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Ebola: Ein Tag im Leben eines Chlor-Sprayers

Sie haben eine der schwierigsten Aufgaben im Kampf gegen Ebola: Unterwegs mit den Helfern, die in Liberias Hauptstadt Monrovia Ebola-Opfer abholen.

Dieser Text wurde uns von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zur Verfügung gestellt. Mitglieder der Organisation sind seit dem Ausbruch der Ebola-Epidemie in West-Afrika vor Ort und kämpfen gegen das Virus an. Dieser Beitrag soll einen kleinen Einblick in ihre wichtige Arbeit liefern. DerAutor ist Reporter für Ärzte ohne Grenzen und versucht, die Geschichten der Betroffenen zu erzählen.Im vergangenen Jahr haben ihn unter anderem Syrien, der Südsudan, Mexiko und die Ebola-Epidemie in Westafrika beschäftigt.

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Das Telefon klingelt. Es gibt einen Toten im Viertel, als Ursache wird Ebola vermutet, wie derzeit bei fast jedem Todesfall in Monrovia. Die Leiche eines Ebola-Opfers ist extrem ansteckend, deshalb muss sie von Spezialisten abgeholt werden, und auch müssen das Haus und die Habseligkeiten des Toten desinfiziert werden. Das ist die Aufgabe des Chlor-Sprayers B Sunday Williams und seinen Kollegen vom mobilen Team von Ärzte ohne Grenzen (MSF).

„Als ich mit diesem Job begonnen habe, hatte ich große Angst", sagt Williams. „Ich fürchtete mich vor Ebola, ich traute mich nicht, die Leichen anzufassen. Aber jetzt habe ich keine Angst mehr, ich fühle mich sicher." Das mobile „Outreach"-Team besteht aus sieben Helfern: Krankenpflegern, Personen die für die Gesundheitsaufklärung zuständig sind, Spezialisten für Hygiene und natürlich den Chlor-Sprayern. Sie sind für eine ganze Gemeinde zuständig, sowohl für die Lebenden als auch für die Toten: Sie transportieren die Verdachtsfälle in das Ebola-Behandlungszentrum, desinfizieren die Häuser von Ebola-Patienten, informieren die Hinterbliebenen, wie sie sich vor dem Virus schützen können, und sie sorgen für den sicheren und respektvollen Abtransport der Toten.

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B Sunday Williams und die anderen Mitglieder des Teams klettern in einen großen Geländewagen mit Allrad-Antrieb, der vor dem Ebola-Behandlungszentrum von MSF steht, und fahren Richtung Paynesville. Das ist ein Vorort von Monrovia, der am Weg zum Flughafen liegt. Hier gab es in den vergangenen Monaten besonders viele Ebola-Fälle. Eine kleine Menschenmenge, halb neugierig, halb aufgeregt, steht vor dem Haus und wartet auf die Helfer. Das Team bleibt ruhig – es ist die Aufmerksamkeit gewohnt. „Manchmal haben die Leute Angst vor uns, doch wir sagen ihnen, dass das nicht nötig ist", sagt Williams. „Ich berühre niemanden, und ich schütze mich ja auch selbst. Wenn ich die Schutzausrüstung trage, fühle ich mich sicher."

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Nachdem sie mit der Familie gesprochen haben, legen Williams und die anderen ihre Schutzausrüstungen an. Die Menge sieht zu. Auch in seinem gelben Vollkörperschutzanzug kann man Williams leicht erkennen, wegen des blauen Behälters mit Chlor, den er am Rücken trägt. „Manchmal ist es dunkel im Haus, das wir desinfizieren müssen", sagt er. „Du musst dich selbst und deine Teamkollegen gut schützen. Wenn der Sprayer seinen Job nicht ordentlich macht, kann das für das gesamte Team gefährlich sein. Wenn nur eine Person mit dem Virus in Berührung kommt, steht die Sicherheit von allen auf dem Spiel."

Williams' Job, den es vorher in Liberia nicht gegeben hat, ist einzigartig. Er geht allein in die Häuser hinein, während das restliche Team draußen wartet. Er besprüht den Körper des Ebola-Opfers und die Zimmer systematisch mit einer 0,5%-Chlorlösung. Die Flüssigkeit tötet das Virus und macht es für die Anderen sicherer, die Leiche zu entfernen. „Der Sprayer sorgt dafür, dass das Haus sicher ist, bevor die Anderen hineingehen", sagt er. Bei der Arbeit muss Williams aufpassen, dass er nichts angreift was er noch nicht besprüht hat. Erst wenn er rauskommt, gehen seine Kollegen hinein. Er ist ihr Beschützer: Er sorgt für ihre Sicherheit und stellt sicher, dass sie nicht selbst zu Ebola-Opfern werden.

Das Opfer ist ein Baby, das gerade mal 18 Monate alt ist. Einer der Helfer muss eine Speichelprobe aus dem Mund des toten Kindes nehmen, um zu bestätigen, dass es an Ebola gestorben ist. Dann wird sein winziger Körper in einen weißen Body Bag gelegt, einen Leichensack, der nochmals mit Chlorlösung besprüht wird. Als der Sack hinausgetragen wird, verstummt die Menschenmenge. Die Stille wird nur vom Schluchzen der Familie unterbrochen. Wenn die Arbeit im Haus beendet ist, müssen die Mitglieder des Teams desinfiziert werden. Bei jeder Schicht, die sie ausziehen, werden sie besprüht. Es ist ein langsamer Prozess, der jedes Mal auf exakt dieselbe, systematische Art und Weise durchgeführt werden muss. Der Körper wird in ein MSF-Auto gelegt und in die Leichenhalle gebracht. Die traditionellen Begräbnis-Rituale können nicht durchgeführt werden; denn dazu gehören das Waschen und das Berühren der Leiche, die höchst ansteckend ist. Das macht die ohnehin herzzerreißende Situation für die Familie nicht gerade leichter. Sie wird das Baby nie wieder sehen.

Dies sind nur ein paar Stunden im Leben des mobilen „Outreach"-Teams von MSF. Es ist eine der schwierigsten Aufgaben im Kampf gegen Ebola, und Williams hat keine Zweifel, wie wichtig sie ist. „Als MSF mich gefragt hat, ob ich im mobilen Team arbeiten will, hatte ich meine Zweifel. Doch wenn du Kraft hast, schaffst du das, Schritt für Schritt. Heute mache ich meinen Job mit Leidenschaft."