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Die Schweizer Polizei hat die Drogen des Darknet-Shopping-Bots beschlagnahmt

Obwohl die rechtliche Lage unklar ist, haben die Behörden erstmal sicherheitshalber alle Einkäufe des Random Darknet Shoppers einkassiert.
​Jede Woche eine Überraschung: Robotergeneriertes Schnäppchen aus dem Darknet. Bild: !Mediengruppe Bitnik

Der Random Darknet Shopper hat sich ​in den vergangenen Monaten in einem regelrechten Einkaufswahn durch das Deepweb geshoppt und sich die ganze Palette des Angebots digitaler Schwarzmärkte in die Kunst Halle St. Gallen schicken lassen.

Als wir unseren Artikel zum Ende der Ausstellung veröffentlicht haben, war noch völlig unklar, wer für die Bestellung der illegalen Waren haftbar gemacht würde (oder ob überhaupt jemand haften muss). Die Schweizer Behörden werden die Diskussion darüber nun beschleunigen: Am Morgen des 12. Januar, dem Tag nach der Finissage, beschlagnahmte und versiegelte die Kantonspolizei St. Gallen die gesamte Warenausbeute des Darknet-Bots.

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Die noch nicht vollständig mit den Einkäufen gefüllte Ausstellung. Bild: Kunst Halle Sankt Gallen, Gunnar Meier

Andreas Baumann von der Pressestelle der Staatsanwaltschaft St. Gallen erklärte mir gerne ausführlich, dass „die Polizei am Freitag Abend Kenntnis über die Vorgänge erhalten und am Montagmorgen die entsprechende Verfügung für den Zugriff erwirkt hat. Durch die Kurzfristigkeit konnten wir uns leider nicht mehr mit der Künstlergruppe koordinieren, doch die Ausstellung war ja beendet."

Die Arbeit der ​!Mediengruppe Bitnik war Teil der Ausstellung „The Darknet – From Memes to Onionland. An Exploration". Der Random Darknet Shopper verprasste jede Woche autonom 100 Dollar im Deepweb und kaufte alles mögliche von moldawischen Zigaretten über einen ungarischen Pass und eine Ladung Ecstasy-Pillen, die in einem DVD-Case geliefert wurden.

Und wieder ist ein Paket angekommen. Turnschuhe direkt aus China. Bild: !Mediengruppe Bitnik

Die Schweizer Behörden scheinen sich besonders für die Betäubungsmittel zu interessieren: „Mit der Beschlagnahme und der Vernichtung der Ecstasy-Pillen soll offenbar eine Drittgefährdung ausgeschlossen werden", erklärte die !Mediengruppe Bitnik gestern als sie die Vorgänge öffentlich machten. Die Staatsanwaltschaft St. Gallen wollte gern, „dass sich da keiner so einfach bedienen kann." Wenn also außerhalb von Ausstellungen Drogen irgendwo wissentlich herumlägen, müsste die Polizei logischerweise handeln.

Die Beschlagnahmung der Rauschmittel dürfte das am einfachsten zu lösende Verbrechen sein, das sich je in St. Gallen ereignet hat. Die örtliche Polizeistation liegt nämlich nur wenige Meter Luftlinie von der Kunst Halle entfernt.

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Zu diesem Zeitpunkt hätten sich die Ausstellungsstücke nach der Finissage in verpackten Kisten befunden. Die Staatsdiener versiegelten daraufhin die gesamten Exponate, „wobei es der Polizei vor allem um die Ecstasypillen geht. Uns ist eben wichtig, dass sich da nicht jedermann dran bedienen kann."

Momentan läuft eine Anzeige gegen Unbekannt.

Insbesondere die Haftung dürfte schwierig werden—wie bestrafe ich einen Roboter?„Momentan lauft eine Anzeige gegen Unbekannt. Ich denke, dass wir innerhalb der nächsten zwei Wochen eine Entscheidung finden werden.

