Ein Mann mit Gitarre spielt zwischen tanzenden Menschen, er ist Teil der rumänischen Musiker, die sich gegen die Diktatur wehrten.
Dragoș Vasiliu von der Band Mondial | Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung des Archivs des Rumänischen Rock-Museums
Popkultur

Rumänien: Wie Rockbands in den 70ern das kommunistische Regime austricksten

Als der Diktator Ceaușescu englische Texte und westliche Musik verbot, wurden rumänische Musiker kreativ.
Ioana Pîrvu
Bucharest, RO

Damals, vor der Pandemie, waren Wochenenden zum Ausgehen da. Für die rumänische Jugend ein paar Jahrzehnte früher war es der Donnerstag. Tanzabende, die während der Diktatur Nicolae Ceaușescus von Jugendclubs in Schulen, Universitäten und Fabriken abgehalten wurden, brachten einige der größten Rock- und Jazzbands der damaligen Zeit hervor.

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Das kommunistische Regime konnte dem Rock-Boom, der in den 60ern große Teile der Welt erfasst hatte, nicht viel abgewinnen, aber man tolerierte es. Jedenfalls solange, bis eine Band oder ein Bandmitglied aus der Reihe tanzte. Tatsächlich war es das Regime selbst, das einen Raum für junge Menschen schuf, in dem sie zusammenkommen und ihre Lieblingsmusik hören konnten. Da Ceaușescu allerdings die kulturellen Freiheiten immer weiter einschränkte, mussten die Künstlerinnen und Künstler sich Strategien überlegen, um sich in dem repressiven System ein paar Freiheiten zu bewahren.

1969 öffnete in Bukarest der Club A. In der Underground-Location, die ursprünglich für Treffen von Architektur-Studierenden und ihren Gästen gedacht war, fanden Rockkonzerte, Tanzaufführungen, Poesie-Lesungen und Folk- und Jazzabende statt. Den Ort gibt es übrigens bis heute und er wird immer noch von Studierenden betrieben.

Eine Band spielt auf einer Bühne vor sitzendem Publikum, der Sänger ist im Sprung

Ein Auftritt der Band Mondial

Ein Jahr nach seiner Eröffnung veranstaltete der Club A das erste Musikfestival in Bukarest überhaupt, ein Bandwettbewerb. Die Veranstaltung dauerte sechs Tage und fand an verschiedenen Orten in der Stadt statt.

Während im Westen in den 70ern die Charts von Künstlern wie Pink Floyd, den Rolling Stones oder Led Zeppelin dominiert wurden, sollten rumänische Bands Musik nach dem Geschmack "der glorreichen Eiche aus Scornicești" machen, wie sich Ceaușescu auch nennen ließ.

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Eine Band spielt auf einer Bühne vor sitzendem Publikum

Ein Auftritt der Band Olympic '64

Der neostalinistische Diktator war durch China und Nordkorea gereist und begeistert von dem, was er dort gesehen hatte: Versammlungen von Zehntausenden jungen Menschen, die begeistert den Kommunismus abfeiern. Ceaușescu wollte das asiatische Modell in Rumänien einführen. Ein zentrales Element davon war patriotische Musik, die die dekadente Musik westlichen Ursprungs verdrängen sollte.

1971 wurde es in Rumänien verboten, auf Englisch zu singen. In seiner berühmten Juli-Thesen-Rede attackierte "das Genie der Karpaten" – eine weitere Bezeichnung für Ceaușescu – Kreative und Intellektuelle und führte eine strenge Kulturreform ein. Bands durften von da an nur noch die positiven Aspekte des rumänischen Lebens betonen.

Auftritt einer Band auf einem großen Perserteppich

Die Band Phoenix bei einem Auftritt 1964

Die Künstlerinnen und Künstler fanden allerdings Wege, um diese Regeln zu umgehen. Sie schrieben Lied-Texte, die auf klassischen Gedichten basierten, oder ließen die Texte einfach ganz weg. Andere Bands benutzten obskure rumänische Übersetzungen von Hits aus dem Ausland, um den kritischen Blicken der Behörden zu entgehen – was aus anderen Gründen damals auch in westlichen Ländern üblich war, siehe Cindy und Bert. Wenn sie Lieder auf Rumänisch schrieben, verwendeten sie Wörter, die zwar zusammen wenig Sinn ergaben, gesungen aber wie Englisch klangen. Die Bands verzichteten außerdem auf den Begriff Rock, der in der Diktatur als subversiv galt, und bezeichneten sich stattdessen als "instrumental-gesangliche Musikensemble". 

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Mit alldem gelang es den Menschen in Rumänien, Rock auch während der Diktatur Ceaușescus lebendig zu halten. Diese Ära, die im Archiv des Rumänischen Rock-Museums verewigt ist, war nicht nur geprägt durch die Bands, die dem repressiven Staat trotzten, sondern auch durch die Orte, die ihnen dabei halfen.

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