Dieser Artikel ist Teil unserer laufenden Berichterstattung über die schwarz-blaue Regierung, die wir hier unter dem Namen "Schwarz-blaue Geschichten" gesammelt haben.Für einen Geheimdienst gibt es wahrscheinlich kaum Schlimmeres, als wochenlang die Berichterstattung zu beherrschen. Genau in dieser Situation befindet sich aber gerade das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, kurz BVT. Und es klingt alles nicht nur sehr bedrohlich, sondern auch ziemlich kompliziert.
Anzeige
Die Rede ist von politischen Umfärbungen, Machtkämpfen unter Spitzenbeamten, Amtsmissbrauch und Einschüchterungen – und am Ende soll alles irgendwie mit der FPÖ zu tun haben. Wer in der Angelegenheit rund um das BVT nicht durchblickt oder erst jetzt einsteigt, findet hier ein paar grundlegende Antworten:Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist einer von insgesamt drei österreichischen Geheimdiensten, die offiziell meist "Nachrichtendienste" genannt werden. Während das Abwehramt (AbwA) und das Heeres-Nachrichtenamt (HNaA) im Verteidigungsministerium operieren, untersteht das BVT dem Innenministerium und ist damit vor allem in polizeiliche Ermittlungsarbeit eingebunden.Dafür sammelt das BVT laufend Informationen über extremistische oder gar terroristische Entwicklungen im Inland, "beobachtet" diese und tauscht sich auch mit ausländischen Diensten aus. Daneben werden BVT-Beamte etwa als Personenschützer eingesetzt.
Was ist überhaupt das BVT?
Gegründet wurde das BVT erst 2002 im Zuge einer größeren Sicherheitsreform unter ÖVP-Innenminister Ernst Strasser und löste damit die Staatspolizei ab. Begründet wurde das damals etwa mit den neuen Bedrohungslagen hinsichtlich des internationalen Terrorismus. Erster Direktor des BVT wurde Gert-René Polli, ihm folgte 2008 Peter Gridling nach.In der aktuellen Affäre äußerte sich der ehemalige Chef des BVT zugunsten der FPÖ.
Anzeige
Ernannt wurden beide unter ÖVP-Innenministern, Polli fiel zuletzt aber mit einer gewissen FPÖ-Nähe auf, als er zum Beispiel im vergangenen Oktober bei einer Parteiveranstaltung der Freiheitlichen sprach. Auch in der aktuellen Affäre hat sich Polli zugunsten der FPÖ geäußert und meinte in der ZIB24, der Skandal bestehe innerhalb des BVT und habe mit Innenminister Kickl nichts zu tun.
Weshalb gab es dort eine Hausdurchsuchung?
Anzeige
Was soll an dieser Razzia problematisch gewesen sein?
Wurden dabei Daten beschlagnahmt, die nicht beschlagnahmt werden durften?
Anzeige
Außerdem war die Razzia kein Alleingang einer FPÖ-nahen Polizeieinheit. Sie wurde – wenn auch laut Kurier in besonderer Eile – richterlich genehmigt. Staatsanwälte waren dabei anwesend und die beschlagnahmten Unterlagen landeten ausschließlich bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft, wie betont wurde.Ob die Sicherstellung dieser Daten unzulässig war, wird derzeit vom Justizministerium geprüft. Die Aufregung geht aber noch weiter und betrifft längst nicht mehr nur die erwähnte Hausdurchsuchung.Die Vermutungen werden lauter, dass die ganze Angelegenheit eigentlich mit der Übernahme des Innenministeriums durch die FPÖ und dem neuen Minister Herbert Kickl zusammenhängt. Es heißt, die FPÖ habe schon länger ein Problem mit BVT-Direktor Peter Gridling, der inzwischen Kickl direkt untersteht. Gridlings Posten sollte aber am 20. März um fünf weitere Jahre verlängert werden.Wie der Falter nun berichtet, kamen die aktuellen Ermittlungen gegen Gridling samt Hausdurchsuchung erst dadurch ins Rollen, dass Kickls rechte Hand im Innenministerium – Generalsekretär Peter Goldgruber – Gridling persönlich bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt habe. Zuvor waren die Vorwürfe - wie oben berichtet - bloß auf anonymer Basis.Außerdem wurde laut Falter Gridlings Verlängerung als Chef des BVT – eine sogenannte "Bestellungsurkunde" – von Bundespräsident Van der Bellen schon am 22. Februar unterzeichnet und damit eigentlich abgesegnet. Goldgruber habe danach aber eine Zustellung an Gridling verweigert. Die Hausdurchsuchung beim BVT stand kurz bevor, Goldgruber habe laut Falter der Staatsanwaltschaft auch die FPÖ-geführte Polizeieinheit EGS dafür empfohlen.