Für eine Fortsetzung der Ausstellung hat die Staatsanwaltschaft St. Gallen daher auch einen ganz pragmatischen Vorschlag: „Naja, vielleicht haben die Pillen ja auch nicht einen so riesigen künstlerischen Wert und man könnte sie einfach durch andere gelbe Pillen ersetzen?"

Das dürfte allerdings nicht ganz im Sinne der Künstler sein—denn letztlich geht es in der Ausstellung um das Zeigen der originalen Exponate aus dem Darknet statt irgendwelcher Zuckerpillen.

Herr Baumann erinnert sich an einen anderen Umgang mit ähnlichen Fällen: „Wir hatten einmal eine Ausstellung der OLMA, einer Suchtmittelhilfe, die Hanfplanzen ausstellen wollte. Die haben uns vorher deshalb kontaktiert und wir haben eine Lösung gefunden, um die Pflanzen nicht ganz so zugänglich zu machen."

Mit ihrer Arbeit wollte die !Mediengruppe Bitnik eine Diskussion darüber lostreten, inwiefern ein autonom handelnder Roboter oder eine Software für Handlungen haftbar gemacht werden kann. Mission geglückt—nur dass diese in Form einer offiziellen Intervention erfolgt, scheint niemand so richtig einkalkuliert zu haben.

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Vier Tage nach der Beschlagnahmung hatte die ​Kunst Halle St. Gallen einige neue Informationen über das rechtliche Prozedere. Wichtig für den Betrieb: Die Kunst Halle sei „zumindest nicht Objekt einer Strafverfolgung", sagte mir Kurator Giovanni Carmine von der Kunst Halle.

Vor Beginn der Ausstellung habe die !Mediengruppe Bitnik ein juristisches Gutachten eingeholt, über das die Ausstellungshalle auch im Bilde war. „Unsere Überlegung war: Für 100 Dollar die Woche wird der schon nichts Weltvernichtendes kaufen, obwohl wir ja durch den Zufallsgenerator auch nicht wussten, was im Rahmen dieser performativen Arbeit so angeschafft wird.", so Carmine.

„Wir wollen keinen Konflikt mit der Staatsanwaltschaft, das können wir uns nicht leisten. Die weitere Verhandlung ist Sache der Künstler, aber ich bin nach der ganzen umfassenden Berichterstattung auch recht zuversichtlich, dass sich die Angelegenheit positiv lösen lässt", sagte mir auch Markus Benziger, der Vorstand der St. Gallener Kunst Halle.  „Außerdem sind ja die Kunstgegenstände immer Eigentum der Künstler, sonst wären wir ja schon schwerreich. Wenn die Ausstellung beendet ist, nehmen die ihre Exponate natürlich wieder mit. Was jetzt allerdings mit den versiegelten Gegenständen passiert, bleibt spannend—tendenziell unterstützen wir natürlich die Kunstfreiheit."

Die !Mediengruppe Bitnik verurteilt in ihrem ​Statement diese Einschränkung der Kunstfreiheit: „Wir sind überzeugt, dass es eine Aufgabe der Kunst ist, Ränder auszuleuchten und zeitgenössische, gesellschaftliche Fragen zu thematisieren."

Carmen Weisskopf von der !Mediengruppe Bitnik gibt sich auf dem Onlineportal des Gratisblättchens 20min.ch jedenfalls entspannt: Die Staatsanwaltschaft sei nun ein Teil des Projekts Random Darknet Shopper. «Dass die Fragen, die die Arbeit aufwirft, nun auch im juristischen Feld behandelt werden, zeugt auch von der Relevanz der Arbeit», wird die Künstlerin dort zitiert.

Andreas Baumann von der St. Gallener Staatsanwaltschaft stimmt zu: „Das finde ich schön. Die Künstler haben sich ja mit ihrer Arbeit bewusst in eine Grauzone begeben und jetzt schauen wir alle mal, wie man rechtlich damit umgehen kann."

Die Diskussion über die Haftbarkeit autonom handelnder Roboter dürfte weitergehen.