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Astronomen glauben zu wissen, warum das Universum dunkel ist

Es ist ein uraltes astronomisches Paradoxon: Warum ist der Himmel dunkel, wenn das Universum doch voller Sterne ist? Ein Galaxien-Zensus glaubt, das Rätsel beantwortet zu haben. Eins hat er schon definitiv herausgefunden: Es gibt 20 mal mehr Galaxien...
Ein Galaxiencluster in unserer Nachbarschaft. Bild: ESO

„Warum ist es nachts dunkel?", gehört wohl neben „Woher kommen Babies?" und „Wo ist eigentlich Omas Oma?" zu den Top 3 der nicht so ganz einfach zu beantwortenden Kinderfragen. Eine neue astrophysische Studie, die das Zeug hat, auch Erwachsenen das kindliche Staunen in Sekundenbruchteilen zurückzugeben, hilft nun vielleicht zumindest bei der Beantwortung der ersten Frage—und vielleicht auch bei der Lösung eines jahrhundertealten Paradoxons.

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Mit Hilfe des guten alten Hubble-Weltraumteleskops und Bildern aus anderen Observatorien haben Astronomen um Christopher Conselice kürzlich den bislang vollständigsten Zensus von Galaxien in dem kleinen Teil des von uns observierbaren Universums—der sogenannten „Hubble Bubble"—vorgestellt. So ungefähr 100 Milliarden Galaxien sollten sich darin befinden—das war zumindest die Schätzung bislang. Wie nun bekannt wurde, lagen wir damit wirklich total daneben.

Die Animation zeigt die Veränderung der Galaxiendichte in verschiedenen Epochen des Universums.

Dank der Veröffentlichung im Astrophysical Journal wissen wir nämlich, dass die tatsächliche Summe zwischen einer und zwei Trillionen Galaxien liegt. Es gibt da draußen also zehn- bis zwanzigmal mehr Galaxien als bislang angenommen, womit sich auch die Sternenpopulation ein gutes Stückchen in Richtung „unfassbar viele" verschiebt: Hier können wir nun mit ungefähr 7 Sextillionen Sternen rechnen, was aber als Zahl noch viel schöner aussieht: 700 000 000 000 000 000 000 000!

Warum also sehen wir nachts nur samtiges Schwarz mit ein wenig Glitzer darin und keinen strahlenden Himmel voller leuchtender Sterne, wenn der Kosmos doch so voll davon ist?

Wie oben schon erwähnt bezieht sich dieses vollgestopfte Universum nur auf den Teil, den wir überhaupt untersuchen können. Wenn das jetzt noch kein Grund ist, sich als ein wunderbar winziger und unbedeutender Teil eines gigantischen Ganzen zu fühlen, liefert die Studie noch einen weiteren hochinteressanten Aspekt, denn wie die Forscher selbst schreiben: „Die Ergebnisse haben eindeutige Implikationen für die Galaxienbildung, helfen aber auch, Licht auf ein uraltes astronomisches Paradoxon zu werfen—warum ist der Himmel nachts dunkel?"

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Diese täuschend simple Frage, auch Olbers'sches Paradoxon genannt, gibt Astronomen bereits seit Hunderten von Jahren Rätsel auf. Denn sie hat natürlich nichts mit dem Sonnenstand auf der Erde zu tun, sondern bezieht sich auf die allgemeine Leuchtkraft des Universums. Warum also sehen wir nachts nur samtiges Schwarz mit ein wenig Glitzer darin und keinen strahlenden Himmel voller leuchtender Sterne, wenn der Kosmos doch so voll davon ist?

Die neuen Bilder könnten zumindest einen Anhaltspunkt liefern. Denn die ersten maßgeblichen Einblicke in die fernsten Galaxien, auf denen auch die widerrufene „100 Milliarden-Annahme" beruht, lieferte das Hubble-Teleskop bereits in den 90er Jahren. Bei der neuen Untersuchung haben sich Astrophysiker nicht nur diese Untersuchungen noch einmal vorgeknöpft, sondern mit anderen Observatorien-Bildern, Ultra Deep-Field Hubble-Updates und Material von anderen Astronomen verknüpft. Neue mathematische Modelle wurden dafür auch noch verwendet; die Galaxien-Volkszählung ist also so etwas wie das erste wirklich moderne—und längt überfällige—Update der Kosmos-Geographie. Für genaue Messungen der Galaxienanzahl in verschiedenen Epochen des Universums wurden die Bilder in minutiöser Arbeit bereits im September zu einem aufwändigen 3D-Modell zusammengefügt, das ihr hier bewundern könnt:

Doch die meisten der Galaxien, die in der Universums-Pubertät entstanden, waren schwach und relativ klein—mit Massen, die den Satellitengalaxien ähneln, die unsere Milchstraße umschwirren. Als sie jedoch später miteinander zu größeren Galaxien verschmolzen (ein ähnliches Schicksal droht übrigens auch unserer Milchstraße, die in ferner Zukunft mit dem Andromedanebel kollidieren wird), nahm die Galaxiendichte im Weltraum ab. Das bedeutet also, „dass die Galaxien nicht gleichmäßig in der Geschichte des Universums verteilt sind", erläutert die Europäische Raumfahrtagentur ESA.

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Galaxien haben also in der Geschichte des Universums eine wechselhafte Evolution hinter sich—und je mehr Fusionen stattfanden, desto weniger Galaxien kann man zählen.

Zurück zur Frage, warum der Himmel nachts dunkel ist. Tatsächlich gibt es so viele Galaxien, dass jedes Stückchen Himmel tatsächlich ein Stück Galaxie enthalten muss.

Aber: Diverse Faktoren reduzieren sichtbares und ultraviolettes Licht im Universum; und daher ist das Sternenlicht unsichtbar für Menschenaugen und selbst für viele menschengemachte Teleskope.

„Es scheint, dass die Lösung für die strikte Interpretation des Olberschen Paradoxon als optisches Lichterkennungsproblem eine Kombination aus fast allen möglichen Lösungen ist — Rotverschiebung, endliches Alter und Größe des Universums, und die Absorption", schreiben die Forscher.

Conselice und sein Team schlagen folgende Erklärung vor: Gas und Staub im Weltraum würden das Licht absorbieren und den Himmel verdunkeln. Wer im Astrophysik-Grundkurs oder nachts bei BR-alpha gut aufgepasst hat, müsste jetzt eigentlich kurz aufhorchen: Denn bislang war die Prämisse genau andersherum; man dachte, dass die Hitze von unendlich vielen Sternen das staubige Universum selbst erleuchten lassen müsste und die Gas-Staubmischung eigentlich sogar zu einem zu hellen Nachthimmel beitrüge.

Nein, erwidern die Galaxien-Buchhalter um Conselice; Gas und Staub hätten das Sternenlicht aus Galaxien, deren Anzahl eben nicht unendlich ist, die manchmal auch spärlicher auftauchen, sehr weit entfernt oder in manchen Abschnitten weniger dicht verteilt sind, zu einem beträchtlichen Teil verschluckt. Zwar wird das Licht in infrarotem und ultraviolettem Licht wieder abgeben. Das können wir nur leider nicht sehen. Kurz gesagt und grob verkürzt: Es ist einfach zu staubig da draußen.