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Trottel, Langeweile und eine Atomexplosion

Wir sprachen mit einem Atomexperten über das Unglück in Frankreich.

Sobald wir von dem Unglück in Frankreich Wind bekommen haben, riefen wir uns sofort bei unserem Atomexperten des Vertrauens, Nico Bernt an, um eine ehrliche Einschätzung der Lage zu bekommen. Nico ist Diplom-Ingenieur der medizinisch-physikalischen Technik und ist den großen Kreuzweg vom Atomgegner zum Atombefürworter gegangen. Mit ihm sprach ich über die jüngsten Ereignisse im nuklearen Paranoia-Holocaust, den wir diese Tage erleben. Doch Nico hörte sich mehr als nur gelangweilt an.

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VICE: Was ist eigentlich passiert?

Nico Bernt: Nach meinem Wissensstand hat sich eine Explosion in einem Verbrennungsofen für schwach radioaktive Abfälle ereignet. Im Prinzip ist das ein Teil einer gewöhnlichen Müllverbrennungsanlage, bei der der ganze Abfall wahrscheinlich in einem Hochdruckbehälter verbrannt wird.

Und was genau wird dort entsorgt?

Auf dem Gelände befinden sich neben dem stillgelegten Kraftwerk Marcoule, dort wo die Explosion stattfand, auch die Aufbereitungsanlage Melox und das Kernkraftwerk Phénix. Von dort werden in der Anlage Alltagsabfälle, wie Handschuhe oder irgendwelche kaputten Werkzeuge, entsorgt. Die sind zwar einer geringfügig höheren Strahlenbelastung ausgesetzt, aber Grenzwerte werden dadurch noch lange nicht überschritten. Grundsätzlich ist es verboten, radioaktive Abfälle zu verbrennen, deswegen müssen die Gase, die dabei entstehen, in einem speziellen Prozess gefiltert werden. Das, was am Schluss übrig bleibt, ist dann ein verkohlter Klumpen leicht strahlender Materie, die dann in ein Endlager kommt.

Wie kann es zu solchen Unfällen kommen?

Kommt darauf an, unter welchen Verfahren vor Ort gearbeitet wird. Es kann aber gut sein, dass irgendein Trottel die Verbrennung außer Kontrolle geraten ließ und dadurch die Explosion verursacht wurde.

Warum arbeiten Trottel in Kernkraftwerken?

Es ist nicht auszuschließen, dass es in jedem Kraftwerk mindestens einen davon gibt. Das hat die Wissenschaft aber auch schon erkannt und versucht deswegen die Kraft des menschlichen Versagens immer weiter von den heiklen Prozessen fern zu halten. Bei den weniger heiklen, wie diesem, schafft es der Mensch leider immer wieder, es zu verbocken.

Gibt es einen Grund für die Bevölkerung, in Panik zu verfallen?

Absolut nicht. Die Menge an Radioaktivität, die dort wahrscheinlich ins Freie gelangt ist, hätte es am Ende des Tages ohnehin auch dorthin geschafft. Die dadurch entstandene Wolke mag vielleicht stärker radioaktiv strahlen, die Menge ist aber angesichts dessen, was jeden Tag an anderen Orten ganz regulär an Radioaktivität freigesetzt wird, zu vernachlässigen.