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Hentai-Porn, Hakenkreuze, zerhackte Beete: Die fieseste aller Minecraft-Welten

Auf dem geschmacklosesten aller Minecraft-Server tobt ein schmutziger Krieg zwischen Veteranen und Neuankömmlingen. Jetzt greifen die alten zu japanischen Hentai-Pornos, um ihre Welt rein zu halten.
Ein Überblick über die 2b2t-Welt | Screenshot: Minecraft, Motherboard

Der 1. Juni 2016 markiert den Beginn eines digitalen Kulturkampfs. „OLDEST SERVER IN MINECRAFT!!", so heißt das Video, das Brayden Wheeler an diesem Tag postet und damit einen echten Internetkrieg vom Zaun bricht, der bis heute erbittert geführt wird. Sein YouTube-Kanal, „TheCampingRusher" hat zu diesem Zeitpunkt über 900.000 Abonnenten. Im Video erkundet er zusammen mit einem Freund eine scheinbar verlassene Minecraft-Welt. „Dude, das ist wie die Postapokalypse."

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Die beiden YouTuber finden unterirdische Straßen, merkwürdige Türme und Portale, die auf Inseln führen, auf denen irgendwann irgendjemand versucht hat, Kathedralen zu bauen, Bergwerke, Statuen, wildwuchernde Wassermelonenfelder. Sie alle sind halb zerstört, durchzogen von Schneisen, die Spieler auf Ressourcensuche gebuddelt haben. Digitale Ruinen. Die Welt scheint verlassen—ist es aber nicht. Es ist die Heimat einer kleinen, aber eingeschworenen Community.

Wer sich vom Startgebiet weiter weg bewegt, findet beeindruckende Städte und Bauwerke, die die Spieler über die Jahre gebaut haben. | Screenshot: Minecraft, Imgur

Der Server heißt 2 Builders 2 Tools, kurz 2b2t. Es ist ein Anarchie-Multiplayer-Server für Minecraft. Außer einigen (nicht besonders effektiven) Anti-Cheat-Tools gibt es für die Spieler keine Einschränkungen. Und das bedeutet auch: Es gibt keine Moderatoren, die im Chat Homophobie und Rassismus ahnden, keine Anstandsregeln, an die die Spieler sich halten müssen. Jedes Gebäude kann zerstört werden, jeder andere Spieler getötet.

2b2t existiert bereits seit 2010. Ein Spieler namens Hausmaster (oder Hausemaster, der Name verändert sich über die Jahre) hat ihn zu Testzwecken erstellt und—das ist das wirklich Erstaunliche – seitdem nie wieder zurückgesetzt, wie es mit anderen Servern bei Minecraft üblich ist. Seit sechs Jahren wird die Welt von 2b2t kontinuierlich bebaut, zerstört und wieder bebaut. 2b2t ist nicht der älteste Multiplayer-Server—diesen Titel verdient „Freedonia"—, vermutlich aber die älteste noch bestehende Welt. Sie verschlingt über 1000 Gigabyte an Speicherplatz.

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Die Spielerkultur auf dem Server ist geprägt von der Sprache und dem Umgang des Messageboards 4chan, dessen Rhetorik nicht nur Memes und anarchischen Netz-Humor hervorbringt, sondern auch offen mit rassistischen und anti-semitischen Beleidigungen spielt. Spieler werden im chan-Stil als „Oldfags" und „Newfags" bezeichnet, im Chat wird getrollt, beleidigt, Grenzen ausgelotet. Auf Reddit und 8chan gibt es 2b2t-Kanäle. Der Minecraft-Server fungiert als ihr Clubhaus—Hakenkreuze und Nazi-Witze inklusive.

Als Motherboard-Autor Andrew Paul die Welt im Oktober 2015 erkundet, stößt er unter anderem auf dieses Outfit und auf die Normalität von Hitler und Holocaust-Anspielungen in den Chats. | Screenshot: Minecraft, Motherboard

Irgendwann fallen diejenigen Spieler in die Welt ein, die von den Alteingessessenen bald als „Rushers" bezeichnet werden. Die neugierigen Fans und Follower von „TheCampingRusher", die diese in Gaming-Dimensionen historische Welt auch einmal sehen wollten. Zuerst als Touristen, dann als Eroberer, die nach und nach eigene Bereiche einnehmen.

Die Flut an Neuankömmlingen (das Video wurde mittlerweile über zwei Millionen mal geklickt) lässt 2b2t im Juni zusammenbrechen. Die Nachwirkungen sind noch heute zu spüren: Weil immer nur eine begrenzte Zahl Spieler in der Welt sein können, müssen Neulinge teilweise über vier Stunden auf einen Platz warten. Aufgrund der vielen Spieler gibt es auch auf dem Server selbst Lags und Verzögerungen—das Spielvergnügen sinkt erheblich.

