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Rassismus

Nach Brandanschlag auf Flüchtlingsheim: Video zeigt rassistische Hetze

"Kameraden, Sieg Heil! Hier, das können sie noch bewohnen, die Kanaken."

Februar 2016, ein Dachdecker begutachtet die Schäden in einem noch unbewohnten Flüchtlingsheim in Bautzen unmittelbar nach einem Brandanschlag. Er filmt seine Begehung und kommentiert dabei: "Kameraden, Sieg Heil. Gute Arbeit geleistet." Als er einen weiteren Raum betritt, sagt er: "Hier, das können sie noch bewohnen, die Kanaken."

Das Video wurde dem MDR-Magazin Exakt zugespielt und ist ein weiteres Indiz dafür, wie tief rechtsradikales Gedankengut in der sächsischen Stadt im äußersten Osten des Landes verwurzelt ist. Das Video liegt mittlerweile der Staatsanwaltschaft Görlitz vor, wie ein Sprecher VICE bestätigte: "Ich habe das Video gestern gesehen. Wir betrachten solche Fälle hier nicht emotional, sondern aus rechtlicher Sicht. Daher ermitteln wir zur Zeit, ob ein Strafbestand nach Paragraph 86a vorliegt, also dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen." Es gehe hier nicht um einen Einzelfall, so der Sprecher weiter: "Das passiert viel öfter, als man vielleicht denkt, dass da jemand den Arm hochreißt und die HH-Parole ruft, daher gibt es auch viele Ermittlungen zu diesem Strafbestand."

Nach dem Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in einem ehemaligen Hotel behinderten Schaulustige die Feuerwehrleute und bejubelten und beklatschten den Brandanschlag, sogar Kinder waren in der Menge. Zwei der Störer—einer war einer Polizistin auf den Rücken gesprungen—wurden mittlerweile zu Haftstrafen verurteilt. Der Brandanschlag verursachte einen Schaden von über 500.000 Euro, das Landratsamt beschloss auch wegen der hohen Kosten, das Gebäude nicht als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen. Die Täter wurden trotz Durchsuchungen bei Verdächtigen bis heute, also fast ein Jahr später, noch nicht gefasst.

Markus Kemper vom mobilen Beratungsteam des Kulturbüros Sachsen, das im Bundesland über Rechtsextremismus aufklärt, sagte VICE zu dem "Sieg Heil"-Video: "Auch wenn ich mich täglich mit diesen Dingen beschäftige, schockiert mich dieser Fall nochmal besonders. Wir arbeiten mit Vereinen, Schulen und Ministerien zusammen und beraten diese zum Umgang mit Rechtsradikalismus. Trotzdem kann ich mir nicht erklären, wie der Mann im Video zu seiner Gesinnung kommt." Rechtsextreme Straftaten passieren in Sachsen allerdings immer öfter. Zwischen 2012 und 2015 hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. Zwischen 2014 und 2015 gab es gar einen Anstieg um 86%.

Das "Sieg Heil"-Video ist der vorerst letzte Fall, der die Stadt wegen rechter Umtriebe in die Schlagzeilen befördert. Zweimal kam es im letzten Jahr zu Zusammenstößen auf dem Marktplatz der Stadt, bei denen Flüchtlinge von Rechtsradikalen über den Platz und durch die Stadt gejagt worden sein sollen. Am 31. Oktober hatte ein Neonazi drei Flüchtlinge mit einer Pistole bedroht und im Dezember wurde ein weiterer Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft verübt, bei dem aber kein Schaden entstanden ist. Drei Verdächtige, die auch ein Geständnis abgelegt haben, wurden mittlerweile verhaftet.

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