere Schulden erlassen. Aber das ist ungefähr so realistisch wie ein positives Ergebnis des Referendums.

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Anastasia, 22 Jahre, Angestellte in einem Bekleidungsgeschäft

Anastasia ist nach ihrem Studium in England vor einem Jahr nach Griechenland zurückgekehrt und arbeitet Teilzeit in einem Bekleidungsgeschäft. Als das Referendum angekündigt wurde, war sie gerade dabei, mit ihrem englischen Freund und ihrem gemeinsamen Hund Lucy in eine neue Wohnung im Athener Stadtteil Pangrati zu ziehen.

Vice: Wie schätzt du die Lage ab Montag ein?
Anastasia: Ich versuche, mir keine Angst machen zu lassen. Egal, wie es ausgeht, es wird sehr lange schlecht aussehen. Eine Zukunft im konventionellen Sinne wird es nicht geben. Und um einen guten Job zu finden, muss man ohne Bezahlung arbeiten. Das war vor dem Referendum so und das wird auch danach so sein.

Du gehst also am Sonntag nicht zur Abstimmung?
Doch. Ich habe mich entschieden, dass ich mit Nein stimmen werde.

Wieso, wenn du glaubst, dass sich nichts ändern wird?
Einerseits wird sich zwar nichts ändern, aber andererseits reicht es auch irgendwann. Für mich ist mein Nein eine Frage der Würde. Es ist ein Weg, Kontra zu geben.

Vermisst du angesichts der Situation in Griechenland das Leben im Ausland?
Nein, ich vermisse es nicht. Die wirtschaftliche Lage war dort natürlich besser, aber es fehlt mir trotzdem nicht. Ich habe in England gelebt, wo schon seit einer Weile der Thatcherismus durchgesetzt wird. Aus diesem Grund wollte ich zurück nach Griechenland kommen, wo das nicht der Fall ist (lacht). Gut, wirtschaftlich gesehen kommt es mir hier gleich vor, aber gesellschaftlich ist es anders. Hier existiert ein Solidaritätsgefühl, wir sind nicht so individualisiert.

Denkst du darüber nach, wieder ins Ausland zu ziehen, wenn du es hier nicht klappt?
Ich denke darüber nach, aber ich möchte es vermeiden. Es kommt mir absurd vor, rein aus wirtschaftlichen Gründen das Land zu verlassen. Natürlich betrifft mich die ganze Situation stark, aber es fällt mir schwer, wieder wegzuziehen und so viel zurückzulassen. Ich bleibe lieber hier und kämpfe.

Wenn du glaubst, dass weder ein Ja noch ein Nein dein Leben ändern werden, was könnte es deiner Meinung nach? Was wäre die ideale Lösung?
Ich finde, wir sollten aus der EU austreten. Aber das sehe ich generell so. Ob das genau jetzt das Richtige wäre, weiß ich nicht. Zuerst sollten wir einige Dinge im eigenen Land ändern und dann austreten. Die EU steht für einen Lebensstil, der nicht zu den Griechen passt.