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Warum der Lärm von Kuhglocken ungesund für Schweizer Kühe ist

Laut einer neuen Studie der ETH Zürich können Kuhglocken den Lärmpegel von Presslufthämmern erreichen und haben einen negativen Einfluss auf Gehör und Fressverhalten der Tiere.
Entspannte Glockenkuh. Bild: Daniel Schwen/ WikimediaCC BY-SA 4.0

Es ist ein romantisches Idyll. Blauer Himmel, saftige Bergwiesen, hier und da ein Enzian und das beruhigende Gebimmel der Kuhglocken. Eine Welt, die noch in Ordnung ist. Doch falsch gedacht. Eine aktuelle Studie stellte nun fest, dass Kühe durch das Geläute ernsthafte Schäden erleiden.

Es liegt eigentlich nahe, dass eine große Glocke um den Hals den Kühen nicht nur auf die Nerven, sondern vor allem aufs Gehör geht. In seinem  landwirtschaftlichen Pragmatismus lässt der Mensch jedoch lieber das Vieh läuten, als sich bei schlechtem Wetter auf die Suche nach den einzelnen Tieren auf einer ausladenden Almweise zu begeben. Außerdem würde das Alpenland mit einem Verschwinden der Glocken auch ein klanglich meditatives und vor allem werbewirksames Markenzeichen verlieren.

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Die Studie führten die Agrarwissenschaftlerin Edna Hellmann und ihre Doktorandin Julia Johns an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich durch. Sie maßen die Lautstärken von Kuhglocken auf Weiden und in Ställen. Als Ergebnis stellten die Wissenschaftlerinnen fest, dass die Glocken einen Pegel von bis zu 113 Dezibel erreichen, was weit über der legalen Grenze von 85 Dezibel liegt und mit dem Geräuschpegel von Kreissägen und Presslufthämmern vergleichbar ist.

Es müsste eigentlich ein leichtes sein, Glocken mit Chips zu ersetzen.

Dazu kommt, dass Kühe ein empfindlicheres Gehör haben als Menschen. Sie nehmen bereits Töne ab -11 Dezibel wahr, Menschen erst ab null Dezibel. Die Glocken beeinträchtigen nicht nur das Hörvermögen der Tiere, so dass einige nahezu taub sind, sie beeinflussen auch das Fressverhalten wie Edna Hillmann in einem Interview mit dem  Deutschlandfunk erzählte:

„Den Einfluss aufs Fressverhalten haben wir bei einem Weideversuch festgestellt, wo die Kühe 24 Stunden am Tag Kuhglocken getragen haben. Und zwar unterschieden in Glocken, die Lärm machen – und Glocken, wo wir die Klöppel innen drin festgeklebt haben, also da hatten die Kühe das Gewicht, aber keinen Lärm. Beide Varianten haben sich negativ auf das Fressverhalten der Kühe ausgewirkt. Insofern als sie weniger lang gefressen haben und weniger Kauschläge haben."

Die Forscherinnen rieten dazu, die Glocken durch GPS-Methoden zu ersetzen. „Im IT-Zeitalter wäre es ein leichtes, Glocken mit Chips zu ersetzen.", erzählte Julia Johns der Zeitung  Schweiz am Sonntag. „Der Bauer könnte sein Vieh mit dem Smartphone orten." Doch durch den oft unzureichenden Empfang in den Bergen ist diese Methode unter Umständen nur schwer durchführbar.

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Bild:  erge/ Pixabay | Public Domain

Verschiedene Umweltverbände kritisieren schon lange die Verwendung von Kuhglocken als schädigend für die Tiere. Letztendlich braucht es eigentlich auch nur ein wenig Kombinationsgabe und Perspektivenwechsel, um zu überlegen, wie es sich anfühlt, 24 Stunden lang ein ohrenbetäubendes Gebimmel um den Hals gebunden zu haben. Der Schweizer Verein IG Stiller, der sich für weniger Lärm einsetzt, bezeichnet die Glocken als ein „veraltetes Alarmsystem, bei dem die Sirene immer am Heulen ist."

Die Folgen der anzunehmenden Schwerhörigkeit der Kühe sind noch nicht erforscht. Obwohl Kühe eher visuell und über den Geruchssinn kommunizieren, verständigen sie sich mit ihren Kälbern über Laute. „Kühe verstecken ihre Kälber in den ersten Lebenstagen im hohen Gras und finden sie auch durch akustische Signale", erklärt Edna Hillmann.

Es ist natürlich nicht unbedingt erstrebenswert, die Kühe in einem strömenden Landregen zu suchen und einzusammeln, gehört jedoch möglicherweise zur Haltung auf einer Almweide dazu dazu. Schäfer stehen mit ihren Herden vor ähnlichen Anforderungen.

So angenehm klischeebeladen die alpinen Kuhglocken auch sind, vielleicht ist es an der Zeit, ein anderes landwirtschaftliches Idyll zu betonen. Oder die Schweizer Bauern engagieren Cowboys, um ihre Tiere zusammen zu halten. Herzzerreissende Szenen à la Brokeback Mountain an kühlen Alpseen taugen ohne Frage auch als universeller Touristenmagnet.