Politik

In diesem riesigen Reddit-Forum werden olympische Athletinnen sexualisiert

Und die sexistische Kleiderordnung in vielen Sportarten ist Teil des Problems.
Zwei Beachvolleyballerinnen in ihren Bikini-Trikots bei den olympischen Spielen. Die Kleiderordnung trägt zur Sexualisierung der Sportlerinnen bei.
Beim Beachvolleyball müssen Frauen im Bikini spielen | Foto: ANGELA WEISS / AFP

Auf "Oh-lympics" geht es um viele Sportarten. Etwa jede halbe Stunde posten die User in dem Subreddit neue Bilder und Videos von Athletinnen verschiedenster Sportarten wie Leichtathletik, Volleyball, Wasserpolo, Turnen, Schwimmen oder Turmspringen.

Für Sport oder Olympia interessieren sich die rund 244.000 Subscriber hier eher nicht. Der Fokus in diesem Subreddit liegt ganz klar auf den Brüsten und Hintern der Athletinnen. Neben Ausschnitten aus der offiziellen Olympia-Übertragung teilen sie auch Fotos und Videos von den Social-Media-Kanälen der Sportlerinnen und von professionellen Fotoshootings.

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"Ich freue mich schon auf die ganzen Leichtathletik-Knackärsche am Freitag", steht in einem Post, dazu ein Video von einer Athletin, die ihre knappe Sporthose zurechtrückt. Posts über sportliche Männer gibt es keine.


Auch von VICE: Free-Solo-Klettern


Oh-lympics ist nicht der einzige Subreddit dieser Art. Auf "Volleyball Girls" posten User Aufnahmen von Volleyball-Spielerinnen mit anzüglichen Bildunterschriften und Kommentaren. Über ein Foto einer Spielerin, die mit den Beinen in der Luft auf dem Boden liegt, schreibt ein User, dass er gerne mit ihr in dieser Position Sex haben würde. Der Subreddit hat 174.000 Follower, dreimal mal mehr als die Reddit-Volleyball-Community, in der es wirklich um Sport geht.

Die Foren zeigen, wie weit verbreitet, die Objektifizierung von Frauen im Sport heute noch ist. Die Kleiderordnungen in verschiedenen Sportarten, die für Athletinnen besonders enge und knappe Trikots vorschreiben, tragen ihren Teil dazu bei.

Auch wenn die Olympischen Spiele in Tokio eine große Verbesserung in Sachen Geschlechtergerechtigkeit sind – zum ersten Mal treten genauso viele Frauen wie Männer an –, sagen einige, dass bei den Athletinnen weitaus mehr auf Sexappeal geachtet wird als bei ihren männlichen Kollegen.

Die ehemalige rhythmische Sportgymnastin und viermalige US-Meisterin Lisa Carmen Wang kritisiert die offenkundigen Doppelstandards in den Kleiderordnungen für Sportlerinnen und Sportler.

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"Frauen waren immer vom männlichen Blick abhängig", sagt Wang zu VICE.

"Es ging immer darum, wie zeigen wir mehr Bein? Wie schaffen wir es, etwas mehr Hintern zu zeigen, damit das Bein länger wirkt?", sagt sie. "Ich bezweifle ernsthaft, dass es diese Diskussion bei den Männern überhaupt gibt."

Zwei Fotos von Beachvolleyballern. Links Spielerinnen Bikini-Trikots, rechts die Spieler mit Shorts und Muscle-Shirts

Frauen-Beachvolleyball vs Männer-Beachvolleyball | Fotos: ANGELA WEISS / AFP

Sechs User, die in dem "Oh-lympics"-Subreddit posten und bereit waren, mit uns zu sprechen, solange sie anonym bleiben dürfen, sagten, dass sie Bilder von Frauen posten, weil sie sie bewundern und anziehend finden. Ein 23-Jähriger, der unter dem Usernamen ajvazded0 postet, gab allerdings auch zu, dass der Subreddit zur übermäßigen Sexualisierung von Athletinnen beitrage. Er bezeichnete einige der Kommentare als verletzend und respektlos. So etwas sei allerdings "unvermeidbar" wegen "der Natur des Menschen".

Als Reaktion auf eine Anfrage von VICE hat Reddit den Subreddit überprüft und allzu explizite Inhalte gelöscht. Auf dem Messageboard sei es verboten, sexuell explizites Material ohne die Einwilligung der dargestellten Person zu posten, so ein Reddit-Sprecher.

Währenddessen wächst in den Sportarten selbst der Widerstand gegen die ungerechte Kleiderordnung.

Am Montag vergangener Woche traten die deutschen Turnerinnen erstmals bei einer Olympiade in langen Trikots an und sorgten allein damit weltweit für Schlagzeilen. Die Outfits, die die Arme und Beine der Athletinnen bedecken, setzten ein Zeichen gegen die Sexualisierung im Sport, hieß es vom Deutschen Turner-Bund.

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Eine Turnerin in einem langen Ganzkörperanzug in einem Sprung

Eine deutsche Turnerin bei den olympischen Spielen in Tokio am 26. Juli | Foto: Lionel BONAVENTURE / AFP

In einem Instagram-Post schrieb Elisabeth Seitz vom deutschen Team, dass sie ein Zeichen setzen wollten "für alle Turnerinnen, die sich in normalen Anzügen womöglich unwohl oder gar sexualisiert fühlen".

