Menschen

Fragen, die der Typ aufwirft, der sich in einer Bank ein Hähnchen grillen wollte

2. Wie hungrig muss man sein?
Ein Hähnchen auf einem Holzbrett. In Görlitz hat ein Mann versucht Chicken in einer Bankfiliale zu grillen.
Foto: IMAGO / Shotshop

Görlitz ist die östlichste Stadt Deutschlands, man kennt sie vor allem dafür, dass sie sehr hübsch ist und wegen des hohen Anteils an AfD-Wählern. Görlitz ist also super hübsch, und zwar in etwa so hübsch, wie ein Brathähnchen lecker ist. Also sehr.

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Sonntagmorgen nun ist Görlitz sich dieses Zusammenhangs bewusst geworden, als ein 36-jähriger Mann in einer Bankfiliale Überweisungsträger aufeinandergehäuft, sie angezündet und darüber ein Hähnchen gegart hat. In seinem Blut hat man später Amphetamine gefunden.

Nun findet die Görlitzer Polizei entweder Hähnchen nicht so lecker oder Görlitz nicht so schön, jedenfalls kam sie, um das zu unterbinden. Sie kam zu spät, das Feuer war aus, das Hähnchen aber sehr wahrscheinlich trotzdem nicht durch. Es soll ein Schaden in Höhe von 800 Euro entstanden sein. 

Warum ist das eine Meldung?

Es gibt diesen einen Kommentar, den Boomer auf Facebook immer posten, wenn sie sich von einer Meldung getriggert fühlen: "Das interessiert mich, weil … ?" Dem wollen wir uns anschließen, allerdings ohne die abwertende Konnotation, denn natürlich interessiert es uns, dass ein Mann in einer Bankfiliale in Görlitz ein Brathähnchen über brennenden Überweisungsträgern garen wollte.

Allein schon wegen der Metaphorik, dieser Endzeitstimmung. Wäre dies ein Film, der in der Postapokalypse spielt, wäre das Szenario identisch: Banken als Symbol des Kapitalismus haben den Planeten unbewohnbar gemacht, jetzt müssen wir gucken, wo wir bleiben. Und für manche sind das eben die ehemaligen Geschäftsräume der kapitalistischen Tempel. Die Kulthandlungen sind längst vergessen, doch noch immer strebt der Mensch in die einst heiligen Hallen, um für wenige Minuten Frieden zu finden. 

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Wie hungrig muss man sein?

Also klar, die Antwort liegt auf der Hand: Wer sich in einer Bankfiliale ein Lagerfeuer anzündet, um darüber Fleisch zu grillen, ist hungrig. Aber wie hungrig? Sehr. Eine Verzweiflungstat, ganz offensichtlich. 

Dann wiederum ist die Frage, ob der Impuls nicht auch einfach normal ist. Wer an einem kalten Sonntagmorgen überraschend in den Besitz eines köstlichen Broilers gerät, wird den auch essen wollen. Man ist ja nicht dumm. Sondern hungrig auf das lecker krosse Fleisch, das da über dem Feuer brutzeln könnte, wenn man denn nur ein Feuer hätte. 

In Anbetracht der Köstlichkeit des Hühnchens, muss man also sagen: So hungrig muss man gar nicht sein. Ein kleiner Appetit reicht bereits. Und doch kommen wir hier zur nächsten Frage.

Wie gerät man an einem Sonntagmorgen in den Besitz von Chicken?

Ein paar Szenarien liegen auf der Hand: Containern etwa. Gestern war Samstag und samstags schmeißen Supermärkte mehr weg als an allen anderen Tagen. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten wird, am Ende eines Samstags doppelt so hoch wie an allen anderen Tagen. Womöglich hat der Mann sich also das Chicken aus dem Müll gefischt.

Vielleicht ist er aber auch an einen Chicken-Dealer geraten. Einen von denen, die des nachts umherstreifen und hungrigen Passanten in Flüsterton ihr rohes Fleischangebot feilbieten. Das Fleisch von Chicken-Dealern ist sicher nicht besonders teuer, es ist sicher nicht besonders frisch und es ist sicher nicht besonders lecker. Aber es ist halt auch Sonntagmorgen und der Chicken-Hunger kickt.

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Und auch hier schließt sich die nächste Frage an:

Wie kann man auf Speed so hungrig sein?

Drogen sind nicht gut und Amphetamine meistens eher die schmuddeligste Möglichkeit, um durch die Nacht zu kommen. Dann wiederum befinden wir uns in Görlitz, der europäische Osten ist hier näher als in allen anderen deutschen Orten. Der europäische Osten ist das Land, wo Milch und Honig fließen, wenn man mit Milch Speed und mit Honig Chrystal Meth meint. Oder halt andere illegale Substanzen. 

Der Mann hatte diese also nachweislich konsumiert, weswegen sich die Frage für alle die stellt, die bereits Erfahrungen mit Amphetaminen gemacht haben: Wie kann man high Bock auf Broiler haben? 

Die Antwort bleibt der 36-jährige Brathahnfan uns schuldig, aber am Ende ist hier ja auch der Weg das Ziel. 

Hatte er Besteck dabei?

Um an die postapokalyptische Assoziation und die Vernichtung der Zivilisation durch den ungebremsten Kapitalismus anzuschließen, fällt uns ein Karl-Marx-Zitat ein, das da lautet: "Hunger ist Hunger, aber Hunger, der sich durch gekochtes, mit Gabel und Messer gegeßnes Fleisch befriedigt, ist ein andrer Hunger, als der rohes Fleisch mit Hilfe von Hand, Nagel und Zahn verschlingt."

Das heißt: Wer Geld hat, kann seinen Hunger eher genießen als einer, der es nicht so gut hat. Und der 36-Jährige, na ja, wir wollen hier nicht über seine Lebenverhältnisse spekulieren, aber die Tatsache, dass er eine Bankfiliale zur Küche umfunktioniert, deutet darauf hin, dass die Küche daheim wenig einladend ist.

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Nun also die Frage: Plante er rohes Fleisch mit Hilfe von Hand, Nagel und Zahn zu verschlingen, oder seinen Hunger durch gekochtes, mit Messer und Gabel gegessenes Fleisch zu befriedigen? Zum Glück ist Hühnchen lecker, egal, ob man es mit Händen isst oder nicht. Nur roh sollte es nicht sein, das lernt man schon als Kind.

Was hat der Mann am Ende gegessen?

In der Meldung ist von einem "Grillversuch" die Rede. Es bleibt also zu befürchten, dass der Mann am Ende kein Brathähnchen hatte, sondern lediglich einen lauwarmen Fleischlappen. Sein Hunger – so mysteriös er auch sein mag – dürfte also nicht befriedigt worden sein. 

Das ist traurig, weil Chicken doch so lecker ist. Also bleibt zu hoffen, dass die Polizisten ihn angesichts der misslichen Lage noch mitgenommen haben zu KFC, oder wo auch immer man in Görlitz sein Fried Chicken herbekommt. Einfach für das Happy End.

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