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Köche

Wie ich als Koch im Regenwald ein Schweinegeld verdiente

Dieser etwas andere Koch pfeift auf den Ruhm und kocht lieber an den abwegigsten Orten der Welt, unter anderem am Südpol, in Afghanistan und im Amazonas-Regenwald—und erlebt dabei einiges: Terrorangriffe, fliegende Fleischbällchen und grenzwertige...
Photo via Flickr user David Evers

Ich würde mich selbst als Koch der anderen Art beschreiben: Ich hab kein Restaurant, hab mit keinen berühmten Köchen oder in keinen Sterneküchen gearbeitet. In meinem letzten Job war ich Chefkoch in einer Goldmine im Amazonas-Regenwald.

Ich hasse Kochen. Koch ist für mich der schlimmste Beruf, denn er ist weder gut für deinen Körper noch fürs Konto.

Anderseits konnte ich durch das Kochen die Welt bereisen und Orte abseits der Touristenziele erkunden: die Antarktis, Afghanistan, Somalia, die Cook-Inseln, Kambodscha—insgesamt war ich in über 35 Ländern.

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Zum Kochen bin eher zufällig gekommen: Vor 15 Jahren arbeitete ich als Tellerwäscher bei einem sehr talentierten und charismatischen Küchenchef. Dann habe ich als Koch in einem Steakhouse in meinem Heimatstädtchen in British Columbia gearbeitet. Weil ich aber unbedingt aus dem Nest rauswollte, habe ich mich in ganz Kanada und in allen möglichen abgelegenen Orten beworben.

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Als erstes meldete sich ein Hotel aus Resolute auf meine Bewerbungsflut—ein kleines Städtchen weit im Norden Kanadas in Nunavut. Das war vielleicht mein größter Fehler, denn damit begann mein Leben in den abgelegenen oder kriegszerrütteten Orten der Welt. Resolute ist eine der nördlichsten Gemeinden Kanadas und liegt auf einer kleinen Insel inmitten des Nordpolarmeers. Mein Chef war ziemlich nett, er erzählte mir beim Telefoninterview, dass es zwei Küchenchefs und zwei Köche bei ihnen gibt. Als ich aber ankam, gab es nur mich und einen weiteren Chefkoch, der gerne mal seinen Spezial-Eintopf machte: Dafür schmiss er einfach gekochtes Gemüse und Fertigsauce in einen Topf, et voilà. Das hat ihn schon bald den Job gekostet, sodass ich allein da stand—mir blieben zum Glück noch ein paar Kochbücher—und drei Mal täglich 150 Gäste bekochen musste.

Im Hotel war viel los, denn die meisten Gäste legten hier einen Zwischenstopp auf ihrem Weg zum Nordpol ein. Sie waren mit dem Fahrrad, mit Skiern oder mit Hundeschlitten unterwegs. Einmal drehte sogar Top Gear eine Folge bei uns. Ich hatte ein Zimmer im Hotel und mein Weg zur Arbeit war keine 200 m.

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Irgendwann schmiss ich ihm vor Wut Klopse ins Gesicht. In meiner späteren Trunkenheit folgte dann eine E-Mail an das Management, dass sie mich mal am Arsch lecken können. Das war das Ende. Ich war wieder auf dem Weg ins Glück—nach Afghanistan.

Dann verschlug es mich buchstäblich ans andere Ende der Welt, nämlich zum geografischen Südpol. Dort scheint monatelang keine Sonne. Im Jahr gibt es einen Sonnenaufgang und einen Sonnenuntergang. In der Saison 2004/05 überwinterten 86 Leute bei uns, die größte Crew bisher. Das gesamte Essen, das wir draußen lagerten, war natürlich gefroren—kein Wunder bei Temperaturen von -73° C oder darunter. Die Vorräte hätten für zwei Jahre gereicht, für den Fall, dass die Leute aus irgendwelchen Gründen bei uns auf einmal festsitzen. Damals hatte ich ein Fress- und Alkoholproblem, aber der Küchenchef ist das Risiko eingegangen und hat mich das Jahr über eingestellt. Am Ende des Winters platzte selbst meine XL-Kochbekleidung aus allen Nähten und ich hatte mit dem Rauchen angefangen.

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In Afghanistan.

Danach musste ich an einen wärmeren Ort: Auf den Bermuda-Inseln hab ich gut 45 Kilo abgenommen und wurde beschissen bezahlt. Aber ich hatte eine ziemlich geile Zeit und eine Beziehung mit einer der Kellnerinnen von unserer Bar. Allerdings hat es nicht lange gedauert, bis ich gefeuert wurde und wieder zurück in die Kälte des kanadischen Nordens musste.

Dieses Mal landete in Inuvik, ein echt lustiger, abgefahrener Ort, wo ziemlich viele abgewrackte Typen (viele davon sind mittlerweile echt gute Freunde von mir) leben, die man im Süden so nicht sehen würde. Ich hab mich da als Kellner versucht, was mit zittrigen Händen allerdings ziemlich daneben ging.