Obwohl Hausmaster relativ schnell etwa 60.000 alte Spieler auf eine bevorzugte Warteliste setzt und angeblich auch Premium-Spots gegen Geld anbietet, reagieren die Veteranen genervt. „Jewtuber"—ha ha Antisemitismus!—nennen sie jetzt „TheCampingRusher". Einige Veteranen entscheiden sich, den Kampf aufzunehmen. Spieler planen die „Spawn-Area", in der jeder neue Spieler auf dem Server im Spiel erscheint, zu einer Todesfalle mit Lavaströmen auszubauen. Der YouTuber „FitMC" dokumentiert in seinen Videos Angriffe, „Raids", auf die Lager derer, die es aus der Lavahölle geschafft haben.

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Auf Reddit werden auch noch komplexere Pläne gegen die neuen Spieler ausgeheckt: Ein Nutzer schreibt über eine Lag-Maschine, eine überkomplexe Konstruktion, die den Server mit zu vielen Aktionen überfordert und verlangsamt.

Würde der ganze Server voll von diesen Maschinen stehen, hätten die Neuen keinen Spaß mehr und würden gehen. Wieder andere schlagen vor, noch widerlicher zu wirken, noch gemeiner im Chat zu sein.

Eine solche Lag-Maschine soll den Server so sehr verlangsamen, dass niemand mehr Spaß hat und die Neuen den 2b2t verlassen. | Bild: Reddit

Die neueste Idee: Die ganze Welt mit Bildern aus Hentai-Porn zuzukleben, damit die YouTube-Videos als jugendgefährdend gesperrt werden, sobald eines der Bilder zu sehen ist. Tatsächlich ist es unmöglich, dass YouTubes ContentID Hentai-Bilder automatisch filtert und sie in Minecraft-Videos identifiziert. Ein Sprecher der Videoplattform betonte gegenüber Motherboard, dass YouTube „nur dann reagieren [kann], wenn wir auf konkrete Rechtsverletzungen hingewiesen werden". Mit anderen Worten: Ein Algorithmus ist nicht in der Lage, Hentai-Bilder automatisch zu erkennen, Nutzer müssten die Videos melden, bevor YouTube tätig werden kann.

All die Kämpfe bringen 2b2t ironischerweise nur noch mehr Aufmerksamkeit: „Der schlimmste Server führt Krieg gegen YouTube", titelt Kotaku. Der „Minecraft Server der tausend Tode" schreibt Newsweek. Je mehr die Veteranen sich wehren, desto attraktiver wird 2b2t als legendäre Videospielwelt. Es mehren sich Reddit-Threads, in denen neue Spieler fragen, wie sie sich denn einer Seite im Konflikt anschließen können. „Du musst das Siegel der Veteranen auf deinem Schild tragen", schreibt FitMC, „wow, schau dir diesen Autismus an", kommentiert ein anderer Nutzer in üblicher chan-Rhetorik.

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Wenn überall solche Hentai-Bilder kleben, dann werden die YouTuber keine Videos vom Server aufnehmen, so ein Plan der 2b2t-Veteranen. | Bild: Imgur.

Screenshot: Minecraft, Motherboard

Jedes größere Ereignis, jeder Machtwechsel zieht jedoch Aufmerksamkeit nach sich und macht den Server letztlich nur bekannter. Schon 2013 wurde 2b2t in einem Artikel auf IGN erwähnt. 2b2t sei „der Endboss aller Minecraft-Server". Zwei Jahre später erkundet ein Motherboard-Autor die Welt und findet neben freundlichen Melonenverschenkern einen Spieler, der den Chat mit „Heil Hitler"-Nachrichten flutet. Auf Rock, Paper, Shotgun dagegen gibt James Rustles den Tour-Guide und zeigt einem Autoren die interessantesten Ruinen und Lager des Servers.

Mit anderen Worten: Der Strom aus neuen Spielern und der Widerstand gegen neue Spieler sind Teil des Konzepts. Blogposts neuer Spieler, die sich mit selbstgebauten Booten durch einsame Meere kämpfen und unterirdische Melonenfelder anlegen, bis sie zu den alten Festungen kommen, klingen nach Abenteuer, nicht Qual.

So ist es auch kaum verwunderlich, dass in vielen Reddit-Threads zum „Krieg" gegen „den Jewtuber" vor allem Augenrollen herauszulesen ist. „Du wurdest angelogen. Es gibt keine Teams und es gibt keinen Krieg", so der Tenor. Was es stattdessen zu geben scheint, ist ein aufwendiges Rollenspiel von YouTubern wie „FitMC" und „TheCampingRusher" und ihren Fans sowie eine weiterhin kleine Community aus regelmäßigen Spielern, die 2b2t seit Jahren bebauen.

Alle paar Jahre entbrennt um 2b2t ein Konflikt, der immer wieder neuen Leuten das Gefühl gibt, ein geheimes Clubhaus zu entdecken. 2b2t ist nicht der Endboss aller Minecraft-Server, nicht die Hölle Minecrafts und nicht der schlimmste Server. Es ist eine Art Chan-Disneyland (mit allen Problemen, die das mit sich führt) und seine Bewohner arbeiten seit sechs Jahren wissentlich oder unwissentlich daran, dass es genau das bleibt.