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IS-nahe Chat-Kanäle fordern Follower auf, Nizza-Hashtags zu kapern

Der IS hat sich bisher nicht zu den Ereignissen von Nizza bekannt—doch in der beliebtesten App glorifizieren Sympathisanten bereits den Terroranschlag.
Bild: imago

Gestern Abend gegen 22:30 Uhr ist ein Lastwagen in Nizza in eine Menschenmenge gerast und hat kurz nach dem Feuerwerk anlässlich des französischen Nationalfeiertags an der Promenade des Anglais über eine Strecke von zwei Kilometern hinweg Passanten überfahren. Die Todeszahl ist mittlerweile auf 84 angestiegen.

Obwohl sich der IS bislang noch nicht zur Tat bekannt hat, tauchen auf der verschlüsselten Chat-App Telegram Dutzende IS-nahe Kanäle auf, die den Vorfall feiern, wie die New York Times-Korrespondentin Rukmini Callimachi als erste herausgearbeitet hat. Rukmini Callimachi gilt als zuverlässige Analystin der IS-Strategie in sozialen Medien, die sich auch auf Telegram in ein unübersichtliches Netzwerk aus Symphatisanten, halboffiziellen Accounts und mehr oder minder offiziellen IS-„Medienagenturen" gliedert.

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Das Chatprogramm Telegram, das Callimachi besonders intensiv verfolgt, auch, da es eine der bevorzugten Chat-Apps des IS darstellt, bietet die Möglichkeit, sogenannte private Kanäle zu erstellen, die ähnlich eines Feeds von anderen abonniert werden können.

In manchen dieser Kanäle, wie Khilafah News (ein Channel, der von manchen Beobachtern als offizieller IS-Kanal bezeichnet wird) werden die Follower auch dazu aufgefordert, die Hashtags rund um Nizza in den sozialen Medien zu kapern und mit eigener Propaganda zu füllen.

11. And Kilafa News, considered an official ISIS channel by some, is asking adherents to hijack Nice hashtags: pic.twitter.com/KsLK8QxeeM
— Rukmini Callimachi (@rcallimachi) July 15, 2016

Wie der Sicherheitsforscher Michael S. Smith II von Kronos berichtet, tauchten bereits kurz nach dem Anschlag auf vielen Pro-IS-Kanälen Propagandagrafiken mit Frankreichbezug auf.

Smith erwähnt auch, dass die IS-Nachrichtenagentur Amaq zuvor die Meldung über den Tod von Abu Omar Al-Schischani postete—was selten vorkommt. Er spekuliert, dass dieser Post ein potentieller Trigger für den Anschlag als Vergeltung für den bestätigten Tod des „Kriegsministers" sein gewesen könnte.

Obwohl der „Omar der Tschtschene" genannte Russe—auf den die USA ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt hatte—bereits im März für tot erklärt worden war, musste das Pentagon nun einräumen, dass er tatsächlich erst bei einem Luftangriff in dieser Woche ums Leben kam. Am 13. Juli erklärte ihn somit auch der IS selbst für tot.

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INDICATOR Amaq's rpt of Shishani's death may have been intended to trigger attack. NOTE: IS hasn't claimed Nice yet. pic.twitter.com/ysd8jgy9bA
— Michael S. Smith II (@MichaelSSmithII) July 15, 2016

Auch einer der reichweitenstärksten IS-Anhänger-Accounts, Asawirti Media, glorifizierte die Ereignisse von Nizza bereits mit hunderten Allahu-Akhbar-Tweets und Propagada. Asawirti Media öffnete heute Morgen den 545. Twitter-Account und den 25. Telegram-Kanal; in den sozialen Netzwerken erreichten diese Kanäle binnen weniger Stunden weit über 1000 Follower.

IS cheerleaders at Asawirti Media launch 25th Telegram channel, 545th Twitter acct. Brand power 1hr=695 channel mbrs pic.twitter.com/EPnsi7SdST
— Michael S. Smith II (@MichaelSSmithII) July 9, 2016

Sowohl der IS als auch Al-Qaida haben ihre Anhänger in den vergangenen Monaten explizit dazu aufgefordert, Menschen mit Autos zu überfahren—ob der Attentäter tatsächlich direkt auf eine Empfehlung oder gar einen Befehl des IS handelte, ist bisher allerdings noch unklar.

Der IS hat sich bisher nicht über einen der offiziellen Medienkanäle zu den Ereignissen geäußert oder bekannt. Auch nach dem Terroranschlag vom 13. November 2015 in Paris und dem Attentat am Brüsseler Flughafen hatte sich der IS zunächst längere Zeit nicht zu Wort gemeldet und erst mit einiger Verzögerung eine offizielle Bestätigung für die Vermutungen der Ermittler geliefert, die einen islamistischen Terroranschlag vermuteten. Erst bei der Geiselnahme und der Attacke auf das bei Ausländern beliebte Café in Dhaka änderte der IS kürzlich erstmals diese Strategie und veröffentlichte Live Updates vom Tatort. Beobachter nehmen an, dass diese abweichende Strategie auch dazu diente, den eigenen potentiellen Anhängern im überwiegend muslimischen Land zu signalisieren, dass man nur Ausländer angreifen wollte.

Von dem Anschlag in Nizza ist auch eine Berliner Schulklasse betroffen. Wie die Schulaufsicht bestätigt, wurden drei Teilnehmer einer Abi-Fahrt dabei getötet. Für Angehörige gibt es eine Hotline unter: +33 (0) 1 43 17 56 46 .