Die Cannabislegalisierung wird derzeit überall diskutiert. Allerdings dauert es noch, bis sie kommt. Was die Ampel-Koalition hingegen schon früher einführen will: Drugchecking, das Testen von Substanzen auf ihre Inhaltsstoffe, plus Beratungsgespräch. Nach Informationen von VICE arbeiten SPD und Grüne gerade daran, das Betäubungsmittelgesetz zu ändern.
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Geht es nach dem Willen der drogenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher und dem Drogenbeauftragten der Bundesregierung, soll eine Gesetzesänderung noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Vor allem die Grünen arbeiten derzeit intensiv an der Umsetzung. Das Prinzip hinter Drugchecking ist einfach und einleuchtend: Konsumierende können die Inhaltsstoffe ihrer Drogen im Labor vonFachpersonal testen lassen – und erhalten eine Beratung zu sicherem Konsum und Schadensminimierung.Dort wird anonym untersucht, welche Wirkstoffe, welche unerwünschten Streckmittel oder Produktionsrückstände die Substanzen enthalten und in welcher Konzentration. Das alles sind Infos, die auf einem illegalisierten und damit unkontrollierten Drogenmarkt nicht anders zu haben sind; vergleichbar mit dem Beipackzettel von Medikamenten, der Zusammensetzung und Dosierungsanweisungen enthält und Risiken und Nebenwirkungen klar benennt.
Drugchecking rettet Leben
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Auch die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht spricht sich klar für Drugchecking aus. Denn der Drogenmarkt wird immer unübersichtlicher wegen der zahlreichen neuen psychoaktiven Substanzen, die es mittlerweile gibt. Obwohl all das seit Jahren bekannt ist, wurde Drugchecking nie deutschlandweit umgesetzt, bis auf wenige zeitlich begrenzte regionale Ausnahmen.Die einzige offizielle Ausnahme ist ein kleines Drugchecking-Modellprojekt in Thüringen, das vom links-geführten Thüringer Gesundheitsministerium bezahlt wird. Dort wird mobiles Drugchecking in Clubs und auf Festivals angeboten – mithilfe von Do-it-yourself-Schnelltests. In Berlin steht der Start des seit langem diskutierten Drugchecking-Projekts wohl unmittelbar bevor. Das ist nur deshalb möglich, weil das rechtsmedizinische Institut, das die Analysen machen wird, eine Ausnahmegenehmigung zum Umgang mit "Betäubungsmitteln" hat. Polizei und Staatsanwaltschaft kooperieren mit dem Institut und der Politik. Es ist ein wackeliges Konstrukt, das nur mit dem Wohlwollen aller Beteiligten funktioniert. Im Berliner Senat gab es zudem vor der Wahl noch eine politische Mehrheit für das Drugchecking. Ob eine CDU-geführte Regierung dabei bleibt, muss man sehen. Alle anderen Initiativen, Drugchecking im Bund oder auf Länderebene zu ermöglichen, scheiterten bislang immer am Veto der Union – und bis vor einigen Jahren auch noch an der ablehnenden Haltung von FDP und SPD. Weil die beiden Parteien aber mittlerweile in in ihrem drogenpolitischen Kurs liberaler geworden sind, steht nun im Koalitionsvertrag der Ampel der Satz: "Modelle zum Drugchecking und Maßnahmen der
Nur Thüringen hat ein Modellprojekt
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Schadensminimierung ermöglichen wir und bauen wir aus." VICE hat bei den zuständigen Politikerinnen und Politikern nachgefragt."Wir wollen eine gesetzliche Grundlage für Drugchecking schaffen", sagt die drogenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Linda Heitmann. "Daran arbeiten wir auch gerade schon." Auch Burkhard Blienert, dem Drogenbeauftragte der Bundesregierung (SPD), scheint Drugchecking wichtig zu sein. Das sei kein Thema für 2024 oder 2025, teilt Blienert schriftlich mit. "Seit sieben Jahren steigen die Zahlen der Drogentoten immer weiter", erklärt Blienert. "Da muss dieses Jahr etwas passieren." Das Problem ist nur: Genau wie bei der Cannabislegalisierung liegt die Initiative auch beim Drugchecking im Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach. Und für den scheinen drogenpolitische Themen zweitrangig zu sein. Jedoch – da sind sich die Sprecherinnen und Sprecher von Grünen und SPD und der Bundesdrogenbeauftragte einig: Eine gesetzliche Neuregelung zum Thema Drugchecking soll nicht erst nach der Cannabislegalisierung folgen. Aktuell werden drei Wege diskutiert. Möglichkeit eins sieht vor, das Betäubungsmittelgesetz durch einen Paragraph zu ergänzen, der sich an den gesetzlichen Regelungen für Drogenkonsumräumen orientiert. Das sind Räume, in denen Menschen Substanzen wie Heroin, Crack oder Kokain geschützt vor Strafverfolgung und Stigmatisierung konsumieren können und in denen ihnen im Sinne der Schadensminimierung steriles Spritzbesteck, Einweghandschuhe, Pflaster, Tupfer und Alkotipps zur Verfügung stehen. Paragraph 10a im Betäubungsmittelgesetz erlaubt es den Bundesländern, durch eigene Rechtsverordnungen die Voraussetzungen für solche
1. Variante: Der Bund macht's möglich, die Länder setzen um
