Diese Zitate sind keine Aussagen eines geistig verwirrten, psychoaktiven Drogen zugeneigten Aluhutträgers. Das sind Zitate einer amerikanischen Professorin für Geistes- und Medienwissenschaften. Genauer gesagt sind das verschiedene Aussagen von Camille Paglia, die am vergangenen Wochenende in einem Artikel der Welt, ihres Zeichens überregionale Tageszeitung der Axel Springer SE, in Matusseks erzkonservative geistige Fußstapfen trat.„If civilization had been left in female hands we would still be living in grass huts."
„I am a skeptic about what is currently called global warming."
„There is no female Mozart because there is no female Jack the Ripper."
Aussagen wie „Junge Studentinnen, die unfähig sind, die lümmelhaften Vergnügungen und Gefahren von Männerpartys auf Universitäten zu meistern, werden kaum darauf vorbereitet sein, in Zukunft Führungspositionen in Politik und Wirtschaft zu erringen." bedeuten schlussendlich nicht nur eine massive Verharmlosung der Täter, die keineswegs bloß prä-pubertäre Lümmel sind. Sie meinen auch, dass man sich Übergriffen fügen muss, will man entsprechende berufliche Ziele erreichen.Er sagte, ich müsse damit rechnen, wenn ich in seinem Bett läge, auch wenn ich schlafe. — Madame Schrön (@feenzeit)December 19, 2015
„Vielleicht geht es an amerikanischen Universitäten also doch nicht schlimmer zu als im Kongo? Vielleicht geht es in vielen Fällen gar nicht um Vergewaltigungen, sondern um Sex im Zustande des Vollrausches und nachträgliche Reue?", schlussfolgerte der Welt-Autor daraus.Because I was told my outfit was asking for it. — Hübscherei (@Huebscherei)December 19, 2015
Ich selbst kann nicht mehr mit Gewissheit sagen, wann ich begann, #RapeCulture bewusst wahrzunehmen. Nachdem Freundinnen belästigt wurden? Nachdem es mir selbst widerfuhr? Nach meiner ersten Gewalterfahrung? Oder erst nach der dritten?Der Zeitpunkt spielt wohl keine Rolle, denn irgendwann im Laufe meiner Adoleszenz begann ich, keine kurzen Röcke mehr zu tragen und verbannte de¬kolle¬tierte Kleidungsstücke aus meiner Garderobe. Ich fühlte mich nicht mehr sicher darin. Ich bekam den Eindruck, als würde ich "es" damit herausfordern, denn das war es, was man mir beibrachte. Ich brauchte Jahre, um festzustellen, dass genau das nicht stimmt. Und noch länger, um den Gedanken loszuwerden, ich hätte Übergriffe dieser Art nicht anders verdient.Because society taught me to be ashamed and silent. — Robo (@outerspace_girl)December 19, 2015
Zu schweigen heißt zu einem gewissen Teil auch, es zu akzeptieren. Ich möchte nicht akzeptieren, möchte nicht hinnehmen, dass Derartiges unzählige Male geschieht und viele Menschen, die sexuelle Gewalt erfahren müssen, erst nach Jahren ihr Schweigen brechen—und manche sogar nie.Das war der Zeitpunkt, an dem ich beschloss, mit den Möglichkeiten des dialektisch herausfordernden 140 Zeichen-Korsetts von Twitter zu zeigen, dass es uns gibt; dass wir viele sind und eine Stimme haben.
Ich nutze das halb anonyme Wesen des Internets nicht zum ersten Mal dazu, um Erlebnisse zu verarbeiten. Schon zu früheren Zeitpunkten zeigte sich, dass es für mich hilfreich ist, durch das teilweise abstrakte Ausformulieren von Inhalten Abstand zwischen mich und einen Kontext zu bekommen. Ihn in einem öffentlichen Tweet oder einen Blogbeitrag zu verwandeln, unterstützt mich darin, Dinge objektiver zu sehen und unterstützt den Verarbeitungsprozess. Die Hemmschwelle, etwas schriftlich zu äußern, was man jederzeit wieder löschen kann, ohne dabei einer konkreten Person gegenüberzusitzen, ist zudem sehr viel geringer. Und nicht nur ich verarbeite online auf humorvolle, manchmal lyrische, oft sarkastische Art die Widrigkeiten des Lebens.Und dann fällt einem kaum eine Frau ein, die man kennt, die nichts unter dem Hashtag — Nutellapanda (@chocolate_and_)December 19, 2015
Als Reaktion auf den Welt-Artikel und Camille Paglias Mythos des Vergewaltigungsmärchen kam für mich nur in Frage, zu erklären, weshalb ich bislang schwieg. Warum ich sexuelle Gewalt bis dahin nicht kommuniziert, geschweige denn angezeigt habe. Meine Intention war dabei nicht die direkte Opferhilfe, auch Aufklärungen bezüglich Statistiken und rechtlicher Lage standen hinten an. Einzig das Verbalisieren lag mir am Herzen. Es war mir ein Anliegen, zu zeigen, dass es uns gibt. Dass wir nicht bloß eine anonyme, von Antifeministen und Männerrechtlern angezweifelte Zahl in einer beliebigen Studie sind. Dass Vergewaltigungen geschehen, auch, wenn sie aus Angst und Scham nicht angezeigt werden. Wir sind hier, wir sind viele und wir haben nicht vor, ewig darüber zu schweigen.Because he was my boyfriend. And boyfriends can't rape their girlfriends, they say. — Hasi (@dasHasen_Ai)December 19, 2015
Ich habe den Hashtag #WhyISaidNothing nicht erfunden. Es gab ihn bereits, er wurde aber bereits längere Zeit nicht benutzt. Ich tauschte mich mit meinem Partner über mein Anliegen aus. Der Hashtag schien uns in seiner Kürze am aussagekräftigsten.Während mein erster Tweet unter #WhyIsaidNothing noch ein ängstlicher, vorsichtiger Versuch war, fand ich bald deutlichere Worte und blieb damit nicht allein. Mehr und mehr Twitter-User jedweden Geschlechts schilderten an diesem Wochenende ihre erschreckenden, traumatischen Erlebnisse und straften Camille Paglia und den Welt-Autor Lügen.Weil er mein Vorgesetzter war & wer glaubt schon der 'hässlichen Dicken', das jemand sie begrabschen würde. — Saskia (@Verquer0705)December 19, 2015