FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Fake News zum Holocaust sind noch immer Top-Treffer auf Google

Wie Holocaust-Leugnungen auf den Spitzenplätzen der größten Suchmaschine der Welt landen und was man dagegen tun kann.
Bild: imago

Angela Merkel befürwortet Todesstrafe. Grünen-Politikerin fliegt Polizei-Helikopter unter Drogeneinfluss. AfD fordert Abschiebungen wegen Fake-News. Schlagzeilen zu gefälschten Nachrichten, die jeder faktischen Grundlage entbehren, sind im Netz nicht schwer zu finden. Nun hat das Thema auch die deutsche Politik erreicht: Nachdem Angela Merkel bereits in der jüngsten Generaldebatte des Bundestags auf das Problem der Falschmeldungen hinwies, diskutierte das politische Berlin in dieser Woche den Umgang mit dem wachsenden Problem von Fake-News.

Anzeige

So warnte CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach vor der Gefahr, dass „von außen gezielt" Einfluss auf die Bundestagswahl 2017 genommen werden könnte. Tatsächlich hat der US-Wahlkampf, in dem mehrfach Fake-News im Netz viral gingen, gezeigt, wie anfällig politische Diskussionen heute dafür sind, dass auch faktisch falsche Geschichten von tausenden Lesern als authentische Informationen gelesen werden.

Folgt Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter

Um zu verstehen, wie leicht falsche Informationen im Netz zu finden sind, genügt ein Blick auf Google. Wir tippen die menschenverachtendste Falschmeldung der deutschen Nachkriegsgeschichte in die Suchmaschine—formuliert als Frage: Auf die Eingabe „Hat es den Holocaust wirklich gegeben" spuckt die Suchmaschine zum Teil verheerende Antworten aus.

Auf den ersten Plätzen findet sich eine Zusammenstellung von Blog-Artikeln und Videos, die überwiegend den Holocaust leugnen. Das erste Ergebnis führt zu einer Seite, die den Namen der mehrfach verurteilten Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck trägt. Dort werden „offene Briefe" an „BRD-Juristen" veröffentlicht und über ein jüdisches Jahrhundert fabuliert. Drei der vier ersten Suchtreffer argumentieren, die „Holocaust-Lüge" sei die „größte Lüge der Geschichte". Inhaltlich sind die Texte grob falsch; politisch können sie zu Extremismus verführen; und auch aus juristischer Sicht handelt es sich um problematische Texte, denn die Leugnung des Holocaust fällt unter den Paragraph 130 "Volksverhetzung" des Strafgesetzbuches.

Anzeige

Screenshot: Google

Auf Anfrage von Motherboard betont ein Google-Sprecher, dass die Verbreitung solcher Inhalte keine inhaltliche Unterstützung darstelle. Im vorliegenden Fall handele es sich um strafbare Inhalte, die Google aus den Suchergebnissen entferne. Nur müssten solche Inhalte vorher über ein—recht komplexes—Formular gemeldet werden. Zugleich, so betont Google, stellen Suchergebnisse eben auch einen Spiegel dessen dar, was für Informationen im Netz vorhanden sind. Eine algorithmische Filterung und Sortierung ist eine Aufgabe, die immer wieder neu gestellt werde.

Weniger als 24 Stunden nach unserer Nachfrage hat Google einige der Artikel aus dem Index geworfen—die Trefferliste sieht inzwischen anders aus. Nun steht der Wikipedia-Artikel „Holocaustleugnung" auf Platz 1 und unter den ersten zehn Treffern finden sich deutlich weniger Holocaust-Leugner (Um nicht personalisierte Ergebnisse zu bekommen, haben wir die Suchen stets in einem Browser ohne Log-ins, Cookies und im Inkognito-Modus eingegeben).

