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Unser Verfassungsschutz hat mit der NSA deutsche Daten gegen XKEYSCORE getauscht

Der Verfassungsschutz brauchte schließlich irgendwas, das er der NSA anbieten konnte, um an das begehrte Spionageprgramm XKEYSCORE zu kommen.
Aus der Präsentation des Spionageprogramms XKEYSCORE. Bild: Wikimedia Commons

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat bereitwillig und massenhaft mit deutschen Überwachungsdaten gedealt, um an die begehrte Spionagesoftware XKEYSCORE heranzukommen. Das berichtet Zeit Online unter Berufung auf interne Dokumente.

„In größtmöglichem Ausmaß", heißt es in einem internen Vermerk aus 2013, wollte das BfV gern relevante Daten mit der NSA teilen. Diesem Enthusiasmus ging eine Software-Demo der NSA voraus, der den deutschen Geheimdienstlern die Omnipotenz des Spähprogramms vorstellte.

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Dieses Abkommen bedeutet, dass unsere Grundrechte sehr wahrscheinlich erneut gebrochen wurden.

Genutzte „Applikationen, Internetanwendungen und Protokolle" können erkannt werden, gaben sich die Beamten begeistert—darunter Yahoo, Facebook und Hotmail. Und auch Passwörter und Nutzernamen lege das Programm zuverlässig offen.

Kleiner Reminder: Eine BND-Abteilung bricht millionenfach unsere Grundrechte

Der Verfassungsschutz war beeindruckt, ein Beamter nannte das Spionagesoftware „ein cooles System". Der damalige BfV-Präsident Heinz Fromm vom Bundesamt for Verfassungsschutz bettelte daher die NSA um XKEYSCORE regelrecht an: Der Einsatz der Software in Deutschland würde „die hier bestehenden Möglichkeiten zur Überwachung und Analyse von Internetverkehr hervorragend ergänzen", schrieb er an die NSA. Im Gegenzug verpflichtete sich der BfV, die mittels XKEYSCORE gewonnen Daten „so weit wie möglich" mit der NSA zu teilen, wie es in demVertrag zur Überlassung der Software heißt.

Doch erst eineinhalb Jahre, nachdem die NSA ihre Kollegen in Bayern mit dem umfassenden Spähprogramm von den Socken gehauen hatte, kam das System in Deutschland zum Einsatz. Welche Daten in welchem Umfang an die NSA geliefert werden, ist nicht klar.

Sollte euch diese allzu kuschelige und verblüffend ungenehmigte Geheimdienstkooperation bekannt vorkommen, liegt das daran, dass auch der BND bereits willfährig mit der NSA zusammenarbeitete beziehungsweise ihm zuarbeitete.

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XKEYSCORE sei „ein cooles System", fand ein Beamter des Verfassungsschutzes.

Die Informationen, die man der NSA so bereitwillig schenken wollte, sind Daten aus den genehmigten Überwachungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes von Einzelpersonen; sogenannte G10-Maßnahmen. Mit XKEYSCORE wollte die Behörde seine gesammelten Metadaten (also z.B. wer mit wem wann kommuniziert) aus den Überwachungen mit auswerten.

Genau das kritisieren Verfassungsrechtler: Sie glauben, dass die beliebige Auswertung der Metadaten nicht verfassungskonform ist, weil sich aus den Metadaten Profile erstellen lassen, die zu viel über die Kommunikation von verdächtigten Einzelpersonen und ihrer Kontakte verraten, auch ohne den Inhalt der Unterhaltung zu kennen.

Das BfV wollte sich in einer ersten Stellungnahme zu „Einzelheiten der Zusammenarbeit bzw. der Zahl von Datenübermittlungen nicht öffentlich äußern".

Dieses Abkommen bedeutet, dass unsere Grundrechte sehr wahrscheinlich erneut gebrochen wurden. Es gibt auch keinerlei Hinweis, der darauf schließen lässt, dass sie nicht noch immer gebrochen werden. Denn es ist Aufgabe des Verfassungsschutzes, Informationen über „geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht" zu sammeln und auszuwerten—aber eben, WENN jemand für eine fremde Macht tätig werden sollte. Dass der BfV nun genau das Gegenteil tut—Auswertung von Daten FÜR eine fremde Macht, in diesem Fall die NSA—würde einer gewissen Ironie nicht entbehren, zumindest wenn man sich darauf verlassen könnte, dass aus einem derartigen Skandal umfassende Konsequenzen gezogen würden.

Von dem Deal wusste das Parlamentarische Kontrollgremium, das die Aktivitäten der Geheimdienste überwachen soll, nämlich nichts. Mitglied Ströbele beschwerte sich: „Wieder muss ich von der Presse von einem neuen Vertrag BfV/NSA und unerlaubter Weitergabe deutscher Daten an den US-Geheimdienst erfahren".

Damit ist er nicht allein.