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Spielzeug zum Töten gibt es in Nürnberg auch in rosa und vergoldet

Blutige Anschläge und Amokläufe sind leider nicht mehr aus den News wegzudenken, und perverserweise florieren Waffenmessen besser denn je. Wenn die Kohle stimmt, kriegst du sogar im idyllischen Nürnberg auf der Waffenmesse alles, was das Herz begehrt.

Nürnberg ist mit etwa 500.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Bayerns. In Österreich kennen viele Leute Nürnberg im Zusammenhang mit dem Christkindlesmarkt–der jährlich von japanischen Touristen überrannt wird. Doch es gibt auch weitere Ereignisse, für die Nürnberg bekannt ist: die Internationale Waffenausstellung, eine der wichtigsten Leitmessen in der Branche, die jährlich massenhaft von Fachleuten und Waffennarren besucht wird.

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Während du dir auf der IDEX (International Defence Exhibition) in Abu Dhabi einen Flugzeugträger, eine Drohne oder einen Panzer kaufen kannst, gilt die IWA in Nürnberg als die international führende Fachmesse für Handfeuerwaffen, Jagdsport und Law Enforcement. Mit fast 40.000 Besuchern aus über 115 Ländern konnte die Internationale Waffenausstellung 2013 einen neuen Rekord aufstellen.

Hier werben über 1000 Aussteller (2012: 1.204) aus knapp 50 Ländern mit neuen Produkten und Neuheiten, die man so braucht, um ein Tier in der Wildnis oder einen Menschen auf der Strasse zu erlegen.

Beim Betreten der Messehallen ist mir gleich aufgefallen, dass es de facto keine Sicherheitskontrollen gibt. Einzig eine Sicherheitsfirma kontrolliert die Ausweise und Einladungen für die Fachbesucher. Es gibt keine bewaffnete Security, zumindest keine im Vordergrund.

Das kulturelle Angebot an Waffen und Zubehör reicht vom anatolischen Holz aus der Türkei bis zur israelischen Uzi. Die Stimmung bei den Ausstellern und Besuchern ist recht gelassen. Man führt Verkaufsgespräche und Präsentationen, als würde man hier mit Spielzeug handeln. Während mir der japanische Messerhersteller in seinem maßgeschneiderten Anzug erklärt, dass seine Messer aus Kohlefaser nicht von Metalldetektoren aufgespürt werden können, werden am nächsten Stand Vertretern der Polizei neue Kampfanzüge vorgestellt. Die neuen Anzüge für Bereitschaftspolizisten halten problemlos Schläge mit einem Aluminium-Baseballschläger aus. Solche Produktinnovationen freuten den deutschen Bundesminister des Inneren besonders, der übrigens die Schirmherrschaft für die EnforceTac 2013 hatte, eine Teilmesse der IWA nur für Behörden, wo speziell Produkte für die Polizei vorgestellt werden.

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Das perfide an der Waffenbranche ist nicht die Tatsache, dass hier Waffen verkauft werden mit denen du auch Menschen tötest (sonst müsstest du auch ein schlechtes Gewissen haben, für McDonald’s zu arbeiten), sondern, das Perverse ist eigentlich das Marketing, mit dem Waffen an den Mann gebracht werden. Es gibt hier einen Waffenhersteller, der Vixen heißt und einer, der sich Blaser nennt.

Aber auch Slogans wie : Wir können Waffen!!!

Gefeilscht wird hier auch, wie auch auf jeder Messe, also wieso keinen Rabatt raushandeln, wenn man schon Tausende von Maschinengewehren auf einmal kauft. Man trinkt dabei Kaffee, macht Witze und bestellt nebenbei das Material für bewaffnete Konflikte.

Da haben es die Chinesen schon schwerer, die seit letztem Monat zwar zu den Top 5 Waffenexporteuren der Welt gehören, nachdem sie England von Platz 5 verdrängt haben—aber Industrieländer kaufen kaum bei ihnen ein. Zumindest nicht die, die was auf sich halten. China exportiert vor allem in Schwellenländer, wie Indien oder Pakistan. Um das Angebot trotzdem attraktiv zu gestalten, beschlossen die Chinesen, Sturmgewehre in der Farbe Rosa zu verkaufen.

Bleibt natürlich die Frage, wie man an eine Lieferung solcher schicken Maschinengewehre kommt. Natürlich kann man die Ware nicht „zum Mitnehmen“ haben. Auf der IWA herrscht strengste Kontrolle über scharfe Ausstellungswaffen auf der Messe. Ausserdem haben nur Fachbesucher und Medienvertreter Zutritt. Also angenommen, ich bestelle bei dem netten Chinesen 3x Sturmgewehre. (Den Chinesen interessiert es nicht, ob ich einen Presseausweis oder einen Einkäuferausweis trage. Er liefert Ware gegen Geld). Die Sturmgewehre haben eine Lieferzeit von 21 Tagen, wobei die Ware via Flugzeug verschifft wird. Wenn die Sturmgewehre in Frankfurt landen, gibt es nur noch zwei Optionen. Der deutsche Zoll entdeckt die echten Waffen und hetzt dir das Spezialeinsatzkommando und den Verfassungsschutz auf den Hals, weil man gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen hat. Oder du hast Glück und die Waffen kommen durch den Zoll, ohne entdeckt zu werden…

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Die Einkäufer auf der IWA kommen aus der ganzen Welt. Sie handeln meist im Auftrag einer Regierung oder einer Firma, die eine Genehmigung für den Import & Export von Waffen hat. Aber auch viele Söldner von privaten Sicherheitsfirmen sind auf der Messe zu finden. Die bestellen meist im Auftrag dieser US-amerikanischen Privatarmeen Maschinengewehre, Ausrüstung und diverse andere Sachen für die „Modern Warfare.“

Für den Yuppie-Diktator wird eine vergoldete Kalaschnikow aus dem Film Lord of War angeboten. Alternativ dazu gibt es eine vergoldete Dessert Eagle Pistole, wir haben ja schließlich Wirtschaftskrise. Aber da immer mehr Diktatoren abdanken oder seit dem Arabischen Frühling gestürzt werden, bleiben solche Waffen eher was für Exoten und neureiche Russen.

Besonders Scharfschützenwaffen standen bei dieser Messe im Mittelpunkt. Wer seinen Feind feige und hinterrücks töten will, wurde auf der IWA schnell fündig. Auch Leute, die das Attentat auf Kennedy simulieren wollen, konnten hier ein Modell der originalen Tatwaffe finden. Mittlerweile können solche Präzisionsgewehre sogar Panzerstahl durchschlagen und treffen auf eine Entfernung von über 1,2 km.

Die diesjährige IWA war wieder eine sehr gelungene Messe für die Waffenbranche. Milliarden Umsätze wurden generiert–und neue Kontakte wurden geknüpft. Kontakte, die eines Tages evtl. einen Konflikt entscheiden werden. Man darf sich dennoch die IWA nicht als eine Freak-Messe vorstellen. Es gibt auch „normale“ Besucher der IWA, wie z.b. Jäger und Förster. Leute, die Waffen kaufen, nicht, um einen Menschen umzubringen, sondern nur um mal paar Tiere jagen zu gehen.