Clickbait, Tränen und Schizophrenie: Wie sich die 'HuffPost’ auf Facebook verkauft
Eine Falschmeldung über die Abschaffung von Weihnachten verbreitet sich bei HuffPost fünfmal besser über Facebook als eine korrekte Nachricht über Angela Merkel | Bild: Julia Weber für Motherboard

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Clickbait, Tränen und Schizophrenie: Wie sich die 'HuffPost’ auf Facebook verkauft

Und was der Chefredakteur der Huffington Post Deutschland zu unserer Recherche sagt.

Wie viel Halbwahrheit und Falsches kursieren auf Facebook? Und welche Rolle spielen große Nachrichtenmedien in Sachen Desinformation? Wir haben in einer Woche rund 2.000 Facebook-Posts von acht deutschsprachigen Medien in einer umfassenden Datenrecherche nachrecherchiert und auf ihre Faktentreue hin überprüft.

Hier schlüsseln wir alle Ergebnisse auf. Ein FAQ zu unserem Untersuchungs-Setup findet ihr hier.

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Bei der Analyse fiel uns nicht nur auf, dass der verbreitete Anteil an wahren, halbwahren und falschen Posts je nach Medium sehr unterschiedlich ausfiel, sondern auch, mit welchen verschiedenen Taktiken und Strategien die Medien Falsches auf Facebook verbreiten. Einen Überblick über die Posting-Strategien aller Medien findet ihr hier.

Huffington Post Deutschland nutzt mit ganz unterschiedlichem Content die Gunst der Stunde, um Leser anzulocken: Emotionale Erlebnisberichte aus erster Hand über die kleinen und großen Dramen des Familienlebens wechseln sich ab mit alarmistischen Fahndungsaufrufen, fluffigem Hündchen-Content, polemischen Politik-Kommentaren, und zwischendurch mit Satire.

So stehen Überschriften wie "Offener Brief an die Ex-Frau", "Sie hatte nur eine Erkältung, doch dann brachte ein Schmerzmittel sie fast um" oder "Der emotionale Brief eines Babys, das alleine schlafen lernen soll" neben ernstgemeinten Listicles mit Gründen, "warum Merkel eine Gefahr für Deutschland ist", gefolgt von einem satirischen Artikel – "21 Gründe, warum Merkel an allem schuld ist" – und immer wieder neuen, "furchtbaren Details zur Bluttat von Hameln". Insgesamt acht Artikel postet die HuffPo dazu in unserem Untersuchungszeitraum; keiner von ihnen ohne einen nennenswerten Erkenntniswert abseits von Sensationsberichterstattung. Zwischendurch gibt es Tiergeschichten.

Neben dieser schizophrenen Mischung aus familienorientierten Einzelschicksalen und Angstmache vor Fremden schafft Huffington Post Reichweite durch eine zweite Strategie: zusammengeschummelte Nicht-Geschichten, die sprachlich an die Bauchfett-Werbeflächen auf unseriösen Websites erinnern und den Schmähbegriff Clickbait im negativsten Sinne repräsentieren. Eine ästhetische Zeitenwende verkündet zum Beispiel dieser Post: "Vorbei ist die Zeit der durchtrainierten Männer" – meint zumindest die 19-jährige Studentin Mackenzie, stellt sich dann im Artikel raus. Der Beitrag erschien ursprünglich auf der Website Netmoms aus demHuffington Post-Netzwerk, die sich speziell an Schwangere oder junge Mütter wendet. Was Mackenzie nun genau zur gesamtgesellschaftlichen Geschmacks-Visionärin qualifiziert, verrät Huffington Post leider nicht.

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Genau wie allen anderen untersuchten Medien haben wir auch die Huffington Post mit unserer Ergebnissen konfrontiert. Auf unsere Rückfragen zu einzelnen Posts und Abläufen antwortete Sebastian Matthes, der als Chefredakteur für die Huffington Post arbeitet.

Motherboard: Wie schätzen Sie die Rolle von etablierten Medien in der Debatte um Fake News und Desinformation ein? Welche internen oder externen Faktoren in der täglichen redaktionellen Arbeit sehen Sie, die das Ergebnis beeinflussen könnten und wie könnte man sie überwinden?

