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Antisemitismus

Das Dilemma, als israelischer Fußballprofi in Europa zu spielen

Angesichts des wachsenden Antisemitismus in Europa fühlen sich mehr und mehr israelische Fußballprofis im Ausland gezwungen, eine Rückkehr nach Israel in Erwägung zu ziehen.

Nur zwei Tage nach dem Attentat auf die Redaktionsräume der Satirezeitung Charlie Hebdo, haben Terroristen einen jüdischen Supermarkt in der französischen Hauptstadt überfallen und insgesamt vier Menschen getötet. Der französische Präsident Francois Hollande bezeichnete den Anschlag als „„zweifelsohne antisemitisch". Schon vor dem Überfall konnte in Europa ein zunehmender Antisemitismus beobachtet werden, der sowohl von radikalen Islamisten als auch von immer stärker werdenden rechtsextremen und neofaschistischen Parteien—wie Griechenlands Goldene Morgenröte—geschürt wird.

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Juden in ganz Europa fordern nach der jüngsten Serie von Terroranschlägen von ihren Regierungen mehr Schutz für jüdische Gemeinden, Schulen und Synagogen. Gleichzeitig haben führende Politiker in Israel Juden im europäischen Ausland dazu aufgefordert, schnellst möglich nach Israel auszuwandern.

„„Die Juden in Europa müssen verstehen, dass es für sie nur einen einzigen Ort gibt—und das ist der Staat Israel", findet der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu. Diese Auffassung wird auch von Yair Lapid—Chef der israelischen Jesch-Atid-Partei—geteilt, wie an folgender Botschaft deutlich wird: „„Ich möchte allen französischen und europäischen Juden sagen: Israel ist eure Heimat."

Aber wie sieht es mit jüdischen Fußballspielern aus Israel aus, die aktuell bei ausländischen Vereinen in Europa unter Vertrag stehen? Haben sie es eilig, nach Israel zurückzukehren?

„„In diesen Tagen ist es definitiv alles andere als leicht, in Europa Jude zu sein", so ein israelischer Fußballspieler, der anonym bleiben möchte. „„Meine Frau und ich sprechen nicht auf Hebräisch miteinander, wenn wir unterwegs sind. Vor allem wenn wir uns in arabisch dominierten Vierteln bewegen oder uns in der Nähe von arabischen Restaurants aufhalten. Aufgrund der Terrorgefahr in ganz Europa machen wir gerade sehr anstrengende Zeiten durch. Darum sind wir mittlerweile auch viel vorsichtiger als vorher."

Foto via WikiMedia Commons

Zur selben Zeit betont Tomer Hemed, der schon seit Jahren erfolgreich in der ersten spanischen Liga spielt und aktuell für UD Almería auf Torejagd geht, dass er sich keine Sorgen macht. Er glaubt, dass es in Spanien viel sicherer ist als in anderen europäischen Ländern. Außerdem ist er stolz darauf, als Israeli in Europa zu leben. „„Ich bin jetzt nicht nervöser als vor den Anschlägen", so Hemed. „„Ich fühle mich sicher und wohl in dieser Stadt. Hier ist alles gut."

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Ein weiterer israelischer Profifußballer, der 29-jährige Verteidiger Idan Weitzman, sagt, dass auch ihm die Terroranschläge nicht groß zugesetzt haben. Weitzman hatte 2013 für eine kleine Überraschung gesorgt, als er bekannt gab, beim PFK Simurq Zaqatala—einem Verein in der ersten aserbaidschanischen Liga—anzuheuern. Seine Entscheidung kam vor allem deswegen überraschend, weil zu dem Zeitpunkt schon mehrere Berichte von geplanten Anschlägen gegen jüdische und israelische Ziele in Aserbaidschan—darunter auch ein versuchtes Bombenattentat gegen die israelische Botschaft in der Hauptstadt Baku—bekannt geworden waren. Bisher konnten aber alle Anschläge von aserbaidschanischen Sicherheitskräften vereitelt werden.

Trotz der geplanten Anschläge gegen Juden und Israelis in den vergangenen Jahren erklärt Weitzman, dass er sich hundertprozentig sicher fühle. Außerdem würden ihn die einheimischen Leute respektieren. „„Wenn ich nach Baku fahre und mich dort mit dem örtlichen Chabad-Rabbiner treffe, stört uns niemand dabei. Ich kann auch ohne Probleme auf Hebräisch sprechen und singen. Das ist hier keine große Sache."

Doch dieses Gefühl der Sicherheit scheint nicht auf jeden Spieler zuzutreffen. Anfang Januar spielten noch zwei israelische Fußballer in der ersten französischen Liga. Eliran Atar für Stade Reims und Itay Shechter für den achtmaligen Meister FC Nantes. Doch nur einen Monat später—also nach dem Angriff auf den jüdischen Supermarkt in Paris—spielte Atar schon wieder in Israel, wo er einen langfristigen Vertrag bei Maccabi Haifa unterschrieben hat. Auch Shechter ist mittlerweile zu Haifa gewechselt.

Am Tag des Terroranschlags in Paris meinte Shechter zu dem israelischen Nachrichtensender ONE: „„Die Situation ist recht nervenaufreibend. Für gewöhnlich kaufe ich mein Fleisch in demselben Laden ein. Eigentlich wollte ich da heute hin. Und auch in die Synagoge. Doch da werde ich heute nicht mehr hingehen."

Auch wenn man die Reaktionen der israelischen Fußballspieler nicht gerade als einheitlich beschreiben kann, wird doch deutlich, dass sich einige von ihnen die warnenden Worte aus der israelischen Politik zu Herzen genommen haben—und schnurstracks in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Gleichzeitig hält der Reiz, in Europa zu spielen, gepaart mit einer insgesamt relativ guten Sicherheitslage in den meisten europäischen Staaten, die im Ausland unter Vertrag stehenden Spieler davon zurück, massenweise nach Israel zurückzukehren—zumindest für den Moment. Sollten sich nämlich antisemitische Angriffe und Anschläge in Europa zu einem andauernden Problem entwickeln, wäre das ohne Zweifel ein herber Rückschlag für den israelischen Fußball, der sich aktuell, dank einer Vielzahl vielversprechender Talente, im Aufwind befindet. Denn dann hätten die Stars von morgen wohl keine andere Wahl, als vorerst ausschließlich zur ihrer eigenen Sicherheit (!) in der israelischen Liga aufzulaufen.