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Zurück in British Columbia habe ich für die Waldfeuerwehr Essen gekocht, es gab gutes Geld und wir haben quasi die halbe Provinz gerettet. Irgendwann kam allerdings ein neuer Manager, der mir sagen wollte, wie ich so einfache Sachen wie Rührei zuzubereiten habe, sodass ich ihm vor Wut Klopse ins Gesicht schmiss. In meiner späteren Trunkenheit folgte dann eine E-Mail an das Management, dass sie mich mal am Arsch lecken können. Das war das Ende. Ich war wieder frei und auf dem Weg ins Glück—nach Afghanistan.

Hier habe ich die abgelegenen Militärkantinen geleitet. Drei Monate Arbeit, drei Wochen frei. Ich hab es geliebt. Meine Mitarbeiter kamen aus 91 verschiedenen Ländern und wir haben täglich 1.500 bis 2.000 hungrige Mäuler gestopft. Das Verteidigungsministerium hatte zwar Vorgaben für das Essen, aber die konnte ich etwas abwandeln, um mal etwas Selbstgemachtes zu servieren. Klar, es gab sowas wie einen „Pizza-Tag", aber das waren nur aufgebackene Tiefkühlscheiben. Genauso wie die Burger und alles andere. Aber da wir Mehl, Wasser und Hefe da hatten, dachte ich mir: „Warum machen wir unsere Pizza nicht einfach selbst? Hackfleisch ist auch da, warum servieren wir den paar Tausend Leuten nicht einfach ein paar selbstgemachte Burger?" Und bei Pizza und Burger blieb es nicht: 2010 habe ich mich zu Halloween in mein bestes Bananenkostüm geschmissen und Crêpes mit karamellisierten Bananen gezaubert.

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Die Soldaten hatten was Besseres verdient als diesen Speiseplan des Verteidigungsministeriums bzw. der Vertragsfirmen. Der war einzig und allein darauf ausgelegt, schnell, effizient und kostengünstig in abgelegenen Regionen viele Leute mit Essen zu versorgen. Irgendwann aß man in vielen Stützpunkten mein Essen. Auch wenn die Leute von der Vertragsfirma die Lorbeeren einheimsten, mich hat es echt glücklich gemacht, dass die Soldaten endlich gutes Essen auf fast schon Restaurantniveau bekamen, das von Leuten zubereitet wurde, die ich ausgebildet habe. Den Job dort habe ich echt gern gemacht, auch wenn es hin und wieder einen Raketenangriff gab oder mir beim Flug mit dem Chinook mal wieder schlecht wurde—das hat uns nur auf Trab gehalten.

Am Ende stellte sich raus, dass die Terroristen das Gebäude hochgejagt hatten, in dem ich arbeiten sollte.

Daraufhin bekam ich ein Angebot für einen Job in Somalia. Hey, das Land hat zwar seit 20 Jahren eigentlich keine richtige Regierung gehabt, aber was soll schon schief gehen? Ich arbeitete dort für eine sehr, sehr große Hilfsorganisation (ihr habt sie vielleicht schon erraten…) und quetschte sie vor meiner Ankunft zur Sicherheitslage aus, woraufhin sie immer nur sagten: „In Somalia wird die Situation langsam besser. Machen Sie sich keine Sorgen."

Nach meiner Landung in Mogadischu musste ich noch 50 Meter vom Flugzeug bis zum Flughafengebäude laufen. Nach der Hälfte des Weges hörte ich Explosionen und in einem halben Kilometer Entfernung stiegen Rauchwolken auf. Die Menschen brachen in Panik aus undliefen in das Flughafengebäude.Am Ende stellte sich raus, dass die Terroristen das Gebäude hochgejagt hatten, in dem ich arbeiten sollte. Einen Tag bevor ich angefangen habe.

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In der Hoffnung, dass die Einrichtung wieder aufgebaut wird, blieb ich noch drei Monate. Währenddessen kochte ich bei kleineren Veranstaltungen, auch bei einem Abendessen des somalischen Präsidenten zum Fastenbrechen während des Ramadan. Wir haben es geschafft, eine Bruchbude in einen edlen Gastraum zu verwandeln und servierten ihnen ein Drei-Gänge-Menü. Eigentlich sollte das drei Stunden dauern, 15 Minuten nach Sonneruntergang war aber alles vorbei, denn die Gäste waren so hungrig und das Essen so gut, sie haben es einfach weggeputzt. Ich wollte mir noch was vom Dessert holen, das ich noch bei den Sicherheitsleuten gebunkert hatte, aber die hatten schon alles aufgegessen.

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In Mogadischu.