Sebastian Matthes (Chefredakteur Huffington Post): Das schnelllebige Online-Geschäft ist gerade in Breaking-News-Situationen fehleranfällig. Hier hilft es einer Redaktion nur, ständig zu lernen, Prozesse zu verbessern und weiter zu lernen. Wir bei der HuffPost setzen uns nach solchen Situationen immer zusammen und besprechen, was gut gelaufen ist und was wir für das nächste Mal optimieren wollen.

Zum Thema redaktionelle Abläufe: Wie kommt die Facebook-Aufmachung zustande und inwiefern trägt die Redaktion die Verantwortung dafür?

Grundsätzlich trägt jeder Redakteur die Verantwortung für seine Geschichten auf allen Kanälen - was nicht heißt, dass er sie immer selbst postet. Immer wenn es hier zu Unklarheiten zwischen Teams kam, haben wir das offen besprochen und anschließend die Abläufe verbessert. Zum Beispiel haben wir schon vor Monaten ein Vier-Augen-Prinzip bei Facebook-Posts und Push-Meldungen eingeführt.

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Welche Rolle spielt der Facebook-Traffic für Ihre Redaktion?

Facebook ist eine sehr wichtige Säule für die HuffPost. Hier verlinken wir unsere Geschichten, tauschen uns aber auch eng mit Nutzern aus. Zudem ist Facebook für uns ein wichtiger Rückkanal für Feedback auf Geschichten oder Anregungen für neue Storys.

Unter welchen Umständen posten Sie Richtigstellungen zu falsch verbreiteten Informationen?

Wir nehmen Feedback auf unsere Arbeit sehr ernst - und korrigieren Fehler, sobald wir davon erfahren. Bei faktischen Fehlern machen wir das in Texten auch transparent.

Würden Sie sagen, dass für Facebook-Posts in Ihrer Redaktion dieselben redaktionellen Standards gelten wie für die Artikel, auf die sie verlinken?

Grundsätzlich ja. Es kann nur vorkommen, dass FB Posts anders aufgemacht sind als Artikel auf der Seite.

Können Sie etwas zu dem Facebook-Posts sagen, in dem es in der Copy als Zitat heißt "Wir sind ein muslimisches Geschäft" (siehe Bild oben) und erklären, wie er zustande kam?

Das Zitat im Status ist aus dem Zusammenhang gerissen und erweckt einen falschen Eindruck. Wir nehmen solche Fehler zum Anlass, zu lernen.

Erwägen Sie, aus der Recherche Konsequenzen zu ziehen? Wenn ja, welche und wie überprüfen sie, ob sie umgesetzt werden?

Wir nehmen Feedback auf unsere Arbeit immer ernst - denn das hilft uns, besser zu werden. Die Abläufe in der Redaktion haben wir schon vor Monaten stark verändert. Zum Beispiel ist das Social-Team viel näher an den Rest der Redaktion herangerückt. Denn wer im Alltag unsere sozialen Kanäle steuert, trägt die gleiche Verantwortung wie unser Frontpage-CvD. Denn Social ist schon lange eine eben so wichtige Startseite, wie unsere Homepage.

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Zahlen und Fakten zu 'Huffington Post Deutschland'

Motto: „Die Welt ist besser als ihre schlechten Nachrichten. Wir müssen nur hinschauen."

Facebook-Fans: 648.222
Reichweite der Website laut Similiarweb: 11,17 Mio. Visits pro Monat
Anzahl der untersuchten Posts: 152

Die fünf am meisten geteilten Posts im Untersuchungszeitraum:

Die Facebook-Deeplinks der Huffington Post funktionieren nicht mehr, weil das Medium zwischenzeitlich seinen Benutzernamen auf Facebook geändert hat. Daher sind sie nur noch vereinzelt über Archivsuchen zu finden.

Platz 1:

https://www.facebook.com/huffingtonpostde/posts/1128132147304473

(1.446 Shares, Kategorie C)

Platz 2:
https://www.facebook.com/huffi… (931 Shares, Kategorie A)

Platz 3:
https://www.facebook.com/huffingtonpostde/posts/1129277643856590 (803 Shares, Kategorie A)

Platz 4:
https://www.facebook.com/huffingtonpostde/posts/1133312496786438 (644 Shares, Kategorie B)

Platz 5:
https://www.facebook.com/huffingtonpostde/posts/1129564443827910 (615 Shares, Kategorie C)