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Die letzten Atemzüge deines Handys öffnen dir den Zugang in eine völlig neue Welt

Jeder kennt es, jeder hasst es: Die Akkuanzeige blinkt schon, weit und breit keine Steckdose in Sicht. Dank dieser App kann man die letzten digitalen Atemzüge wenigstens mit anderen Leidensgenossen teilen.
Bild: Shutterstock

Ich habe etwas getan, was ich sonst um jeden Preis vermeide: Ich habe meinen Akku absichtlich an seine Grenze gebracht. Dazu habe ich bei Minusgraden im Freien telefoniert, meinen Bildschirm maximal hell eingestellt, meine Bluetooth-Kopfhörer verbunden und YouTube-Videos in Full HD bei 1080p abgespielt. Warum ich das getan habe? Um ein paar Minuten mit Fremden chatten zu können.

Denn erst, wenn der Akku-Ladestand unter fünf Prozent fällt, kann man die Chat-App Die With Me nutzen. Die App, die seit letzter Woche für iOS und Android verfügbar ist, verbindet Menschen miteinander, die gemeinsam die letzten verzweifelten Momente verbringen, bevor ihr Handy komplett den Geist aufgibt.

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Genau wie die Website von Chris Bolin, die nur offline funktioniert, ist Die With Me eine Art Gedankenexperiment: Welche neuen Möglichkeiten könnten sich uns eröffnen, wenn wir uns für einen Moment selbst vom Netz nehmen? „Gemeinsam Sterben auf dem Weg zum Offline-Frieden“, heißt es so auch in der Produktbeschreibung im AppStore.

„Wir wollten einem niedrigen Akkustand etwas Positives abgewinnen“, sagte Dries Depoorter, der Erfinder der App, gegenüber Motherboard. Aus dieser Idee entstand im Laufe des Projekts schließlich ein Chatroom. „Wir hatten so viel Spaß bei der Entwicklung“, erzählt er. „Und jetzt sehen wir, wie sich Leute mit fast leerem Akku fröhlich mit anderen Leuten darüber austauschen.“

Als ich die magische Fünf-Prozent-Grenze unterschritten hatte, startete ich die App und fand mich in einem Chatroom wieder, in dem Leute vor allem über ihren niedrigen Akkustand lamentierten. Die App verlangt von ihren Nutzern lediglich einen Nutzernamen und den Zugriff auf den Batteriestatus des Geräts. Dieser wird dann neben den Nachrichten angezeigt.

Seine Idee für Die With Me stellte Depoorter 2016 bei der jährlichen DocLab Interactive Conference in Amsterdam vor. Im November 2017 wurden die Besucher eben dieser Konferenz auch zu den ersten Versuchsperson, die die Beta-Version der App von Depoorter und seinem Partner David Surprenant testen durften.

Beinahe hätte es die Finalversion von Die With Me jedoch nicht in den AppStore geschafft. Kurz vor dem Start der App wurde bekannt, dass Apple Geräte mit altem Akku heimlich drosselt und Apple lehnte jedes Update für Die With Me im AppStore ab. Doch schließlich gelang es den Entwicklern in einem langen Prozess, ihre App doch noch durchzuboxen – und so dürfen nun auch iPhone-Besitzer ihren Geräten mit Gleichgesinnten beim Sterben zuschauen.

Die aktuelle Version von Die With Me ist ein simples, schlau gestaltetes Gimmick – eine anonyme Selbsthilfegruppe für Saftlose sozusagen. Depoorter verriet uns, dass die App ursprünglich sogar eine romantische Komponente haben sollte. „Wir hatten die Idee, eine Dating-App zu erstellen, mit der du andere Leute mit niedrigem Akkustand in deiner Nähe finden kannst“, sagte er. „Wenn ihr euch dann trefft, schmiert euer Akku ab und ihr könnt ein echtes Gespräch offline führen.“

So, ich erwecke mein Smartphone jetzt wieder zum Leben.