Auch wenn es keine offizielle Regel gibt, die das Tragen langer Trikots verbietet, ist es für Turnerinnen üblich, den weitaus freizügigeren Einteiler mit Bikini-Schnitt zu tragen.

Lisa Carmen Wang erinnert sich, dass ihr früher zu Wettkampfzeiten gesagt wurde, sie würde höhere Wertungen bekommen, wenn sie ihren Einteiler kürze und "mehr Bein" zeige.

"Wenn du jung und leicht zu beeinflussen bist, machst du natürlich, was immer die Autoritätspersonen sagen", sagt sie. "Niemand wird auf ein 15- oder 16-jähriges Mädchen hören. Und wenn du weißt, dass du nicht ernst genommen wirst, wirst du nicht deine gesamte Karriere für deine Meinung zum Trikot riskieren."

In anderen Disziplinen sind freizügige Trikots für Athletinnen Vorschrift.

Diesen Juli erst wurde dem norwegischen Frauen-Beachhandballteam eine Strafe von 1.500 Euro aufgebrummt, weil sich die Spielerinnen entschlossen hatten, Shorts zu tragen – so wie ihre männlichen Kollegen. Ein Verstoß gegen die Regeln des Internationalen Handballverbands.

Laut Regelbuch müssen die Sportlerinnen Bikini-Hosen tragen, die "eng sitzen und nach oben zum Ende des Beins hin ausgeschnitten sind". An den Seiten dürfen sie maximal zehn Zentimeter lang sein. Die Shorts der Männer dürfen hingegen länger sein, solange sie zehn Zentimeter über dem Knie enden und nicht zu "baggy" sind. 

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Bei den Olympischen Spielen scheint die Kritik an der Darstellung von Athletinnen zumindest teilweise anzukommen. Das Olympic Broadcasting System, das die Fernsehbilder für die Olympischen Spiele produziert, verbietet unnötige "Aufnahmen vom Schrittbereich, Dekolletés und Hinterseiten" der Athletinnen. Das Motto: "Sport Appeal, nicht Sex Appeal."

Als Reaktion auf einen Fragenkatalog von VICE über die Sexualisierung von Athletinnen, schrieb der Moderator von Oh-lympics, dass auch Männer sexualisiert werden – eine Ansicht, die von vielen Subscribern des Messageboards geteilt wird. Er finde, dass die Community zu Unrecht ins Visier genommen werde.

Natürlich werden auch Sportler objektifiziert, allerdings mit anderen Folgen. Sie werden dabei als athletisch kompetenter gesehen und müssen in der Regel nicht um ihre Sicherheit fürchten. Objektifizierte Frauen können online und offline mit Gewalt bedroht werden und werden als weniger intelligent oder kompetent dargestellt. Eine Untersuchung der vergangenen zwei Jahrzehnte hat ergeben, dass sexuelle Objektifizierung die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper fördert, sexistische Ansichten stärkt und die Toleranz für sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen erhöht. 

Pita Taufatofua versteht diesen Unterschied. Der durchtrainierte Athlet aus Tonga, der bei der Eröffnungszeremonie mit seinem eingeölten Oberkörper für Aufsehen sorgte, sagt, dass es, auch wenn männliche und weibliche Athleten regelmäßig in der Öffentlichkeit sexualisiert würden, ein "Ungleichgewicht" in der Darstellung gebe. Die Sportlerinnen und Sportler sollten selbst entscheiden können, wie sie gesehen werden.

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Für Taufatofua bedeutet das, seine geölte Brust bewusst einzusetzen, um Aufmerksamkeit für wohltätige Zwecke zu schaffen.

"Wenn ich einen Post für wohltätige Zwecke mache und etwas Inspirierendes schreibe, sind die Reaktionen nur ein Bruchteil von dem, was der Oben-ohne-Typ bekommt", sagt Taufatofua.

"Ich habe eine Message, die ich in der Welt verbreiten will. Wenn das bedeutet, dass ich dafür mal ein Foto mit nacktem Oberkörper posten muss, um die Leute bei Laune zu halten, dann bin ich dazu bereit."

Die Bilder und Videos auf Oh-lympics werden hingegen ohne die Zustimmung der Sportlerinnen gepostet – darunter auch Screenshots von ungünstig verrutschten Trikots. Trotzdem weist der Moderator des Subreddits den Vorwurf zurück, es würde die Athletinnen zu Objekten machen. Ihm zufolge sei der Sinn der Community, "talentierte und entschlossene Menschen" zu feiern.

"Die meisten Olympionikinnen und Olympioniken haben ihr ganzes Leben lang ihren Körper und ihren Geist trainiert, um die Besten in ihrer Disziplin zu werden. Als Ergebnis sind sie unfassbar fitte Menschen geworden – mental und körperlich. Oh-lympics schafft lediglich einen Ort, an dem User sich diese beeindruckenden Menschen anschauen und sie mit anderen teilen können", sagt er zu VICE.

Allerdings machen sich selbst einige Follower des Subreddits darüber lustig, dass der Moderator "nicht zugibt, körperliche Schönheit zu mögen".

Ein User sagt: "Ernsthaft, niemand ist hier, um die unglaubliche Willenskraft und Entschlossenheit einer Athletin zu bewundern. Alle sind hier, um zu sehen, wie ein Arsch in einem Turnanzug aussieht."

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