Screenshot: Google

Tatsächlich sind die Google-Treffer auch abhängig davon, wie eine Suchanfrage gestellt wird. So liefert das Wort „Holocaust" deutlich andere Ergebnisse als „Hat der Holocaust wirklich stattgefunden"—nämlich keinerlei Leugnungen der Shoa. Das könnte daran liegen, dass schon in der Frage eine gewisse Erwartungshaltung steckt, die wiederum dazu führt, dass Links zu Holocaustleugnungen vermehrt angeklickt werden. So kann es passieren, dass eben diese Links auf höheren Plätzen gelistet werden als faktisch korrekte Beiträge. Eine mögliche Erklärung, die gegenüber Motherboard auch jemand mit genaueren Kenntnissen von der Funktionsweise des Suchalgorithmus bestätigte.

Anzeige

Es mag zwar technisch schwieriger sein, Suchergebnisse bei Fragen zu filtern, aber angesichts der Art, wie Google benutzt wird, ist es mindestens genauso wichtig. Fragen einzugeben, gehört schließlich schon seit langem zum gängigen Nutzerverhalten. Auch Google selbst wirbt damit, dass man der Suchmaschine vollständige Fragen stellen könne und auch die automatische Vervollständigung legt das Eingeben von Fragen schon nach wenigen Zeichen nah.

Der Fall zeigt, dass es bei der Diskussion um Fake-News nicht nur um Facebook geht, sondern, dass auch Suchmaschinen einen Umgang mit dem recht neuen Thema finden müssen. Nach dem Ende des US-Wahlkampfs gab beispielsweise Google als erste große Tech-Firma den Plan bekannt, Fake-News-Seiten aus seinem Werbenetzwerk auszuschließen—und ihnen damit eine wichtige Geldquelle zu entziehen.

Der Fall zeigt aber auch: Suchmaschinen können reagieren—auf Anfrage. Doch sie tun sich schwer damit, ihr Selbstverständnis als eine den Inhalten gegenüber neutrale Dienstleistung einzuschränken—in vielen Fällen sieht man sich eher als liberaler Sortieralgorithmus, der eben die Fragen und das Wissen der Gesellschaft widerspiegele. Die Frage, die wir uns als NutzerInnen stellen müssen: Welche Erwartung haben wir an eine Suchmaschine? Schließlich betrifft das Problem nicht nur Google. In unserer Stichprobe sahen auch andere Anbieter wie Yahoo, Bing und die deutsche Metasuchmaschine MetaGer nicht besser aus.

Anzeige

Die großen Tech-Firmen stehen angesichts der Verbreitung vor einer immensen Herausforderung: Es geht darum, wie Informationen im Netz so präsentiert werden, dass es zwar nur sehr geringe Einstiegshürden für die Nutzer gibt, aber das gleichzeitig überprüfbar präsentiert wird, wie wahr die Informationen sind.

Erst vor einigen Wochen hat Google News

ein neues „Fact Check" Label eingeführt

. Seit einigen Jahren kategorisiert Google News Nachrichten mit Labeln wie „Lokale Quelle" oder "Meinung". Dazu kommt nun eine neue Kategorie, die Artikel hervorhebt, die einen überprüften Faktencheck präsentieren und NutzerInnen helfen, den Überblick in der Nachrichtenlage zu behalten. In einigen Ländern wurde das Label bereits aktiviert:

Screenshot Google News | Quelle: germany.googleblog.com

Vielleicht ist die Einblendung solcher Zusatzinformationen ein möglicher Weg, in Zukunft sichere Instanzen zu schaffen. Doch natürlich muss auch hier gefragt werden, wer auf welcher Basis entscheidet, wann ein Fakt ein überprüfter Fakt ist—und ob Plattformen wie Google auf diese Weise in den Informationsfluss eingreifen sollten.

Die Diskussion um Fake News wird uns noch lange begleiten—so viel steht fest. Schnelle politische Forderungen nach Regulierung halten die Debatte zwar warm, aber sie werden dem Thema letztlich nicht gerecht.