Was hat die FPÖ damit zu tun?
Anzeige
Unter den beschlagnahmten Dateien war, wie oben erwähnt, auch ein neonazistischer Fall, der bis in FPÖ-Kreise reichen soll. Das mag in dem Zusammenhang reiner Zufall sein, diese "Stichprobe" zeigt aber dennoch: Das BVT unter Peter Gridling dürfte im großen Stil Daten zu rechtsextremen Aktivitäten sammeln, die wohl oft auch FPÖ-Leute tangieren.Man bedenke hier die zahlreichen Überschneidungen der FPÖ mit der sogenannten Identitären Bewegung, die offiziell vom BVT beobachtet wird. Gridling betonte in der Vergangenheit oft eine Zunahme von Rechtsextremismus und eine Verlagerung in die Mitte der Gesellschaft, wofür ihn etwa der FPÖ-nahe Blog unzensuriert kritisierte. Der ehemalige Chefredakteur des Blogs, Alexander Höferl, arbeitet seit Ende vergangenen Jahres bekanntlich im Kabinett von Innenminister Kickl. Ein Abgang Gridlings und eine Neubesetzung durch die FPÖ ließe jedenfalls die Vermutung zu, das BVT könnte dadurch "am rechten Auge erblinden."Unter den beschlagnahmten Dateien war auch ein neonazistischer Fall, der bis in FPÖ-Kreise reichen soll.
Was sind die neuesten Infos?
Anzeige
Der FPÖ-Minister betonte, dass für Gridling die Unschuldsvermutung gelte und dieser auch in den Dienst zurückkehren könnte, sollten sich die Vorwürfe als haltlos herausstellen. Gridling könnte nun auch Beschwerde gegen seine Suspendierung einlegen. Vorerst leitet das Tagesgeschäft im BVT nun Dominik Fasching.Die Devise der Stunde lautet nun: Aufklärung. Zum einen werden die Vorgänge rund um die Hausdurchsuchung vom Justizministerium geprüft. ÖVP-Minister Josef Moser hat am Dienstag, dem 13. März, in einer Aussendung angekündigt, nach der Prüfung die Öffentlichkeit informieren zu wollen.Parallel laufen natürlich auch die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Gridling und andere Beschuldigte des BVT weiter - auch diese müssen ernsthaft ermittelt werden. Von manchen politischen Kommentatoren werden sie aber als vergleichsweise "harmlos" bis "bizarr" bezeichnet.Währenddessen überschlagen sich auch die Oppositionsparteien mit Kritik. Für kommenden Montag ist eine Sondersitzung im Parlament einberufen. Die Liste Pilz will einen Misstrauensantrag gegen Kickl einbringen, SPÖ und NEOS möchten einen Untersuchungsausschuss einsetzen.Die Affäre bedeutet nicht zuletzt einen ordentlichen Schlag für die Koalition von Kurz und Strache. Kurz hält sich zwar weiterhin aus der Sache heraus und forderte nur ziemlich knapp eine "Aufklärung", um den "Wohlfühlkurs" der Koalitionsparteien so gut es geht aufrechtzuerhalten . Strache hingegen polterte in Richtung des BVT und bezeichnete dieses als "Staat im Staat." ÖVP-Politiker wie der Sicherheitssprecher Werner Amon verteidigen die Arbeit des BVT hingegen vehement. Wie sehr hier noch ein offener Machtkampf entstehen könnte, bleibt abzuwarten.Folgt VICE auf Facebook, Instagram und Twitter.