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Munks-Enigma gelöst: Klimawandel verlangsamt tatsächlich die Erdrotation

Geophysiker stellen einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen dem Schmelzen des Poleises und der Rotationverminderung der Erde her. Damit konnten Forscher erstmals eine schon länger kursierende Hypothese bestätigen.
Wikimedia, Silver Spoon | CC BY-SA 3.0

Der Klimawandel hat enorme Auswirkungen auf unseren gesamten Planeten. Doch neben der Freisetzung von Treibhausgasen, wirtschaftlichen Zusammenbrüchen und Klima-Flüchtlingen scheint auch die Erde selbst zu reagieren. Aufgrund der durch die Erderwärmung schmelzenden Eismassen an den Polen dreht sich der blaue Planet nämlich langsamer.

An Nord- und Südpol, also der Erdachse, befinden sich massive Gletscher und Eisschollen. Schmelzen diese, fließen sie in die Ozeane und entfernen sich immer weiter von der Achse weg, da die Weltmeere ihr größtes Volumen in der Nähe des Äquators haben.

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Diese Verteilung der Masseverhältnisse wirkt sich nun auf die Rotation des Planeten aus. Die Entwicklung kann man sich wie eine Eiskunstläuferin vorstellen, die sich langsamer dreht, wenn sie die Arme ausbreitet und den Spin beschleunigt, sobald sie ihre Arme näher am Körper hält. Wie die Studie in Science Advances beschreibt, wird die Erde langsamer und die Tage damit länger.

Dieser als „Munks Enigma" bekannte Effekt wird von Wissenschaftlern schon länger in der Theorie vorhergesagt, konnte jedoch bisher nicht bewiesen werden. Im Jahr 2002 postulierte der renommierte Ozeanograph Walter Munk in einer Abhandlung diesen Widerspruch, der ähnlich wie das Fermi-Paradoxon die Wissenschaftler vor ein bis dato ungelöstes Rätsel stellte.

Diese Wetterkatastrophen 2014 hat der Klimawandel beeinflusst

Nun nahm sich der Geophysiker Jerry Mitrovica von der Harvard University in Cambridge noch einmal des Mysteriums an und stellte fest, dass Munks Annahmen doch stimmen könnten. Munks Modell besagt, dass die Erde sich laut jahrtausendealten astronomischen Aufzeichnungen, die die Veränderungen der Ekliptik beschreiben und bis in die Antike zurück reichen, kontinuierlich verlangsamt hat. Auch mit dem Schmelzen der Gletscher in der Eiszeit verteilten sie die Massen auf der Erde neu. Gleichzeitig hoben sich die Landflächen an, da sie nun nicht mehr von dem Eis herabgedrückt wurden, und entfernten sich somit Stück für Stück vom Erdkern und somit auch von ihrer Achse.

Munks Abhandlungen sind in der Theorie stimmig und erklären die Auswirkungen der Eiszeit. Auch heute noch streben die Kontinente weiterhin vom Erdmittelpunkt weg. Allerdings zeigten diese Beobachtungen auch, dass sich unsere Erde nicht in dem Tempo verlangsamt hat, wie die Forscher es mit dem Schmelzen des Eises durch den aktuellen Klimawandel erwartet hätten. Munks Theorie greift an dieser Stelle schlicht zu kurz.

Mitrovica und sein Team nahmen sich nun dem 13 Jahre alten Modell erneut an und untersuchten mit Hilfe neuer Berechnungen und Computersimulationen, inwiefern sich die Widersprüche auflösen lassen.

Ihre Ergebnisse quantifizierten, dass der Anstieg des Meeresspiegels im vergangenen Jahrhundert um 30 Prozent geringer war als von Munk angenommen, und der Klimawandel sich sehr wohl auf das Tempo der Erddrehung ausgewirkt hat. Seit 2.500 Jahren verliert die Erde konstant an Tempo und verlangsamt sich pro Jahr um 2,4 Sekunden. Die Geophysiker brachten diese Beobachtungen, den sogenannten „Clock Error", nun zum ersten Mal mit einem Anstieg der Meeresspiegel in Verbindung und erklärten damit auch die Entwicklungen seit der letzten Eiszeit.