Die Niederlassung wurde nicht wieder aufgebaut, sondern einfach geschlossen und wir sollten gehen. Ich bin dann irgendwie nach Nairobi gekommen, auch mit einem großen Verlangen nach gutem Kaffee, und landete im ArtCaffe im Westgate-Einkaufszentrum. Wieder einmal hatte ich Glück: Nur einen Tag vor dem Überfall auf das Einkaufszentrum und das Café durch Terroristen war ich mit einem Mädel, das ich dort kennengelernt hatte, nach Ruanda gefahren.

Das war erstmal genug, sodass ich wieder nach Kanada ging. Ein Typ hatte ein neues Restaurant eröffnet. Ich arbeite nicht gerne in Restaurants, aber ich wollte schon immer eines aufmachen und das war meine Chance. Also half ich ihm. Am Tag der Eröffnung war der Laden brechend voll und in den Augen der Köche sah ich nur eine Frage: „Und was machen wir jetzt, verdammte Scheiße?" Wir haben die Eröffnung aber irgendwie überstanden und auch sonst hatten wir ziemlichen Erfolg mit dem Restaurant.

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ARTIKEL: Wie man einen Job als Koch am Südpol bekommt

Dann brauchte ich eine Auszeit in Cabo San Lucas. Wie ich so am Strand saß, wusste ich einfach, dass ich die Schnauze voll hatte. Durch den Stress verlor ich noch den letzten Funken Menschenverstand und driftete so in die düsteren Tiefen Mexikos ab. Ich habe es nur ganz knapp da wieder raus geschafft—mit ordentlich gepudertem Näschen. Da ein Kumpel zu Hause meine Hilfe brauchte, kratzte ich meine letzten Pesos zusammen, kaufte ein Ticket nach Kanada.

Zurück in Kanada holte mich die Langeweile allerdings schnell wieder ein. Außerdem hatte ich kein Geld und musste mir ständig Alkohol und Kippen von einem Mädel schnorren, das 13 Jahre jünger war als ich. Da kribbelte es mir wieder in Händen und ich brauchte ein neues Abenteuer.

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Im November 2014 klingelte mein Telefon erneut. Am anderen Ende der Leitung war ein Goldunternehmen, das in der Amazonasregion, genauer in Suriname, mit dem Graben anfing und mir ein Wahnsinns-Gehalt bot: 192.000 Dollar pro Jahr [circa 175.000 Euro], einen Monat arbeiten, einen Monat frei, bei fortlaufender Gehaltszahlung. Es dauerte nicht lange und ich versorgte Minenarbeiter mitten im Regenwald mit meinem Essen.

Die Küche war eher behelfsmäßig und temporär, so wie sich die unmittelbare Umgebung der Goldmine jeden Tag veränderte: Ein gestern noch wohlgeformter Hügel kann am nächsten Tag dem Erdboden gleichgemacht sein. Ausgelegt war die Küche auf 500 Leute, am Ende kochten wir für 2.000. Daher gab es am Anfang ziemlich oft Nudeln mit Sauce. Das war ein verdammt stressiger Job.

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Eine dicke Suppe aus rohen Fleischresten, dreckigem Spülwasser und Chemikalien sammelte sich unter der Küche. Bei der hohen Luftfeuchte und Temperaturen um die 30°C waren wir die ganze Zeit von einer stinkenden Wolke umgeben und das monatelang.

An meinem ersten Tag ging ich in die kleine Fleischkammer und sah, wie im Waschbecken Huhn und Fisch fröhlich in lauwarmem Wasser umherschwammen.

Jeden Tag schlachteten wir 400 Kilo Hühnerfleisch und 400 Kilo anderes Fleisch und das in einem Raum, der kaum größer als ein Minivan war. Die Küche war mit Spanplatten gebaut, sodass sich schnell Löcher im Boden bildeten und eigentlich alles zerfiel. Es gab ein paar Edelstahltheken, aber die meisten waren aus Holz. Eine dicke Suppe aus rohen Fleischresten, dreckigem Spülwasser und Chemikalien sammelte sich unter der Küche. Bei der hohen Luftfeuchte und Temperaturen um die 30°C waren wir die ganze Zeit von einer stinkenden Wolke umgeben und das monatelang.

Ich schrieb der Geschäftsleitung zahlreiche Briefe und erklärte ihnen, dass ich und meine Mitarbeiter Gefahr laufen, eine Lebensmittelvergiftung zu erleiden, aber das interessierte keinen. Sonst haben sie immer fleißig Mails geschickt über Sicherheit am Arbeitsplatz, aber Essen und eine ordentliche Küchenausstattung gehörten nicht zu ihren Prioritäten.

Mein fauler Chef, ein kleiner Franzose, der aufgrund seines Kontrollzwangs schnell den Spitznamen „Napoleon" bekam, brachte mich ständig auf die Palme und irgendwann kündigte ich auch diesen Job.

Jetzt mache ich es wie immer: zwischen zwei Aufträgen verreise ich, warte auf ein neues Abenteuer, verprasse mein Erspartes und träume davon, der Branche den Rücken zu kehren. Aber irgendwie komm ich doch immer wieder zurück—denn trotz allem liebe ich es irgendwie.