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​Ich habe Kanye erschossen in 'Shooting Stars'—dafür war ich an der frischen Luft

Das Shmup der österreichischen Entwickler Bloodirony ist konzentrierter Internethumor und das lustigste Mobil-Game seit langer Zeit.
(c) Bloodirony

Mit dem Mobil-Game Shooting Stars können wir es in den Sommermonaten endlich legitimieren, mehr auf Highscores und explodierende Celebritys am Handy zu achten, statt in der feuchten U-Bahn den kurzen Hosen nachzuschauen. Dieses Spiel wird für den verschwitzten Alltag, was starkes Bockbier für die Feiertage ist. Wir werden uns am Ende alle fragen, was da ab Juli eigentlich passiert ist, und uns nur noch vage an einen verschwommenen Mischmasch aus Pixel, Memes und Einhornkacke erinnern. Aber hier die Geschichte von Anfang an:

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Neulich bin ich, die Hitze und frostige Regenschauer ausklammernd, bei einem der Spieleentwickler von Bloodirony gesessen und wir haben Witcher 3 gespielt. Aber die gigantische Open World war gar nicht so interessant für ihn, sondern eine fanatische Obsession mit dem zweidimensionalen Ingame-Kartenspiel hat sich bemerkbar gemacht.

Dadurch wurde mir die sympathische Tendenz klar—abgesehen davon, dass er mich bei Mortal Kombat X zu Brei prügeln kann—, dass diesem Teilvater von Shooting Stars besonders die schrägeren Details unserer großen weiten Computerspielwelt am Herzen liegen.

(c) Bloodirony

Genau solche liebevollen Feinheiten beherrschen Shooting Stars. Witziges Artwork, herrlich plumpe Gags aus den unendlichen Tiefen der Internetschatztruhe, Liebe für Wrestling, Chiptune-Techno und Referenzen, die manchmal echt nur Insider zum Lachen bringen, sind alles Teil dieses dauerfeuernden Neongewitters.

Einen Plot kann man bei diesem Spiel nur erahnen: Auf jeden Fall ist Tscherno der bärtige Hipster-Held, auf den wir seit Ewigkeiten gewartet haben. Er will eine außerirdische Plage á la Bodysnatchers ausrotten mit Hilfe einer der tödlichsten Strahlengewehre des Universums—genau, einer weißen Katze mit Iris-Heterochromie.

Wirklich eigenartig sind aber die Anführer, die dem durch die Luft surfenden Protagonisten ihre Armeen entgegenschicken. Es handelt sich dabei nämlich um Klone von nicht allzu schwer identifizierbaren Popkulturikonen, wie Lady Gogo, Kanye East oder Brillex. Copyrights werden hier also eher locker gesehen. Wenn diese Stars aber nach intensiven Beschuss zur Super Nova werden und detonieren, resultiert das meistens in einer sehr angenehmen Serotoninausschüttung.

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(c) Bloodirony

Manche haben sich nämlich sicher schon länger nach der tiefenpsychologischen Befriedigung gesehnt eine pixelige Repräsentation von Justin Bieber oder Greg Miller niederzuknallen, ihr Perversos! Aber was ich besonders toll finde, ist die Entstehungsgeschichte dieses Spiels—und natürlich Obamas „Not Bad"-Gesicht als Lob nach einem punktereichen Level.

Shooting Stars wurde von zwei Oberösterreichern und einem Kärntner komplett selbstfinanziert. Die drei waren ziemlich jungfräuliche Programmierer und blasen frischen, unverbrauchten Wind durch die heimische Spieleentwicklerlandschaft. Einer von ihnen war ursprünglich Bankangestellter, was auch die Nadelstreifenanzug tragenden Gegnertrauben, die zum Photonenkanonenfutter werden, einigermaßen erklärt. Das Mini-Team ist aber vor allem ein Improvisationstalent.

Als den Jungs von Bloodirony die Bewegungsanimationen von Tscherno zu kompliziert wurden, bekam er einfach ein Hoverboard. Auch anstatt über zig verschiedene Waffenklassen zu sinnieren, fiel die ungewöhnliche Entscheidung auf einen einzigen, schnurrenden und verschiedenste Plasmamunition kotzenden Vierbeiner.

Motherboard: Unsere geliebten Pixel feiern auch am Fernseher schon 35 Jahre — es lebe der Teletext!

Das sind für mich coole Kreativkompromisse und intelligentes Design, in das man sich einfach verlieben muss. Aufgrund solcher verspielten Lösungsansätze im Angesicht von faden technischen Hindernissen, ist letztlich auch das erste Super Mario Bros.-Monster entstanden: Goombas waren sauleicht zu animieren. Eine braune Wurst, die aus zwei, drei Bildern besteht, hat gereicht, um das Mario-Gegnerarsenal unglaublich aufzuwerten ohne viel Speicher zu kosten.

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Shooting Stars wirft aber auch Fragen auf: Wird das mysteriöse Regenbogeneinhorn, das Maskottchen von Bloodirony, noch eine tragende Rolle in diesem oder kommenden Spielen haben? Und wer zum Teufel sind die Raketen werfenden Random-Personen, die immer wieder in den zufällig generierten Levels auftauchen? Und wie viele Lollipopmädchen mit Pferdeschwanz kann ich noch niedermähen, bevor ich ein schlechtes Gewissen bekomme?

Die blutironischen Entwickler meinen, ihr Spiel könnte besonders „Core-Gamern" gut gefallen. Ich glaube kaum, dass ich mich so bezeichnen darf, aber die Arcade-Soundeffekte klingen schon sehr vertraut. Shooting Stars spielt man schwitzend auf der Couch, betrunken an der frischen Luft oder verlängert auch mal den Klobesuch um circa 40 Minuten. Scheiße, ich versuche gerade erfolglos das Wort „Instant Classic" zu umgehen.

Ich stelle jetzt einfach die Vermutung in den Raum, dass Shooting Stars bei integren Genrefanaten sowie bei Casual Gamern sehr gut ankommen wird. Mir gefällt übrigens auch, dass ich die mehr als abgegriffene Patriotismuskarte in diesem Beitrag fast gar nicht ausspielen musste—„He, schaut her! Österreichische Spieleentwickler, boa!"

Shooting Stars ist ab Juli für iOS und Android erhältlich und könnte international durchaus funktionieren. Außerdem wird hier auch den abfälligen Ansichten gegenüber der heimischen Gaming-Szene—wie die eines Thomas Mahler—etwas Substantielles entgegengehalten.

Dieses Space Invaders mit Meme-Antrieb ist für mich DER saisonale Daumen- und Freizeittöter des Sommers. Die das Sonnenlicht reflektierenden Bildschirme und die heißgelaufenen Akkus sollen eure einzigen Probleme sein, und wenn beim Spielen in den Öffis der Schwarzkappler auf die Schulter tippt, einfach nicht reagieren, Aspergers vortäuschen und weiterschießen.

Folgt Josef und seinen Tipps für die U-Bahn-Etiquette auf Twitter: @theZeffo