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Hunderte Tonnen von Plastik sind irgendwo in den Ozeanen verschwunden

Eine heute veröffentlichte Studie zeigt vier Szenarien möglicher Gründe für das Verschwinden des Mülls.

Um die 40.000 Tonnen Plastik schwimmen auf der Oberfläche unserer Ozeane. Und obwohl es sich dabei um eine unvorstellbar riesige Menge handelt fragen sich die Forscher: Wo zum Teufel ist der Rest geblieben?

Der Plastikmüll, der seit Mitte der 1970er Jahre in die Ozeane gekippt wurde, ist enorm und verschwindet nicht so einfach. Irgendwo muss er sein und diese unbeantwortete Frage ist beängstigend.

In einem heute in Proceedings of the National Acadamy of Science veröffentlichten Bericht, dokumentiert Andrés Cozar von der spanischen Universität in Cadiz zusammen mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern, dass die „Masse des im Ozean schwimmenden Plastiks und ihr endgültiger Zielort noch immer unbekannt seien".

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„Eine konservative erste Schätzung des Plastiks, welches seit den 1970er Jahren im offenen Wasser treiben muss, ist 100mal größer als die Schätzung des Plastiks, welches zur Zeit im Ozean zu finden ist.", schreibt Cozar. "Riesige Mengen an Plastikfragmenten von Mikrometern bis zu einigen Millimetern Größe werden in der Oberflächenbelastung vermisst. Die Wege und endgültigen Schicksale des verschwundenen Plastiks sind noch immer unklar."

Cozar präsentiert nun verschiedene Theorien, eine der wahrscheinlichsten lautet, dass Fische das Mikroplastik fressen—entweder weil sie es für Plankton halten oder es mit dem Plankton aufnehmen, da sich die Partikel zunehmend darauf ansiedeln—und es daraufhin wieder ausscheiden. Die Fäkalien sinken durch ihr größeres Gewicht auf den Grund, wo sich das Plastik daraufhin sammelt.

Das klingt weder besonders angenehm noch handelt es sich dabei um eine gute Nachricht, wenn man nach Möglichkeiten sucht, den ganzen Müll aufzuräumen.

Die Ergebnise der Studie von Andrés Cozar. Bild: PNAS | Mit freundlicher Genehmigung von Andrés Cozar.

Auch wenn wir nicht wissen, wo sich das ganze Zeug hin verirrt, heißt es nicht, dass in den Ozeanen der Erde keine riesigen Mengen von Mikroplastik herum schwimmen. Unter normalen Umständen geht Plastik im Wasser nicht unter, 88 Prozent der mehr als 3.000 Proben, die das Forscherteam untersuchte beinhalteten Mikroplastik.

Wie zu erwarten befinden sich 35 Prozent der gesamten Menge an Mikroplastik im Nord Pazifik, Heimat des Great Pacific Garbage Patch, einer riesigen Insel aus Plastik. Weitere Müll sammelnde Wirbel gibt es im Nord- und Süd-Atlantik und dem südlichen Indischen Ozean.

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In den 1970er Jahren schätzte die National Academy of Sciences, dass jährlich ungefähr 45.000 Tonnen Plastik ihren Weg in die Ozeane finden. Und das war bevor sich die jährliche Plastikproduktion verfünffachte—2010 wurden weltweit zum Beispiel 265 Millionen Tonnen Plastik hergestellt.

Das bringt uns zu der anfänglichen Frage zurück: Wo ist das ganze Plastik geblieben? Keine von Cozars Antworten beinhaltet besonders gute Nachrichten für die Meeresökologie.

Küstenablagerung: Das Plastik hat sich aus den Wirbeln in der Mitte des Ozeans befreien können und ist zurück zur Küste getrieben. Diese Annahme ist aus offensichtlichen Gründen, allen voran die physikalischen Grundsätze, sehr unwahrscheinlich.  Die Ozeanwirbel sind in der Regel sehr groß und lassen das Wasser zirkulieren. Das Plastik sammelt sich in der Mitte und kann es kaum schaffen, dieser Falle zu entkommen. Cozar schrieb, „Eine Anschwemmung an die Küste millimetergroßer Fragmente, die in einem zentralen Ozeanwirbel gefangen sind, ist unwahrscheinlich."

Nanofragmentierung: Hinter dieser Theorie steht die Annahme, dass sich das Mikroplastik in „Nanoplastik" verwandelt hat, welches extrem schwierig aufzuspüren ist. Normalerweise bricht Plastik in kleinere Teile aus einander, ein Prozess, an dem auch die Sonneneinstrahlung beteiligt ist, doch Cozar sagt, es gäbe keinen Grund anzunehmen, das eine „solar-begründete Fragmentierung" seit den 1980er Jahren zugenommen hat.

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Wenn sich Plastik in kleinere Stücke zersetzt, könnte der Auslöser dafür eher eine bestimmte Bakterienart oder Plankton sein. „Dazu gibt es einige Untersuchungen." Aktuelle mikroskopische Aufnahmen von Mikroplastik-Oberflächen zeigten und deuten darauf hin, dass Ozeanbakterien bei der Zersetzung möglicherweise die Fragmentierungsdynamiken beeinflussen.", schrieb Cozar.

Biofouling: Wir haben beobachtet, wie Tiere ihre Behausungen aus Plastik bauen und Riffe Plastik in ihre Struktur einarbeiten—solch ein Prozess wird als Biofouling bezeichnet. Cozar deutet an, dass sich Organismen auf dem Plastik ansammeln und dieses sehr langsam zum Sinken bringen, denn die Dichte des Meerwassers nimmt mit der Tiefe zu.

Dieses ist eine weitere Möglichkeit, auch wenn Tests bewiesen haben, dass Plastik ein schlechter Lebensraum für jeglichen Organismus darstellt. „Experimente zeigten, dass Plastik im Zustand des Biofouling seine organischen Ablagerungen unter Wasser sehr schnell wieder abstreift und dann an die Oberfläche zurück kehrt", ist in dem Bericht zu lesen.

Aufnahme: Diese wenig schöne Variante ist die wahrscheinlichste, so Cozar. Mikroplastik hat teilweise eine ähnliche Größe wie Zooplankton, ein sehr wichtiger Bestandteil der meeresbiologischen Nahrungskette. Vorhergehende Studien belegten, dass bei Fischen, die sich von Plankton ernähren, oft Plastik in den Mägen zu finden war. Es ist also nicht weit her geholt anzunehmen, dass dieses beim Ausscheiden  auf den den Meeresgrund absinkt.

„Der Mageninhalt planktonfressender Fische  wird als langer schleimiger Stuhl entleert, der dann eine Kugelform annimmt und mit hoher Geschwindigkeit zum Meeresboden sinkt.", schrieb er. „So können Mikroplastikpartikel auch durch Fäkalien den Boden erreichen. Eine Annahme, die jedoch noch weiter überprüft werden muss."

Die allumfassende Antwort ist möglicherweise eine Kombination dieser vier Szenarien. Bevor wir endlich das verschwundene Plastik aufgespürt haben und sich im Zuge dessen Ideen für dessen Beseitigung diskutieren lassen, können wir ja schon einmal damit anfangen, den sichtbaren Plastikmüll aufzuräumen.