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So oft solltest du dir wissenschaftlich gesehen die Haare waschen

Wenn wir nach den Vorgaben von Dermatologen leben würden, dann würde wohl jeder von uns weniger Zeit unter der Dusche verbringen.
Bild: Shutterstock

Haare sind eine Wissenschaft für sich, und eine Frisur sagt mehr über den Menschen aus als seine Vermögensverhältnisse. Doch zwischen Waschzwang und ungepflegtem Sleek-Look liegt nur eine Haaresbreite, und die Wissenschaft der Haarpflege (und entsprechender Produkte) ist so wuchernd, dass sie eine eigene Universität füllen könnte. Aber die grundlegendste Alltagsfrage, die hinter fast jedem haarigen Problem steht, ist im Grunde genommen immer die gleiche: Wie oft sollte man sich eigentlich die Haare waschen?

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Haare sind widerstandsfähiger als wir denken und kommen mit vielen Strapazen des Lebens gut zurecht. Dennoch lautet dem Dermatologen Kurt Stenn zufolge das Zauberwort in der Haarpflege: Sanftheit. Je sanfter das Shampoo, desto öfter ist das Waschen erlaubt, sogar eine tägliche Reinigung würde Haar oder Kopfhaut kaum belasten. Ein aggressives Shampoo hingegen greift nicht nur die gesamte Haarstruktur nachhaltig an, es zerstört auch schlicht und einfach deinen Look.

„Du solltest das sanftest mögliche Shampoo verwenden. Denn der Haarschaft selbst wächst nicht und kann sich nicht regenerieren. Wurde ein Haarschaft also einmal zerstört, dann ist er kaputt und kann sich nicht erholen", erklärt Kurt Stenn, der dem Thema auch das Buch Hair — A Human History widmete. Seit über dreißig Jahren erforscht der Professor für Pathologie und Dermatologie an der Yale University School of Medicine unsere Haare.

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Unsere Haare werden durch genau die gleichen Faktoren und biologischen Prozesse fettig wie auch unser Gesicht. Drüsen, die sich direkt neben den Haarwurzeln befinden produzieren Talg, eine ölige Substanz, die unsere Haare vor dem Austrocknen bewahrt. Da jeder Mensch eine andere Menge an Talg produziert, lässt sich demzufolge keine allgemeine Richtlinie für die perfekte Anzahl der Haarwäschen erstellen. Klar ist aber, dass die meisten von uns ihre Haare häufiger waschen als es dermatologisch notwendig ist. Jeder Dritte Deutsche wäscht sich täglich die Haare und knapp ein Drittel immerhin jeden zweiten Tag, so eine Statistik von mingle-Trend. Dabei sind sogar die Männer die größeren Waschfanatiker, denn 43 Prozent waschen sich täglich ihr Haupt, unter den Frauen sind es 24 Prozent.

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Schematischer Querschnitt durch die Haut mit einem Haarfollikel | Bild: Wikipedia | Anka Friedrich | CC BY 3.0

Die Auslöser für deine ganz persönliche Talgproduktion können von deinen Genen, Hormonen oder auch anderen individuellen, körperlichen Faktoren abhängen. In bestimmten Lebensabschnitten ist sie jedoch höher als in anderen: Die hormonbedingte Talgabsonderung erreicht in der Pubertät ihren Spitzenwert und führt in den jugendlichen Jahren zu besonders fettigen Haaren und Akneproblemen, erklärt Paradi Mirmirani, Dermatologin der University of California, San Francisco.

Einen radikalen Shampoo-Verzicht predigen jedoch die die Vertreter der „No Poo"-Bewegung: Sie propagieren eine Haarpflege ohne Waschsubstanzen. Allerdings bedeutet „No Poo" nicht automatisch einen völligen Verzicht auf die Wäsche—wie man fälschlicherweise annehmen könnte. Lediglich der Reinigungsprozess ist ein anderer. Der Prominentenfriseur Michael Dueñas setzt auf die Methode, die Haare mit Wasser und Reibung von überschüssigem Talg zu befreien.

Ist eine Wäsche ohne Shampoo vielleicht sogar wirksamer und die sanfteste Pflege, die wir unserem zarten Haupt bescheren können, wie die Vertreter des Anti-Shampoo-Trends verprechen? Tätsächlich können ein paar Tage ohne Wäsche auf das Haar wie eine Kur wirken—doch trotzdem entfernt reines Wasser nicht den Dreck unserer Umwelt, welcher sich mit dem Öl in Haar und Kopfhaut verbindet. Öl, Staub und auch die Bakterien, die irgendwann beginnen uns mit einem unangenehmen Geruch zu umgeben, sollten gelegentlich in einer sanften Reinigung mit extra schonender Waschsubstanz unter der Dusche entfernt werden.

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Wie oft jedoch sollte man unter der Dusche zum Shampoo greifen, wenn man sich für einen gesunden Mittelweg zwischen Hygiene und Pflege entscheidet? Auch wenn der Dermatologe Stenn zu recht betont, dass die Häufigkeit der Haarpflege eine völlig individuelle Entscheidung sei, so lassen sich doch ein paar Eselsbrücken aufstellen:

Wer eine besonders trockene Haut hat, braucht auch seine Haare nicht allzu oft zu waschen. Ein- oder auch zweimal in der Woche sollte reichen. Die gleiche Frequenz gilt auch bei Locken, da diese die Verteilung des Talgs verlangsamen. Bei fettiger Haut und feinen, glatten Haaren, solltest du allerdings häufiger waschen: Hier ist eine regelmäßige Wäsche, beispielsweise jeden zweiten Tag, eher angebracht.

Doch nicht nur beim Waschen kann man sich sein schönes Haar verhunzen—auch beim Trocknen gilt es einiges zu beachten. Stenn empfiehlt hier ein anschließendes sanftes Abrubbeln mit dem Handtuch. Wer also vorsichtig das Wasser aus seinem Haar herausdrückt, handelt genau richtig. Ebenso ist das Trocknen an der Luft sehr schonend für die Haare.

Im Trocknungsprozess sind sich die beiden Dermatologen einig, doch in der These, „wasche deine Haare so oft du willst" vertritt Mirmani eine etwas weniger lockere Einstellung und rät von einer täglichen Wäsche ab. So argumentiert auch Lynne Goldberg von der School of Medicine Dermatology an der Boston University, die darauf verweist, dass sich jeder erst einmal genauer mit seinen eigenen Haut- und Haargegebenheiten auseinander setzen und seine persönliche Waschpraxis danach ausrichten sollte. „Es ist paradox, aber Menschen, die ihre Haare besonders oft waschen, um das Öl loszuwerden, trocknen dabei ihre Kopfhaut aus und regen damit die Talgproduktion an", so Goldberg.

Solange ihr jedoch keine Mäuse und Insekten in eurer Frisur findet—wie es noch in den opulenten ungewaschenen Perücken des Barock vorkam—und ein sanftes Shampoo verwendet, macht ihr also eigentlich alles richtig.