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Drogenkonsumräume zu schaffen. Nach demselben Prinzip könnte ein neu eingefügter Paragraph 10b im Betäubungsmittelgesetz den Bundesländern erlauben, landesweit Drugchecking-Projekte einzuführen. Diese Idee stammt aus einem Gesetzesantrag, den das Hessische Sozialministerium im November 2020 in den Bundesrat eingebracht hat. Zwar wurde damals eine Umsetzung vom medizinischen Ausschuss im Bundesrat empfohlen. Trotzdem wurde der Antrag unter den 2020 herrschenden Mehrheitsverhältnissen wieder zurückgezogen, weil nicht mit einer Zustimmung zu rechnen war. Das wäre heute möglicherweise anders. Der Vorteil: Die Innenministerien und damit auch Staatsanwaltschaft und Polizei sind Ländersache. Müssen die Länder per Verordnung selbst Regelungen schaffen, um Drugchecking umzusetzen, könnten sie die Strafverfolgungsbehörden direkt mit einbeziehen. Denn Drugchecking-Projekte sind de facto nur dann umsetzbar, wenn die Polizei genau wie bei Drogenkonsumräumen im angemessenen Umkreis auf Kontrollen verzichtet – sowohl bei Userinnen und Usern, als auch beim Personal an den Annahmestellen, das die Drogen entgegennimmt. Der Nachteil: Das Gesetz muss durch den Bundesrat. Selbst wenn es dort die erforderliche Mehrheit bekommt, werden – genau wie bei Drogenkonsumräumen – nicht alle Bundesländer mitmachen, sondern nur die, in denen eine progressive Drogenpolitik eine politische Mehrheit hat. Drogenkonsumräume gibt es aktuell in Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, NRW und im Saarland. In
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Bayern dagegen wird die Verabschiedung einer Verordnung zur Erlaubnis von Drogenkonsumräumen seit Jahren durch die CSU-geführte Regierung verweigert – obwohl sich sowohl der Bayerische Städtetag und die Bayerische Landesärztekammer als auch Drogenhilfeeinrichtungen in Nürnberg und München seit Langem dafür stark machen. Entsprechend hätte Drugchecking in Bayern vermutlich keine Chance. Der drogenpolitische Sprecher der SPD, Dirk Heidenblut, hält diesen Vorschlag für am schnellsten und einfachsten umsetzbar. "Der Bund würde die Möglichkeit für Drugchecking eröffnen, alles Weitere regeln die Länder."Dass der Vorschlag die notwendige Mehrheit im Bundesrat bekommt, hält er für wahrscheinlich. Im Gegensatz zu 2020 sind in Niedersachsen und NRW – zwei bevölkerungsreichen Bundesländern mit viel Stimmgewicht – die Grünen mit in der jeweiligen Koalition. "Ich sehe nicht, warum die Bundesländer nicht zustimmen sollten", sagt Heidenblut. "Wenn sie beim Drugchecking nicht mitmachen wollen, können sie sich gegen eine entsprechende Verordnung entscheiden." Möglichkeit zwei wäre eine Erweiterung von Paragraph 4 im Betäubungsmittelgesetz. Paragraph 4 regelt, wer keine Ausnahmegenehmigung braucht, um mit verbotenen "Betäubungsmitteln" zu hantieren. Aktuell sind das Apotheken und bestimmte Bundes- und Landesbehörden, wie beispielsweise rechtsmedizinische Institute. Um Drugchecking bundesweit möglich zu machen, müssten anerkannte Träger der Drogenarbeit ebenfalls in Paragraph 4 aufgelistet sein. Bislang brauchen Suchthilfeträger und Drogenberatungsstellen nämlich eine Ausnahmegenehmigung, um mit illegalen Substanzen umgehen zu dürfen. Und die hat das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte für Drugchecking-Projekte in der Vergangenheit einfach noch nie erteilt. Diesen Vorschlag, hat der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik akzept e.V. ausgearbeitet – also diejenigen, die täglich Suchtberatung und Aufklärungsarbeit leisten.
2. Variante: Der Bund entscheidet für alle Länder
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Der Vorteil: Das wäre eine Lösung für ganz Deutschland. Die einzelnen Bundesländer müssen keine extra Verordnungen erlassen. Mitarbeitende von Annahmestellen würden sich auch nicht mehr strafbar machen, wenn sie Substanzproben entgegennehmen. Der Nachteil: Für die konkrete Umsetzung wäre auch hier die Kooperation von Polizei und Staatsanwaltschaft in den einzelnen Bundesländernnotwendig. Denn wer geht schon mit illegalen Substanzen in der Tasche zur Abgabestelle, wenn die Polizei davor steht, um zu kontrollieren? Ob sich auf Bundesebene eine Vorgabe für die Polizeibehörden aller Länder machen lässt, so dass sie auf Kontrollen vor Drugchecking-Angeboten verzichten müssen, ist unklar. Linda Heitmann von den Grünen sagt, aktuell werde im Bundesgesundheitsministerium juristisch geprüft, ob es möglich ist, die Vorbehalte einzelner Bundesländer – besonders der Innenministerien – mit dieser zweiten Lösung zu umgehen. Das Bundesgesundheitsministerium gibt dazu auf Nachfrage keine Auskunft. Dirk Heidenblut von der SPD ist skeptisch. "Mit einer solchen Vorgabe müsste auch diese Gesetzesänderung sehr wahrscheinlich den Bundesrat passieren", sagt er. Einfach deshalb, weil die Polizeibehörden den jeweiligen Innenministerien der Länder unterstehen. Zustimmung: ungewiss. Denn diese Variante würde alle Länder zum Drugchecking verpflichten. Bei Variante eins hingegen können sie sich dagegen entscheiden.
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