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Die „Alienmumie“, die die Erde besuchte und die Welt 10 Jahre lang in Atem hielt

Selbst renommierte Genforscher konnten das Rätsel der bizarren Kreatur aus der Wüste nicht abschließend klären.
Bild: Screenshot/Yotube Sirius Disclosure

Vielleicht meinte es die Alienmumie aus der chilenischen Wüste nur gut mit uns. Der Umstand, dass „Ata"—der Humanoide aus der Atacama-Wüste—schon vor einem Jahrzehnt entdeckt und später zumindest teilenträtselt wurde, erspart uns heute die gröbsten Diskussionen um den rätselhaften Fund. In einer Zeit, in der allerorten die Verschwörungssuppe bis zum Überlaufen hochkocht, hätte uns der vermeintliche Besucher aus dem All mit Sicherheit weitere unsägliche Debatten aus der Internetküche beschert. Heute wäre Ata wohl einer CIA-Vertuschungsaktion zum Opfer gefallen, von der Gülen-Bewegung instrumentalisiert worden und von Merkel höchstoffiziell auf unseren Planeten eingeladen worden, um mit einer Migrationsflut aus dem All die Deutschen endgültig auszulöschen.

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Doch die Geschichte von Ata, der bizarren Mikro-Mumie, die uns im Jahr 2003 heimsuchte, liest sich trotzdem wie ein Beispieltext aus einem SciFi-Drehbuchmanual: Ein Mann namens Oscar Muñoz, dem El Mercurio zufolge ein „Sammler von Wertsachen in der Pampa", findet bei einem seiner Streifzüge durch die chilenische Wüste eine seltsame Kreatur nahe der Geisterstadt La Noria: Das Wesen—eine Art Zwitter aus Mumie, Alien und menschlichem Fötus—ist 15 Zentimeter groß, hat einen aufgeblähten Schädel, riesige Augenhöhlen und eine schlanke Statur. Pampa-Sammler Muñoz findet das leblose Geschöpf in der Nähe eines Friedhofs, eingewickelt in ein weißes Tuch, von einem violettem Band umschlossen.

Als wäre das noch nicht genug Stoff für wilde Spekulationen, existiert der Fund zunächst nur auf Fotos eines „Ufoforschers" aus Iquique, der damit die schon bald hyperventilierende Regionalpresse versorgt. Die Kreatur selbst verschwindet plötzlich, scheint wie vom Erdboden verschluckt. Gerüchte werden kolportiert, das seltsame Wesen habe mehrmals den Besitzer gewechselt, und am Ende einen Preis von 80 Millionen Pesos (umgerechnet 110.000 Euro) erzielt.

Jahre später landet Ata wie von Geisterhand in den Händen des Ufologen Steven Greer, auf einem Ufo-Kongress in Barcelona. Greer, der eigentlich Notarzt ist, will endlich beweisen, dass wir nicht alleine auf der Erde sind und dreht eine Doku über Kornkreise, seine eigenen Vorträge und Ata, der Mikro-Mumie aus dem All.

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Bis heute findet die Doku mit dem Titel „Sirius"—bezeichnenderweise der Name des hellsten Sterns am europäischen Nachthimmel—eine stattliche Anzahl an Zuschauern auf YouTube, und immerhin zehn Minuten des knapp zweistündigen Streifens widmet Ufo-Funktionär Greer zwei Naturwissenschaftlern von der Standford-Uni, die dem rätselhaften Geschöpf mit naturwissenschaftlichen Methoden zu Leibe rücken wollen: Der eine, Gerry Nolan, ist renommierter Genforscher; der andere, Ralph Lachman, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Skelettfehlbildungen.

Nolan habe damals über einen Freund von Ata gehört und daraufhin Greer kontaktiert, wie das Sciencemag berichtet. Der Naturwissenschaftler macht dem Ufologen ein ungewöhnliches Angebot: Er werde Ata höchstpersönlich einer Untersuchung unterziehen. Greer willigt ein.

Die Auflösung

Die Ergebnisse der DNA-Untersuchung, die im Frühjahr 2013 veröffentlicht wurden, ließen am Ende viele Fragen offen: Zwar konnte Nolan laut eigenen Angaben nachweisen, dass Ata der Sohn einer Indiofrau aus der Atacamawüste sei, doch für eine genauere Identifizierung reichte es nicht. Auch blieb Nolan den Beweis schuldig, wann Ata gelebt haben könnte. Immerhin konnte er feststellen, dass die Mumie „älter als 30, 40 Jahre" sei.

Bild: Screenshot/YoTube Sirius Disclosure Disclosure

Auch Lachmans Skelettanalyse brachte keine letzte Klarheit: Die extreme Kleinwüchsigkeit bei Ata sowie die Anzahl von nur zehn Rippen (beim Menschen normal sind 12, selten elf) gehören in keine „Klasse von Störungen und Syndromen", die ihm bekannt sei. Zumindest sei er sich sicher, dass es sich nicht um einen Fötus handeln könne, denn die Knochenkerne, die er in Atas Kniefuge fand, bilden sich beim Menschen erst in der Kindheit. Er gehe davon aus, dass Ata zum Zeitpunkt seines Todes zwischen sechs und acht Jahre alt gewesen sein muss.

Beide Wissenschaftler betonen, dass das Wesen zweifellos menschlicher Natur sei, doch lassen sich die zahlreichen genetischen Anomalien in ihrer Gesamtheit nicht klären. Genforscher Nolan spricht gar von einem „schockierenden" Befund. Das wenig befriedigende Fazit der Stanford-Cracks beschreibt Ata als „interessantes medizinisches Rätsel eines unglücklichen Menschen mit einer Serie von Geburtsfehlern".

Nicht unbedingt hilfreich in dem Zusammenhang war zudem Nolans Ankündigung, mit der Analyse „widerlegen zu wollen, dass irgendetwas unüblich oder paranormal" an Ata sei, noch bevor er überhaupt mit der Arbeit begonnen hatte. Dass der Akademiker von der kalifornischen Elite-Uni mit seiner rhetorisch großspurigen Ankündigung mächtig Öl in Verschwörungsfeuer goss, versteht sich von selbst.

Und so kommt es, das Ufo-Exeget Greer noch heute fleißig Alien-Theorien verbreitet, die angeblich „illegale Ufo-Forschung" befreien möchte und Q&A-Schulungen zu diesem wundersame Wesen aus der Atacama-Wüste anbietet. Seine Gegner haben es ihm auch nicht allzu schwer gemacht.